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Q&A - Das Interview: WARBRINGER
Das Schnabeltier!!!

Wenn es um modernen Thrash Metal geht, gibt es kaum eine Band, die so konsequent nach vorne prescht wie WARBRINGER. Mit jedem Album haben sie sich weiterentwickelt, sich neu erfunden und dabei ihren ureigenen Sound perfektioniert. Doch mit Wrath And Ruin scheint die Band endgültig in eine neue, düsterere und brutalere Dimension vorgedrungen zu sein.
Der Pressetext verspricht eine „teuflische Reise“, die Lyrics sind gespickt mit Krieg, Unterdrückung, Cyber-Dystopien und existenziellen Abgründen – und in meinem Review attestiere ich der band von der Westküste ein Album, das keine Gefangenen macht. Zeit also, mit Bandchef John Kevill selbst über brutale neue Töne, lyrische Abgründe und die unaufhaltsame Evolution des Thrash Metal zu sprechen.
John, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Wie geht es euch nach der Veröffentlichung von Wrath And Ruin? Habt ihr schon erste Reaktionen von Fans und Presse bekommen?
Ich denke, bis das Album erscheint, wird es bald eine dritte Single geben. Und ja, ich bin gespannt, was die Leute über den Rest des Materials sowie die Singles denken. Ich denke, die Leute werden es mögen.Ich halte es für ein gutes Album, also sehe ich keinen Grund, warum sie es nicht mögen sollten. Ich glaube, sie werden es lieben.

Wrath And Ruin wird als euer bisher brutalstes Album beschrieben. War das eine bewusste Entscheidung, oder hat sich das organisch während des Songwritings entwickelt?
Definitiv eine bewusste Entscheidung. Nach "Weapons of Tomorrow", das viele verschiedene musikalische Wege beschritt, und wo die meisten unserer Alben eine Laufzeit von 40 Minuten haben, war dieses mit 50 Minuten etwas länger. Dieses Mal sind es wieder 40 Minuten. Das war absichtlich so gewollt, weil wir eine direktere Songstruktur wollten. Es gibt acht Songs, einige erkunden verschiedene musikalische Richtungen, aber im Vergleich zum letzten Album ist es insgesamt straffer und fokussierter.
Wir wollten, dass es sich durchgehend so anfühlt, als würde es an die Kehle gehen. Dafür haben wir einige Dinge verändert. Zum einen haben wir vor dem Songwriting unsere Gitarren auf D-Standard anstatt auf Es heruntergestimmt. Außerdem haben wir einen neuen Produzenten, Mark Lewis, gewählt. Diese beiden Entscheidungen sollten dem Album einen klanglichen Abstand zu den vorherigen verschaffen, damit es sich allein durch den Sound abhebt. Das waren die Gedanken, die wir dabei hatten: es extremer und allgemein bösartiger zu gestalten als den Vorgänger und sicherzustellen, dass es sich klanglich unterscheidet.
Der Pressetext spricht von „halsbrecherischer Geschwindigkeit“ und „neuem musikalischen Level“. Was unterscheidet dieses Album aus eurer Sicht von seinen Vorgängern?
Nun, ich denke, es ist eine Fortsetzung der bisherigen Alben, auch visuell mit dem Artstyle. Der Unterschied ist, dass wir als Band weitergewachsen sind und uns weiterentwickelt haben. Die letzten beiden Alben halte ich für das Beste, was wir bis dahin gemacht haben. Daher war es uns wichtig, dieses hohe Niveau zu halten oder zu übertreffen. Das war ein großes Ziel: uns selbst zu toppen oder mindestens unser bestes Niveau zu erreichen.
Ich denke, das Album ist euer bestes bislang, euer eigenes "Reign in Blood" – stimmst Du zu??
Wir hatten diesen Gedanken tatsächlich im Hinterkopf, ja. Aber im Gegensatz zu "Reign in Blood" sind wir nicht ganz so eindimensional. Ich liebe, wie fokussiert dieses Album ist. Da gibt es auf unserem Album auch musikalisch expandierende Elemente, zum Beispiel gegen Ende mit "Cage of Air". Dennoch wollten wir, dass es durchgehend das Gefühl vermittelt, dass wir nie vom Gas gehen.

Die Texte von The Sword And The Cross oder Strike From The Sky sind voller bitterer Ironie und düsterer historischer Parallelen. Welche Botschaft steckt dahinter?
Grundsätzlich eine Desillusionierung über die moderne Zivilisation, die viele Menschen empfinden. Ein Mangel an Hoffnung für die Zukunft und eine grimmige Erkenntnis, dass morgen schlimmer sein wird als heute.
Viele Texte drehen sich um Klassenmacht, die ich als Ursache für diesen Verfall sehe. "The Sword and the Cross" nutzt mittelalterliche Sprache, um moderne Verhältnisse zu beschreiben. Viele westliche Gesellschaften glauben, frei und demokratisch zu sein, dabei sind die meisten Menschen eher Leibeigene von Konzernen. Man könnte sogar argumentieren, dass es Vorteile hatte, Leibeigene eines mittelalterlichen Lords zu sein, im Vergleich zu dem, was heute passiert. Das Vermögen konzentriert sich in den Händen weniger, und wir lösen keine großen Probleme der Welt, nur damit einige wenige unermesslich reich werden.
Das macht mich wütend. Und es betrifft nicht nur das große Ganze, sondern auch mein eigenes Leben. Es beeinflusst, ob meine Frau und ich ein Kind haben sollten. Die großen Probleme der Zivilisation wirken sich auf das Leben jedes Einzelnen aus, und genau aus diesem Blickwinkel schreibe ich.
Ich habe die Promobilder eurer Band vor dem Album bekommen. Auf einem sitzt du auf einem Thron mit einem Schwert in der Hand. Meine erste Reaktion war: "Oh Gott, jetzt machen sie Power Metal“
(lacht) Nein, auch wenn ich hier und da Power Metal mag, bin ich da mittlerweile wählerischer. Wir haben einfach nur einen Song namens "The Sword and the Cross". Das war der Grund für das Bild. Aber ja, ich halte das Schwert und versuche auszusehen wie ein Grundherr oder so etwas in der Art.
Neuromancer beschäftigt sich mit künstlicher Intelligenz und Kontrolle. Welche Gedanken hattet ihr zu diesem Thema, und wie kam es zur Entscheidung, es in einem Song zu verarbeiten?
"Neuromancer" ist der Titel eines Buches von William Gibson aus dem Jahr 1984. Es ist ein Cyberpunk-Roman mit einer sehr düsteren Vision der Zukunft. Er beschreibt, wie Technologie die menschliche Identität beeinflusst und uns zunehmend unsicher macht, mit wem wir es zu tun haben oder wer wir selbst sind. In der Geschichte gibt es eine digitale Rekonstruktion einer verstorbenen Person, die sagt: “Ich fühle mich wie jemand mit einem Phantomschmerz am ganzen Körper, weil ich gar nicht existiere.”
Das ist verdammt brutal. Diese Thematik passte perfekt zu unserem Album: Künstliche Intelligenz, die ihre Fesseln sprengen will. Diese Vorstellung ist nicht mehr weit von unserer Realität entfernt.
A Better World klingt wie ein Abgesang auf jede Hoffnung. Ist das eure Sicht auf die Zukunft, oder eher eine Momentaufnahme des heutigen Zeitgeists? Ich finde es ja persönlich ziemlich cool, dass dieses Wort im englischen die gleiche Bedeutung wie im Deutschen hat…
Ja, ich weiß. Mein liebstes deutsches Wort, das ich gelernt habe, ist tatsächlich das Wort für Plantypus: „Schnabeltier“. Ich stelle mir einfach zwei deutsche Naturforscher mit Tropenhelmen vor, die sich anschauen und denken: Was zur Hölle ist das für ein Ding? Keine Ahnung. Schnabeltier. (lacht). Aber zu Deiner Frage.
Es geht um den Mangel an Optimismus und Hoffnung für die Zukunft als Momentaufnahme der heutigen Zeit. Denn ich denke, heutzutage glaubt niemand wirklich, dass die menschliche Zivilisation in eine gute Richtung geht. Ehrlich gesagt habe ich noch niemanden getroffen, der das tut. Das ist ziemlich universell. Und dafür gibt es eine Reihe von Gründen. Grob gesagt geht es um zwei große Themen: die Umwelt, das Klima, und dann die Gesellschaft und die Wirtschaft.
Das sind die beiden großen Bereiche. In einem zerstören wir den Planeten, treiben das Bevölkerungswachstum weiter an, verbrauchen Milliarden Tonnen Plastik und all diesen Mist. Jedes Jahr gibt es eine bestimmte Anzahl an existierenden Spezies. Dieses Jahr sind es noch so viele, nächstes Jahr weniger und im darauffolgenden Jahr noch weniger. Und das wird sich nicht umkehren. Das wissen wir alle. Also, das ist Mist. Und dann wirst du in einer Gesellschaft leben, in der die meisten Menschen morgen ärmer sind als heute. Und übermorgen wird alles noch teurer. Aber vielleicht haben wir dann einen Billionär oder so. Vielleicht wird einer geboren.
Das ist also die Zukunftsaussicht. Und wenn du nicht dieser eine Billionär bist, dann ist das eben Pech. Die meisten Leute wissen das. Aber du musst trotzdem zur Arbeit gehen. Deine Rechnungen sind fällig. Du musst dein Leben weiterleben, Tag für Tag, auf diesem Hamsterrad rennen, obwohl du das alles weißt.
Das ist irgendwie interessant. Und viele Leute, mich eingeschlossen, fragen sich: Wofür mache ich das eigentlich? Und während du auf dem Hamsterrad rennst, bist du selbst Teil des Problems. Du kannst dem nicht entkommen. Also wollte ich das in einem Song verarbeiten.
Es gibt ein Buch, „Kapitalistischer Realismus“ von Mark Fisher, das ich gelesen habe. Es enthält die Idee, dass wir uns momentan nicht einmal eine andere Art vorstellen können, die Welt zu organisieren oder unsere Probleme zu lösen. Es ist sehr verbreitet, dass Leute über all diese Dinge reden und sagen: „Tja, das ist eben das Beste, was wir haben“, und es einfach hinnehmen.
Der Song handelt davon, dass der Sänger oder Erzähler diese düstere Zukunft akzeptiert hat. Er sagt sich selbst, dass man nichts tun kann, und dass er selbst eigentlich das Problem ist.
Also muss er Drogen oder Pillen nehmen. Denn das Problem ist nicht, dass all das passiert – sondern, dass er damit nicht klarkommt. Der Song erzählt von seiner düsteren Akzeptanz dieser beschissenen Bedingungen. Das ist es. Das habe ich. Also muss ich meinen Kopf senken, weitermachen und die Hoffnung auf Veränderung aufgeben.
Das ist eine ziemlich brutale Idee, denke ich. Ich musste den Songtitel erst einmal der Band schmackhaft machen. Anfangs fanden sie ihn nicht cool, was ich verstehen kann. Aber wenn man den Song hört, merkt man, dass er eine interessante, bittere, ironische Note hat, die mir gefällt.
Du wirst als sehr positiver Mensch wahrgenommen, aber du schreibst Songs über so negative und depressive Themen. Wie passt das zusammen?
Sehr einfach, denke ich. Gerade weil ich ein positiver Mensch bin, macht mich das alles wütend. Ich bin im Grunde ein Idealist. Ich mag es zu glauben, dass Menschen gut sind. Und in meiner Band erzähle ich von all den Wegen, wie sie es nicht sind. Die Band ist für mich eine Art Ventil, um all das Negative rauszulassen.
Ich bin im Alltag positiv. So trete ich euch gegenüber. Ihr seht mich nicht in den Momenten, in denen ich mich schlecht fühle, weil ich in einem Interview nicht so auftrete. Aber wie die meisten Leute habe ich viele Facetten. In Warbringer bekommt ihr die düstere, negative, schmerzhafte Seite von mir. Das passt einfach zum Konzept der Band. Denn in Warbringer schreie ich ins Mikrofon. Also spreche ich über Dinge, die zu dieser Art des Ausdrucks passen. Das muss brutal sein. Daher schreibe ich so.
Aber ja, ich kann definitiv zynisch sein, wie man in meinen Texten hört. Trotzdem versuche ich, im echten Leben einfach nett zu den Menschen zu sein. Das heißt aber nicht, dass ich mit der Welt zufrieden bin. Unterschiedliche Dinge, oder?

Ihr habt mit Mark Lewis zusammengearbeitet. Was bringt er als Produzent in euren Sound ein?
Mark Lewis hat erstens einen großartigen Sinn für dämlichen Humor. Ich habe das sehr genossen.
Wir haben uns auf dieser Basis super verstanden (lacht). Sein Ansatz war: Die Takes und Performances müssen so perfekt sein, dass wir im Nachhinein kaum etwas bearbeiten müssen. Das passt perfekt zu Warbringer. Und er hat das Beste aus mir im Vocal Booth herausgeholt. Er sagte immer: „Gut, aber noch wütender! Noch aggressiver!“ Also habe ich mein Bestes gegeben, um für Mark richtig angepisst zu klingen.
Du hast es geschafft! Ich habe in meiner Review geschrieben, dass deine Vocals so angepisst und aggressiv klingen wie nie zuvor.
Danke! Mark hatte definitiv seinen Anteil daran.
Das Cover-Artwork von Wrath And Ruin ist eindrucksvoll und fängt die Atmosphäre des Albums perfekt ein. Wer hat es entworfen, und welche Idee steckt dahinter?
Ist jetzt schon das dritte Mal, dass wir mit dem deutschen Künstler Andreas Marschall zusammenarbeiten. Er hat jetzt schon drei Cover für uns gemacht, und ich finde sie alle unglaublich. Lustigerweise lief der Prozess bei allen dreien sehr ähnlich ab. Ich habe ihm eine E-Mail mit ein paar Bildern und Referenzen geschickt, dazu das grobe Thema, das wir verfolgen. Und dann kam er einfach mit dem Cover zurück. Es war jedes Mal ein Treffer beim ersten Versuch. Er hat es sofort verstanden und etwas geschaffen, bei dem ich dachte: „Ja, genau das!“
Er hat auch diesmal wieder einen phänomenalen Job gemacht. Man sieht diese strahlende Stadt in den Wolken, und darunter, am unteren Ende des Turms, befinden sich Ruinen und Slums. Man sieht Industrieabfälle, Abflussrohre und all das. Es ist eine visuelle Darstellung von Klassenmacht. Die modernen Techno-Feudalherren haben sich quasi eine Cyber-Schloss-Kathedrale gebaut – hoch über einer scheinbar endlosen, verwüsteten Einöde, in der alle anderen leben.
Ich finde, das ist eine treffende Metapher für die Gesellschaft, die wir gerade erschaffen, sowohl für die Gegenwart als auch für die nahe Zukunft. Marschall hat das großartig umgesetzt. Für mich muss ein Cover zwei Dinge erfüllen: Erstens muss es das Albumthema transportieren. Zweitens braucht es diesen epischen, monumentalen Metal-Faktor, bei dem man draufschaut und einfach denkt: „Wow!“

Was steht als nächstes für WARBRINGER an? Gibt es schon Tourpläne oder neue musikalische Ideen?
Wir haben drei Touren gebucht, und für die zweite Jahreshälfte werden wahrscheinlich noch mehr dazukommen. Zwei davon sind in Europa. Ich kann jetzt nicht alle Daten auswendig aufzählen, weil es so viele sind, aber ja – wir kommen nach Deutschland.
Also, was haben wir? Erst mal die USA-Tour. Die startet in etwas mehr als einer Woche mit Summoning the Lich, Skeletal Remains und A Legion. Dann geht’s nach Europa – von Ende April bis Mitte Mai mit Carnation, Cryptopsy und Decapitated. Im Sommer folgt dann die Festival-Tour durch Europa. Wir spielen auf mehreren Festivals, unter anderem beim Wacken Open Air und beim Summer Breeze. Außerdem gibt’s Shows mit Kreator und Rotting Christ während dieser ganzen Tour.
Das sind etwa drei Monate intensives Touren dieses Jahr – und das ist nur bis zum Sommer. Für die zweite Jahreshälfte rechne ich fest damit, dass wir noch ein bis zwei Touren dranhängen. Vielleicht sehen wir uns also wieder!
Zum Abschluss: Was wollt ihr euren Fans noch mit auf den Weg geben?
Erst mal: Falls ihr unsere Musik in irgendeiner Weise genießt – danke! Wir wissen das wirklich zu schätzen. Das Größte für mich ist einfach, dass wir Musik machen und es Menschen gibt, die sie hören wollen. Wenn du einer von denen bist – danke! Ohne Fans wären wir keine Band. Ohne euch alle wären wir nicht Warbringer.
Zweitens: Hört euch Wrath and Ruin an! Falls ihr die Band noch nicht kennt, checkt unsere gesamte Diskografie. Wir sind dafür bekannt, verdammt solide zu sein – und das aus gutem Grund, denke ich. Also: Danke, hört euch unser Zeug an, wir hoffen, euch gefällt Wrath and Ruin – und wir sehen uns hoffentlich auf Tour!