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Maiks Metallische Mottenkiste Vol.9
Die Stromgitarren-Urschleimsuppe von und mit Herrn Godau: Heute: TYRANT
Heute habe ich eine Band auf der Agenda, welche man wohl unbestritten zu den ersten Metal Bands Deutschlands zählen kann und muss. Die Rede ist von TYRANT aus Ulm, auf die mich eigentlich unser Chefredakteur Olaf gebracht hat, der vom Gig des Urgesteins auf dem KIT 2023 saumässig begeistert war. Auf meine Frage, welche TYRANT er denn meine, denn diesen Namen haben sich etliche Bands gekapert, sagte er, es gäbe nur die einen, wahren TYRANT. Das lasse ich mal unkommentiert, kann mich aber nicht entblöden, diese kleine Collage anzufügen.
Außerdem möchte ich mich ganz herzlich bei Ralf Hollmer bedanken. Denn irgendwie fand ich im Internet kaum gescheite Hintergrundiformationen über die Band, und auf meine Anfrage mailte mir der Ralf, obwohl er gerade im Megaumzugsstress stand, massenhaft Material zu, mit dem ich wunderbar arbeiten konnte. Vielen Dank nochmal! Doch nun zu TYRANT!
Die Gitarristen Karl-Heinz Tomaschko alias King Carl und Ralf Hollmer, die zusammen schon bei einer Band namens BEASTFOOD gespielt hatten, fanden, es wäre an der Zeit, härtere Musik zu zocken. Zusammen mit Michael „Micky“ Budde (dr.) gründeten sie die Band KILLER, zu der dann noch André Paback am Bass stieß. Auf einem Festival in Ulm ‚entdeckten‘ sie den charismatischen Sänger Jürgen Kerner „Kerrmit“ und fragten Ihn, ob er Bock hätte, ihrer Band als Vokalist beizutreten. Er hatte, und somit war das Line Up vollständig.
Der Name KILLER hatte allerdings nicht lange Bestand, denn in der Schweiz kursierte schon eine Band gleichen Namens und so nannte sich der Fünfer kurzerhand um. In TYRANT. Nun gab und gibt es auch mindestens fünfundzwanzig TYRANTs, was heute teilweise noch für Verwirrung sorgt (siehe obige Collage!). Doch die TYRANT, um die es hier geht, sind die Ulmer. Und da gibt es nur die einen. Doch ich schweife ab.
Ohne sich mit einem Demo aufzuhalten, kratzte die Band etwas Kohle zusammen und veröffentlichten 1983 in Eigenregie eine 7“ mit dem Titel „I Wanna Make Love“ auf welcher außer dem Titelsong noch der Track „Look Out“ enthalten war.
Mit diesem machten sie auf die Leute von GAMA Records wohl ziemlichen Eindruck, denn schon bald war ein Plattendeal eingetütet, und schon im Oktober 1984 stand das Debütalbum in den Läden. Außerdem wurde das Album von Mausoleum Records und in Übersee vom kanadischen Label Banzai lizensiert.
Ralf Hollmer verließ allerdings noch vor den Aufnahmen zu „Mean Machine“ die Band und gründete später die Formation VAMPYR (die 1985 mit „Cry Out For Metal“ ihr einziges Release veröffentlichten). Für ihn stieg Holger Thiele ein.
„Mean Machine“ war für die damalige Zeit ein recht heißes Eisen. Die Band schabte schon fast etwas am Speed Metal vorbei, was durch den rauen Gesang von Kerrmit noch verstärkt wurde, der doch um einiges krasser rüberkam als die Sänger anderer deutscher Metalbands, auch aus dem geographischen Umfeld von TYRANT, wie STORMWITCH, GRAVESTONE oder TYRAN‘ PACE. Das Album gilt heute noch als das beste der Band. Das Coverartwork war ein Fantasyartwork im Stile der Covers von Michael Whelan oder Boris Vallejo, halbnackter muskulöser Barbar und nackte Frau inklusive.
Schon ein Jahr später brachte die Band das Nachfolgealbum „Fight for Your Life“ heraus. Nun über das GAMA- Sublabel Scratch Records. Mit dieser LP führten sie ihren Stil konsequent weiter, wenngleich es schien, dass die beiden Gitarristen songwriterisch wohl nicht besonders gut zusammenpassten. Auch waren die Songs viel mehr im Midtempo angelegt als noch auf „Mean Machine“. Ebenso wirkten die Gesangslinien etwas sperrig, da der Gitarrensound etwas in den Hintergrund gemischt erschien.
Die Platte war in Ordnung und erhielt auch gute Kritiken, konnte aber „Mean Machine“ nicht erreichen. Das Coverartwork stellte diesmal ein Remake des Titelbildes der Seven Inch dar. Wie schon beim Vorgängeralbum hatte die Band keine Chance für eine anständige Tournee.
Nachdem Holger Thiele wieder ausgestiegen war, machte die Band vorerst als Vierer weiter. In dieser Konstellation wurde auch das dritte Album von TYRANT unter dem Titel „Running Hot“ aufgenommen, welches dann im Jahre 1986, ebenfalls über Scratch Records erschien. Die Songs waren wieder etwas härter konzipiert, und wirkten insgesamt kompakter als auf dem Vorgänger. Etwas unglücklich war die Wahl des Coverartworks. Dieses Wildschwein mit der E-Gitarre erweckte den Eindruck, hier wäre eine Funband oder eine Metal- Parodie unterwegs.
Alle Gitarrenspuren stammten von King Carl. Doch scheinbar war es gerade bei Konzerten ersichtlich, dass TYRANT zwei Gitarristen brauchen, um die Songs mit Schmackes zu intonieren. Auf dieser Position stieg Linus Grimes ein, während Oli Schmidt den mittlerweile ausgestiegenen Drummer Micky Budde ersetzte. Dieses Line Up war allerdings nur für einige Livegigs aktuell, denn bei einem Autounfall verstarb Grimes und Drummer Schmidt erlitt schwere Verletzungen, von denen er sich auch nicht vollständig erholen konnte.
Für Letzteren kam Dieter Behle (u.a. GRAVESTONE) in die Band. Auch André Paback ging. Seine Position am Bass übernahm nun Chris Peterson (eigentlich Christian Peterhänsel). Nun fehlte noch ein zweiter Gitarrist. Den fand die Band dann mit Phil Zanella, der auch songwriterisch neue Einflüsse in die Band brachte, was sich definitiv auf das vierte Album „Ruling The World“ auswirkte. Die Songs wurden abwechslungsreicher und hatten teilweise einen epischen Einschlag. Passend dazu gab es wieder ein martialisches Sword and Sorcery- Cover, welches auch einer Band wie CIRITH UNGOL gut zu Gesicht gestanden hätte.
Obwohl mit diesem Album sowohl von den neuen Mitgliedern als auch vom Songwriting her frisches Blut in die Band kam, war die Stimmung wohl nicht so optimal, sodass auch King Carl die Segel strich und Kerrmit als einzig verbliebenes Originalmitglied das Schiff weiterlenken musste, was nicht einfach war. Denn auch Zanella und Behle verließen TYRANT und so musste schnell Ersatz für die drei Verflossenen gefunden werden. Die Gitarrenpositionen wurden mit Lubosch Sterzik, einem alten Kumpel (der auch bei VAMPYR gespielt hat) und Tom Kees besetzt. Die Schießbude übernahm Marc Oppold.
In dieser Konstellation wurde die „Ruling The World“- Tour gefahren, bei welcher eine Live- LP mit dem Titel „Live and Crazy“ aufgenommen wurde, die 1990 über Musicolor herauskam, da GAMA Records mittlerweile pleite gegangen waren. Und das war auch einer der Gründe, dass der Tyrann letztlich die Reichsinsignien ablegte und seinen Rücktritt erklärte. Fortwährende Line Up- Probleme und ein Label, welches nur die nötigste, wenn überhaupt, Unterstützung bot. Dazu schlechte Distribution, zu wenige Möglichkeiten, live zu spielen, und letztlich auch die Tatsache, dass die drei Bandgründer schon lang nicht mehr dabei waren, ließ die Band leise im Nirvana verschwinden. Dass der Fokus mittlerweile auch mehr in Richtung Thrash und Death Metal ging, war sicherlich auch ein Kriterium.
Nun schien sich also der Sargdeckel über TYRANT zu schließen, einer Band, welche durchweg gute Alben veröffentlicht hat und auch auf zahlreichen Compilations diverser Label erschien. Die Alben wurden zwar von verschiedenen Labels wiederveröffentlicht und gerade das Debütalbum „Mean Machine“ stellt, zumindest in meinen Augen, eines der wichtigsten Teutonen-Metal- Alben dar.
Doch erstens kommt es anders, und zweitens, als man denkt. Wie heißt es so schön, frei nach Shakespeare? „Der Tyrann ist tot, lang lebe der Tyrann!“. Und zwar hat der Veranstalter des Keep It True, Oliver Weinsheimer, immer wieder mal angefragt, ob die Band nicht eine Reunion Show auf seinem Fetsival bestreiten könne. Und irgendwann hat Kerrmit die Leute gefragt, und alle sagten zu. Allerdings schwebte wieder der Pechvogel über TYRANT, denn Corona kam dazwischen. Also dauerte es bis Oktober 2022, bis die Gruppe auf dem Keep It True Rising II auftreten konnte. Außer den alten Recken Ralf Hollmer und Kerrmit sind noch Chris Peterson und Marc Oppold am Start und als neues frisches Blut Ingo Autenrieth.
Kürzlich rockten TYRANT das reguläre Keep It True 2023 und soweit ich weiß, sind weitere Shows geplant. Außerdem arbeitet die Band an neuen Songs. Man kann also in Bälde mit einem neuem Album rechnen. Ich jedenfalls bin gespannt.