HATE – Bellum regiis (2025)
(9.554) Olaf (8,9/10) Black Metal

Label: Metal Blade
VÖ: 02.05.2025
Stil: Death/Black Metal
Die Warschauer Dauerinstitution ist mehr als nur ein Garant für gnadenlosen Death/Black Metal – sie ist ein Klangmonolith, der seit über drei Jahrzehnten erbarmungslos seine Schneisen durch die Weltgeschichte zieht. Und wenn man sie – wie ich – inflationär oft live gesehen hat, dann weiß man: Diese Band enttäuscht nie. Nie. Nicht im Studio. Nicht auf der Bühne. Und ganz sicher nicht mit Bellum Regiis.
Die Könige des Kriegs (so viel Latein darf sein) kehren zurück mit einem Werk, das brutaler, vielschichtiger und überraschender ist als alles, was sie seit dem großartigen Erebos (2010) veröffentlicht haben. Zugegeben, Rugia war stark – aber Bellum Regiis ist stärker. Oder vielmehr: tiefer. Dreckiger. Emotionaler. Und das, obwohl Frontschnitter Adam "ATF Sinner" Buszko hier so klingt, als hätte er sich mit rostigem Stahlwasser gurgelnd auf einen Vulkankrater gestellt, um dort seine Vision von Macht, Menschlichkeit und Melancholie in die Lava zu schreien.
Die neun Songs auf dem dreizehnten Studioalbum vereinen alles, was HATE seit Daemon Qui Fecit Terram (1996) auszeichnet – und noch ein bisschen mehr. Oder sagen wir: ein bisschen weniger HATE und etwas mehr… Tiefe. Pathos. Poesie. Keine Angst, das ist immer noch bitterböser, riffgetriebener, blastender Bastardmetal – aber diesmal eben mit einem Sinn für Atmosphäre, wie man ihn sonst nur von Schwarzmetallern mit Kerzenständern kennt. Produzent David Castillo hat der Band eine neue Klangdimension geöffnet: knallhart und gleichzeitig warm, organisch und dennoch messerscharf. Als hätte man sich beim Metzger seines Vertrauens in die Gefriertruhe legen lassen – mit Surround-Sound.
Thematisch schlägt das Album den Bogen von der griechischen Tragödie (Iphigenia) bis zur slawischen Mythologie (Perun rising) und der ewigen menschlichen Obsession mit Macht, Ruhm und anderen Irrlichtern, die das Ego größer machen als den Verstand. Das klingt jetzt nach trockener Lyrikstunde – ist aber ein akustischer Faustschlag mit philosophischem Florett. Die Texte sind komplex, laden zum Mitdenken ein und werfen Fragen auf: Macht uns Macht verrückt? Oder suchen nur Verrückte nach Macht?
Bellum Regiis, der Titeltrack, ist dabei so etwas wie das Epizentrum des Albums. Majestätisch, melancholisch, martialisch – ein musikalisches Gleichnis für den König am Rande des Abgrunds, der außer seiner Krone nichts mehr besitzt. Aber was für eine Krone! Verbeult, aber glänzend. Und sie passt perfekt zur musikalischen Ausrichtung: Der Song verbindet das Erhabene mit dem Zerfall, das Übermenschliche mit dem Menschlichen. Keine leichte Kost – aber dafür bleibt sie lange im Magen.
Dass Eliza Sacharczuk mit ihrem Gesang und textlicher Mitarbeit diesmal deutlich stärker in Erscheinung tritt, ist ein Glücksfall. Ihre Vocals – ob auf Griechisch, als Chor oder im sphärischen Hintergrund – geben dem Album eine zusätzliche Ebene. Und ja, der Begriff „Göttin des Krieges“ (Alfa Inferi – Goddess of War) ist hier keine billige Floskel, sondern verdienter Titel.

Was dieses Album so besonders macht? Es lebt. Es atmet. Es kämpft. Jeder Song scheint ein Kapitel eines größeren Epos zu sein, irgendwo zwischen Ilias und Inquisition. Es gibt orchestrale Passagen, klassische Samples, unerwartete Akustikgitarren – und trotzdem ist der Sound so fett, dass man ihn auch mit einer Axt nicht halbieren könnte. Und das Beste: Selbst nach dem fünften Hördurchlauf entdeckt man immer wieder neue Details – sei es eine kleine Melodieführung im Hintergrund oder ein rhythmischer Kniff, der einem vorher entgangen ist.
Die Songs von Bellum Regiis werden auf der Bühne garantiert explodieren – besonders Perun rising mit seinem aufbrausenden Drive und Bellum Regiis mit seiner majestätischen Zerstörungskraft dürften für kollektives Nackenschütteln sorgen. Ich freue mich schon auf das nächste Mal – und ja, ich werde wieder begeistert sein. Und beeindruckt. Und taub.
Bellum Regiis ist der Soundtrack für all jene, die beim Schachspiel lieber die Figuren anzünden, als auf ein Remis zu spielen. HATE haben ein Album geschaffen, das nicht nur brutal, sondern auch brillant ist – eine epische Symbiose aus Riffgewalt, mythologischer Tiefe und melancholischer Schönheit. Wer nach einem Soundtrack für das Ende der Menschheit sucht, hat ihn hier gefunden – inklusive Hoffnungsschimmer. Denn wenn der letzte König fällt, bleibt vielleicht doch noch ein Lied. Oder wenigstens ein Riff.
Anspieltipps:
🔥Bellum Regiis
💀Perun rising
Bewertung: 8,9 von 10 Punkten
TRACKLIST
01. Bellum Regiis
02. Iphigenia
03. The Vanguard
04. A Ghost of lost Delight
05. Rite of Triglav
06. Perun rising
07. Alfa Inferi Goddess of War
08. Prophet of Arkhen
09. Ageless Harp of Devilry