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PERSEFONE – Aathma (2017)

(3.548) - Stefan (9,0/10) Progressive Metal

Label: Sound Pollution/ Vicisolum
VÖ: 24.02.17
Stil: Progressive Metal

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Persefone sind bei weitem kein unbeschriebenes Blatt, auch wenn sie mir persönlich mit „Aathma” zum ersten Mal über den Weg gelaufen sind. Das neue Album ist bereits das fünfte der Band aus Andorra und dürfte nach den hervorragenden Kritiken des Vorgängers „Spiritual Migration“ den Ruf der Band untermauern. Das ist umso beeindruckender, weil die Produktion des Albums auch durch Crowdfunding finanziert wurde. Im Vorfeld konnten Fans limitierte Editionen oder Merch vorbestellen, was der Budgetierung des Albums zu Gute kam.

Was wir zu hören bekommen ist ein wilder Ritt aus vielen progressiven Elementen des Metal. Mit reinem Death-Metal, den Persefone laut eigener Aussage spielen, hat das nur in bestimmten Details (Growls/Screams, sehr kurze Blastbeats) etwas zu tun, und nur weil es manchmal etwas moderner klingt, kann man den Stil nicht nur auf progressiven Metalcore reduzieren. Das Album vereint diese Stile und wird gerade in Solo-Passagen gern um manche Anleihe der Marke Dream Theater gewürzt (Gitarre/Keyboard Ostinato-Soli a la Petrucci/Rudess).

Die Reise beginnt eher ruhig mit "An Infinitesimal Spark", auf dem sich die erste, stark verfremdete Stimme von Cynic-Frontman Paul Masvidal an den Vocals findet. Es geht nahtlos über in "One of many", das instrumental schon mal einen leichten Vorgeschmack auf das Feuerwerk bietet, das Persefone im Folgenden abbrennen. "Prison Skin", die erste Video-Veröffentlichung, ist ein gewaltiger Par-Force-Ritt, der allen Instrumentalisten höchste Qualitäten abverlangt. Im Umkehrschluss heißt das für den Hörer, dass er oder sie sich mit unvorhersehbaren Breaks, überraschenden Taktwechseln, dem Wechselspiel zwischen den Growls von Shouter Mark Martins Pia und den Clean-Vocals des Keyboarders Miguel Espinoza, extrem schnellen Läufen und Soloteilen, die nur als virtuos zu bezeichnen sind. Dass es in der Mitte des Songs ruhiger wird, ist als erholsam und zwingend notwendig zu erachten.
"Spirals within thy Being" macht da keinen großen Unterschied, hat aber ein eingängigeres Einstiegsriff, dass ein gewisses Unwohlsein in seiner harmonischen Vertracktheit direkt auf den Hörer überträgt. So endet dieser Song auch und lässt das Unbehagen lange vorhalten.
"Cosmic Walkers" ist wie auch "Vacuum" ein sehr ruhiges, fast meditatives Stück. Wieder und wieder findet sich ein vom Piano gespieltes Thema, das sich auch in anderen Stücken kurzzeitig wiederfindet.
Und genau hier entschwinde ich ganz abrupt mal auf einen kurzen Exkurs, denn bis dahin sind uns schon so viele Töne in die Gehörgänge gejagt worden, dass sich einige Fragen aufwerfen. Wer soll sich das alles merken? Wird der Hörer nicht brutal überfrachtet? Breitet sich beim ersten oder zweiten Hören nicht eine gewisse Überforderung aus, die wegen der vielen schnell wechselnden Parts und der fast schon zu virtuosen Instrumentalarbeit beim geneigten Laien nicht auch in Langeweile umschlagen kann? Ist die Länge der Stücke nicht Beweis für die Taktik "Lasst uns hier noch einen Part dranklatschen, damit der Song noch länger wird"? Gerade bei Metalcore-Scheiben scheint oftmals das Songwriting weniger im Vordergrund zu stehen als vielmehr, was Gitarren und Shouts herauszuhauen vermögen.

Nun, da ich hier nur zum Teil auf meine persönlichen Vorlieben zurückgreifen und (bei aller Subjektivität) wenigstens den Versuch oder den Anschein der Objektivität aufkommen lassen sollte, habe ich dem Album mehrere Durchläufe in unterschiedlichen Situationen (eher im Hintergrund beim Autofahren oder Aufräumen, aber auch sehr bewusst mit einem Stift in der Hand, um mir Notizen zu machen) gegönnt. Dabei sind mir zunächst die erwähnten ruhigen Stücke in Erinnerung geblieben, weil sie Ansatzpunkte bieten. Von diesen Brückenköpfen ausgehend ist es gleich viel weniger anstrengend oder frustrierend, sich mit den folgenden längeren Songs zu befassen, denn man weiß ja, dass sich wieder eine Insel auftut. Entsprechend leichter ist es, auch in den schnellen vertrackten Passagen der langen Stücke als Hörer navigieren zu können und sich diese zu erarbeiten, bzw. diese zu bestaunen. Exkurs Ende.

"Cosmic Walkers" und "Vacuum" sind in meinen Augen daher mitnichten belanglose Lückenfüller, sondern von strategischer Bedeutung, da sie den Gegenpol zur Anstrengung in den langen Tracks darstellen. Auch in diesen Stücken finden sich solche Stützpunkte, die den Hörer wieder zu sich selbst finden lassen. So ist man in der Lage, die Überforderung nicht in Desinteresse sondern in aufmerksames Hören umzuwandeln. Zumindest waren diese Gedanken mein Schlüssel zu diesem bemerkenswerten Album.

Ein schönes Beispiel dafür ist "No faced mindless", das den Hörer zunächst wieder böse mit scheinbarer Strukturlosigkeit und instrumentalem Dauerfeuer empfängt. Mitten im Stück kommt dann dieses Break, bei dem das Piano übernimmt und die Band nur Fills spielt. Die leichte Harmonik ist fast schon auffällig nötig, damit Hörkinkende wie ich wieder Anschluss an die Gruppe finden.

"Living Waves" ist eine Metapher für die positive Transzendenz der verfremdeten Stimme von Guestvocalist Paul Masvidal aus "An infinitesimal Spark", die aber einen düsteren Beigeschmack des Kontrollverlusts durch die Growls bekommt. Dieser Song ist nicht weniger virtuos, bietet aber am ehesten noch Ansatzpunkte nach den ersten Hördurchläufen.

Nach dem meditativen "Vacuum" hätte "Stillness is timeless" auch gut der Schlusstrack des Albums sein können. Das Anfangsriff täuscht fast einen rockigen Song vor, wird dann aber schnell wieder in härtere Gefilde herübergezogen. Nach einem plötzlichen Break kurz nach dem Beginn spielt das Keyboard eine Abfolge langer hoher Töne, die mit dem Bass/Gitarren-Stakkato und den langsamen Drums eine sehr erinnerungswürdige Passage bildet. Diese wird rasche wieder aufgehoben, kommt aber am Ende des Stückes wieder vor und wird durch die bereits aus "Cosmic Walkers" bekannte triolische Pianomelodie bereichert. Dieses Ende ist mir lange in Erinnerung geblieben und hat meine Gemütslage an diesem Tag deutlich beeinflusst… vielleicht war es auch das Wetter, aber es passte zusammen.
Das wirkliche Ende bildet der aus vier Teilen bestehende Title-Track "Aathma", das zunächst ruhig, dann aber gewaltig loslegt. Zwischendurch bekommen wir die vierte Stimme zu hören, die zunächst nur spricht. Im letzten Teil singt sie den Schlusstrack. Dass in allen vier Teilen von „Aathma“ sowohl textliche als auch musikalische Reprisen zu finden sind, erwähne ich anstatt einer genaueren Beschreibung.

Summa summarum lässt mich dieses Album mit der Erkenntnis zurück, dass Persefone eine extrem talentierte Band sind, die ihre Instrumente bis über die Virtuosität hinaus beherrschen. Was die Band mit „Aathma“ vom Stapel gelassen hat, sucht sicher seinesgleichen. Auch den Mut zu haben, zu crowdfunden und sich damit ein wenig künstlerische Freiheit zu bewahren, ist des Lobes wert. Wenn dabei dann auch noch ein klanglich makelloses Album herausspringt, das sich zwar nicht gleich beim ersten Hören erschließt, das dem Hörer aber etwas abverlangt und ihn dafür mit vielen Erkenntnissen und Aha-Momenten belohnt, sollte Grund genug zur Freude sein.

Bewertung: 9,0 von 10 Punkten

Tracklist:
01. An infinitesimal Spark
02. One of many
03. Prison Skin
04. Spirals within thy Being
05. Cosmic Walkers
06. No faced mindless
07. Living Waves
08. Vacuum
09. Stillness is timeless
10. Aathma Part I: Universal Oneness
11. Aathma Part II: Spiritual Bliss
12. Aathma Part III: One with the Light
13. Aathma Part IV: … many of one

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