MISFIRE – Product of the Enviroment (2025)
(9.550) Olaf (8,5/10) Thrash Metal

Label: MNRK Heavy
VÖ: 02.05.2025
Stil: Thrash Metal
Chicago. Die Metropole im mittleren Westen steht eigentlich eher für Blues, Jazz und bittere Winter – weniger für rücksichtslosen Thrash Metal mit Hardcore-Attitüde. Doch genau das liefern MISFIRE auf ihrem neuen Album Product of the Environment ab. Brutal, kompakt, auf den Punkt – und überraschend eigenständig.
Man spürt sofort: Hier kommt keine Retro-Kopie aus der Resterampe, sondern ein hungriges Quartett mit klarer Handschrift. Die Band, ursprünglich als Trio angetreten, hat mit Neuzugang Dan Stapinski am Bass nicht nur personell aufgestockt, sondern auch klanglich zugelegt. Die Songs wirken fokussierter, strukturierter – und vor allem brutaler, wenn MISFIRE im mittleren Tempobereich auf hardcorelastige Grooves setzen. Da brodelt es gewaltig.
Schon der Opener Borrowed Time macht klar: Hier wird nicht lange gefackelt. Riff reiht sich an Riff, die Doublebass tackert dir die Zähne zusammen, und James Nicademus hämmert mit chirurgischer Präzision durch Songstrukturen, die trotz Komplexität nie überladen wirken. Der Mann hat nicht nur ein Händchen fürs Songwriting, sondern auch ein offenes Ohr für Dynamik und Groove. Gerade wenn MISFIRE im Midtempo agieren – mit hardcorelastiger Kante, versteht sich – entfaltet sich eine brutale Energie, die viele Kollegen aus dem Genre schamrot werden lässt.
Es ist dieser Mix aus struktureller Gewalt und kontrollierter Wut, der das Album so stark macht. Textlich bleibt man im Spannungsfeld zwischen persönlicher Desillusion und gesellschaftlicher Dekonstruktion. Wer bei Privacy keine Lust bekommt, seinen Router zu verbrennen, hat wahrscheinlich schon längst aufgegeben. We went through Hell ist dann der emotionale Schlusspfiff einer Reise, die irgendwo zwischen innerem Exorzismus und sozialkritischem Amoklauf stattfindet – und dabei nie ins Klischee abrutscht.
Product of the Environment – dieser Titel ist nicht nur programmatisch, sondern fast schon eine Anklage. Sind wir wirklich ein Produkt unserer Umwelt? Wenn man sich dieses Album anhört, möchte man am liebsten „Ja!“ schreien und sofort anfangen, die Welt auseinanderzunehmen. MISFIRE liefern hier keinen platter Protest, sondern präzise formulierte Wut, die durch musikalische Qualität gestützt wird. Auffällig ist zudem die neue Bandchemie: Stapinskis Beiträge sind nicht nur im Textbereich spürbar. Der Bass drückt satt und bringt eine gewisse Erdung ins Chaos. Und auch produktionstechnisch ist alles im grünen Bereich: John Douglass (zusammen mit Nicademus am Produktionsruder) zaubert einen Sound, der zugleich organisch und durchschlagend ist – das perfekte Fundament für das, was hier wüten darf.

Man spürt: Diese Songs wurden nicht geschrieben, um nett im Spotify-Algorithmus vorbeizuwabern. Sie wurden erschaffen, um live gespielt zu werden. Und das, liebe Leserschaft, dürfte ein absolutes Massaker werden. Die Energie, die Wucht, die Riffs – ich stelle mir vor, wie es knackt, zischt und kracht, wenn MISFIRE eine Bühne betreten. Bitte mit Moshpit. Bitte mit blutiger Nase.
MISFIRE beweisen mit Product of the Environment, dass man keine Küsten braucht, um sich wie ein Flammenwerfer aus Brooklyn zu benehmen. Aus dem metallischen Herzen Chicagos steigt eine Band empor, die weiß, wie man Thrash auf’s nächste Level hievt – kompromisslos, wütend, aber nie ohne Struktur. Die Riffs killen, die Drums pressen, die Texte sitzen – und das alles mit einer Authentizität, die heutzutage selten geworden ist. Dieses Album ist wie ein Eisenrohr: roh, schwer, und wenn es dich trifft, tut’s weh. Wenn ihr also dachtet, der mittlere Westen hat musikalisch nichts außer Kornfelder, dann hört euch das hier an – und packt zur Sicherheit ein paar Schmerzmittel ein.
Anspieltipps:
💀We went through Hell
🔥Living the Dream
🎸Privacy
Bewertung: 8,5 von 10 Punkten
TRACKLIST
01. Borrowed Time
02. Day to Day
03. All over the Place
04. We went through Hell
05. Born to die
06. Living the Dream
07. Left for Dead
08. End of an Age
09. Privacy
10. Twist of Fate
11. Artificially Intelligent
12. Product of the Enviroment