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Q&A – Das Interview: AEONYZHAR

Es gibt keinen Gott. Es gibt keine Götter. Vergesst es!


Manche Bands kommen mit einem lauten Knall, andere mit einem stillen Fluch. AEONYZHAR gehören zu letzterem – zumindest bis jetzt. Denn The Profane Era, das 2025er Debütalbum der hannoverschen Dunkelkunst-Gesellen, ist alles andere als leise: Es tobt, beißt, flüstert sakrale Häresien und klingt, als hätte man Industrial, Black und Death Metal in einen finsteren Hexenkessel geworfen – mit polnischer Präzisionsproduktion und theatralischem Weltenbrand verfeinert. Grund genug, einem der Alchemisten dieses schwarzen Tranks ein paar wohlformulierte Fragen zu stellen: Gitarrist und Kinderarzt Christian Kupczyk, bitte ans Mikrophon.

Hallo Christian! Erstmal vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Gespräch nimmst. Wie geht’s dir – körperlich, geistig und metaphysisch?

In allen drei Belangen ganz gut, danke. Und erstmal vielen Dank für das Interview – das ist ja keine Einbahnstraße. Ne, mir geht’s super. Am 25. April kam unser Album raus, wir haben das Konzert gespielt – und das haben wir glücklicherweise auch körperlich gut überstanden. So eine Show ist ja immer ein kleines Workout mit Nebelmaschine. Aber jetzt ist der Drops gelutscht, die Bühne bespielt – und ich bin einfach froh, dass alles glatt gelaufen ist. Jetzt heißt es: zurücklehnen, abwarten und schauen, was passiert.

Das erste Mal, dass ich mit einem Arzt, dazu noch mit einem Kinderarzt ein Interview führe. Mein tief empfunden Respekt. Ist die Musik hierzu Dein Ventil?

Beides ist ja ungefähr gleichzeitig in mein Leben getreten. Das hat sich irgendwie parallel entwickelt. Ich habe das Gefühl, dass es unter uns Metallern ziemlich viele Menschen aus sozialen Berufen gibt. Da begegnet man erstaunlich vielen Krankenpflegern – die fiesesten Typen mit den finstersten Looks. Und das sind dann meistens die Erzieher. Irgendwie ein schöner Ausgleich zum „Arztsein“. Aber das ist ja auch kein neues Phänomen – das war schon immer so.

Ich glaube, ich bin einfach so gestrickt. Ich kann das eine gut vom anderen trennen. Das Düstere, Abgründige lässt sich nicht abspalten – aber ich muss es auch nicht. Das hat ja nichts mit Gewalt zu tun. Es ist einfach ein hervorragendes Ventil, um mit vielen Dingen klarzukommen, die man im Beruf – aber auch generell im Leben – aushalten, ertragen oder schlichtweg mitansehen muss.

Fangen wir ganz profan an: Woher kommt eigentlich der Bandname AEONYZHAR – ich habe immer ein wenig Angst, den Namen falsch auszusprechen und dadurch versehentlich ein Portal zur Hölle zu öffnen? Ich habe auch gegoogelt, aber nichts gefunden…

Du wirst nichts finden. Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein ungefähr 14-jähriger Musikanfänger den glorreichen Plan fasste, irgendwann mal eine Black-Metal-Band zu gründen. Und wie das damals eben so war: Die Jungs in den coolen Bands hatten alle ultrageile Pseudonyme. Also war klar – bevor man überhaupt eine einzige Note gespielt hatte, brauchte man erst mal einen furchtbar finsteren, maximal bedeutungsschwangeren Namen. Diesen hat sich der erwähnte Teenager dann eines Tages in stiller Selbstverklärung ausgedacht. Als er später seine erste E-Mail-Adresse erstellen musste (was damals fast so wichtig war wie ein Bandlogo), fand genau dieser Name Eingang in ebenjene Adresse. Und als er schließlich nach Hannover zog, um zu studieren, benutzte er diese E-Mail auch, um mit dem zukünftigen Bassisten in Kontakt zu treten – mit Dirk, unserem heutigen Bassisten.

Bei einer der ersten Proben kamen wir dann auf das unausweichliche Thema: Wie sollen wir uns eigentlich nennen? Und Dirk, ganz lässig beim Stimmen seines Basses, sagte nur: "Wie, ich dachte, der Bandname steht schon?" In dem Moment dachte ich mir: Ach komm, lass uns einfach anfangen zu zocken. Das passt schon irgendwie. Ich hatte zwar noch ein paar andere Ideen im Gepäck, und wir haben auch ein-, zweimal über Alternativen diskutiert – aber als das erste Demo unter diesem Namen veröffentlicht wurde, war die Sache sowieso gegessen.

Der Name hat, wie so vieles im Leben, seine Licht- und Schattenseiten. Nachteil: Keine Sau kann ihn aussprechen oder beim ersten Versuch richtig schreiben. Vorteil: Willkommen im Black Metal! Da gehört das ja fast schon zum guten Ton. Ein weiterer Pluspunkt: Der Name ist symmetrisch, hat ein zentrales Y, das sich optisch prima teilen lässt – ideal fürs Logo-Design. Und er sagt absolut nichts über die Musikrichtung aus. Auch das kann ein Vorteil sein.

Hießen wir Christrape oder sowas in der Art, wüsste jeder sofort, was ihn erwartet. So aber bleibt Spielraum für Interpretation – und das ist doch irgendwie spannender. Falls es übrigens wirklich eine Band namens Christrape geben sollte: Keine Ahnung. Falls ja – sorry, war nicht persönlich gemeint.

Die gibt es tatsächlich: Christrape, Thrash Black Metal aus Lexington, Kentucky. Haben bis jetzt aber den Demo-Status noch nicht verlassen.

Hah! Liebe Grüße an Christrape und das Demo höre ich mir definitiv an, versprochen!

Ihr habt euch 2006 gegründet und bringt 2025 euer Debüt raus. Das ist mehr als nur „sich Zeit lassen“. Was waren die größten Hürden oder auch Gründe für diese lange kreative Inkubationsphase?

Genau genommen haben wir uns schon 2004 das erste Mal zusammengefunden – allerdings noch nicht in der Konstellation, in der wir heute spielen. 2006 ist tatsächlich das Jahr, in dem wir in der Besetzung zueinandergefunden haben, wie man uns jetzt kennt. Wir machen also seit 19, 20 Jahren in exakt dieser Formation Musik.

2012 haben wir dann ein Demo und eine EP veröffentlicht. Die einfache Erklärung, warum erst jetzt ein Album folgt? Nun, das Leben kam uns regelmäßig dazwischen – und, im Rückblick betrachtet, vielleicht auch unser legendärer Perfektionismus. Ganz sicher sogar. Das war und ist uns wichtig: Was wir machen, soll nicht einfach nur gut sein – es soll State of the Art sein. Und weil wir alles selbst gelernt haben – von der Produktion über das Aufnehmen bis hin zur finalen Abmischung – kann man da schon mal ein paar Jahre versenken. Lernkurve deluxe, quasi.

Nebenbei haben wir zwischen EP und Album sechs Kinder in die Welt gesetzt, dreimal geheiratet, zwei Häuser und drei Wohnungen gekauft, ein paar Studiengänge abgeschlossen und auch beruflich einige Level aufgestiegen. Das alles hat seine Zeit gedauert. Das Album war übrigens schon eine ganze Weile fertig – aber der Feinschliff, sprich das Mischen und Mastern, hat dann nochmal rund ein Jahr in Anspruch genommen.

Lange Rede, kurzer Sinn: Das Material lag schon eine Weile in der Schublade. Aber wie gesagt – das Leben kam dazwischen. 

Klanglich habt ihr mit „The profane Era“ ein Soundlabyrinth erschaffen, das trotz aller Komplexität nie überfrachtet wirkt – wie schafft man es, orchestrale Bombastik, industrielle Kälte und rohe Metal-Wucht so klar zu strukturieren? Gibt’s da einen Masterplan oder einfach nur viel Ausschussmaterial?

Man braucht schon einen richtig guten Mixer, um sowas zu machen. Wir haben auch eine ganze Weile gebraucht, jemanden zu finden, der das überhaupt kann. Das soll jetzt gar nicht überheblich klingen, aber die Musik hat unzählige Ebenen, jede Menge Details. Da ist ein Orchester, da ist eine Metal-Band – das muss man erst mal unter einen Hut bringen, ohne dass es klingt wie der akustische Weltuntergang.

Da musst du erst mal jemanden auftreiben, der so etwas vielleicht schon mal gemacht hat – und der es dann auch noch richtig kann. Wir haben zwei Producer angeschrieben und uns Mixe machen lassen, die... na ja, sagen wir mal: mittelprächtig waren. Dann haben wir uns noch mal gesammelt und uns erinnert: The Apostasy von Behemoth – das klang doch verdammt fett! Vor allem die Drums klingen auf diesem Album absolut einzigartig. Als wir dann im Hertz Studio in Polen angefragt haben, war der ganz große Hype zwar schon ein bisschen abgeflaut, aber das Studio hatte damals trotzdem richtig viele Bands aufgenommen – Decapitated, Vader, Behemoth und andere Kaliber.

Also haben wir einfach mal angeklopft – und gleich einen verdammt guten ersten Mix eines Songs zurückbekommen. Schon da haben wir mit Wojtek, einem der beiden Brüder und Studiobetreiber, offen besprochen: Das wird knifflig. Wir wollen Band, Orchester und Effekte gleichermaßen hörbar machen. Und selbst jetzt, auf dem fertigen Album, ist das nicht bei jedem Detail vollständig gelungen. Es gibt durchaus Momente, in denen ich denke: Ach, hier hätte man dieses eine Element noch etwas mehr in den Vordergrund rücken können... oder jenen Effekt ein bisschen deutlicher. Die Songs sind eben extrem vielschichtig. Aber so wie es jetzt geworden ist – das war verdammt viel Arbeit, und er hat sie verdammt gut gemacht.

Im Review habe ich geschrieben, dass man sich fühlt, als hätten Shagrath und Dani Filth ein apokalyptisches Baby gezeugt, das auf Hertz-Niveau produziert wurde. Wie fühlt man sich als stilistisches Liebeskind zweier solcher Extrem-Metal-Ikonen – geschmeichelt, beleidigt oder einfach nur verstanden?

Zum einen muss ich sagen: Vielen Dank für dein Review! Das hat wirklich geschmeichelt – aber vor allem zeigt es, dass du dir die Musik angehört hast. Und nicht nur das: Du fandest es offenbar gut oder hast dich zumindest so professionell damit auseinandergesetzt, dass du auch wirklich Substanzielles dazu sagen konntest. Ich schreibe ja das alles selbst, und zum ersten Mal im Rahmen dieser Albumveröffentlichung habe ich das Gefühl, dass sich jemand ernsthaft für das interessiert, was ich da mache.

In meinem persönlichen Umfeld hält man das, was ich da so produziere, nach wie vor größtenteils für Lärm (lacht). Vielleicht tue ich meiner Frau da ein kleines bisschen Unrecht, aber echte Fans dieser Musik habe ich, abgesehen von meinen Bandkollegen, eher nicht um mich herum. Umso schöner ist es, wenn Leute kommen und sagen: „Ich höre genau so eine Mucke – und ich finde das richtig geil, was ihr da gemacht habt!“ Das gibt einem wahnsinnig viel zurück. Das ist echtes, ehrliches Feedback – und davon zehrt man.

Mit Dimmu Borgir und Cradle of Filth verglichen zu werden? Da gibt’s definitiv Schlimmeres, würde ich sagen. Ich könnte da durchaus noch ein paar weitere Namen in den Ring werfen – Emperor kämen mir da zum Beispiel sofort in den Sinn, und Behemoth haben ganz sicher auch ihre Spuren hinterlassen. Als derjenige, der das Ganze geschrieben hat, erkennt man natürlich an jeder Stelle, woher was kommt – oder was man sich (un)bewusst hat einfließen lassen. Aber es ist wirklich schön, dass so viele Leute beim Hören direkt in die richtige Richtung denken. Das freut mich ungemein.

In The Profane Era geht es textlich um spirituelle Rebellion, sakralen Umbruch und innere Auflehnung. Wie wichtig ist euch die inhaltliche Ebene – und woher kommt die Faszination für das Heilige im Spiegel des Profanen?

Also von den zehn Songs, die ein Intro und ein Spoken Word-Ding beinhalten, hängen tatsächlich bis auf einen alle thematisch-textlich zusammen. Also Ulysses als einziges ist da raus. Der ist noch sozusagen davor entstanden, bevor ich mich als Texter der Religionskritik voll und ganz verschrieben habe und diesen Themenkomplex.

Der handelt einfach von der Ilias mit einem kleinen Twist aus unserer Sicht, aber der Rest ist tatsächlich ganz ausgeprägte Religionskritik und damit ist explizit nicht nur Christentum, sondern alles gemeint. Er beschäftigt sich viel mit Aufklärung, also Aufklärung im kulturhistorischen Sinn, deswegen auch der Titel die profane Ära, die weltliche Ära, im Gegensatz zu der heiligen Ära, aus der die Menschheit hoffentlich irgendwann mal rauskommen wird. Den Höhepunkt haben wir wahrscheinlich schon wieder überschritten und sind schon wieder auf dem Weg nach unten. Die Hoffnung stirbt ja zuletzt.

Ich denke, das Potential der Welt wäre da, vielleicht sich in die Richtung zu entwickeln, aber wir werden sehen, wie es weitergeht. Das ich mich mit diesen Themen  beschäftige, um dann quasi ein Konzeptalbum dazu zu machen, hat schon zu Zeiten der EP angefangen, ehrlich gesagt. Ich habe vorher über so metaltypischere Dinge geschrieben, über coole düstere Bücher, die ich gelesen habe und solche Sachen und auch durchaus persönliche düstere Erfahrungen, sage ich mal so.

Ich habe mich dann aber selber in der Zeit mehr und mehr mit Atheismus, Antitheismus und solchen Dingen beschäftigt und hatte dann den Drang, darüber zu schreiben. Ich habe das dann auch getan. Die einzelnen Texte behandeln jeweils unterschiedliche Sichtweisen, Perspektiven oder Ebenen des Atheismus oder Antitheismus mit Blick auf Religion im Allgemeinen.

Wie gesagt, es ist nicht nur Christentum. Da gibt es eben »I spit in the face of forgiveness«, wo schon der Titel sagt, das ist meine Message. Manchmal fühle ich mich so, manchmal möchte ich den Leuten ins Gesicht schreien und sagen, seid ihr alle bescheuert.

Manchmal hat man einen besseren Moment, da ist man dann eher bereit, ein bisschen belehrend, dozierend mit den Menschen darüber zu sprechen. Da gibt es auch Stücke zu und alles, was dazwischen stattfindet, wollte ich mal beleuchten. All diese Facetten meiner Gefühle, Religionen und religiösen Gefühlen finden darin Ausdruck.

Also ist der Konflikt zwischen dem Göttlichen und dem Individuum keine reine Ästhetik, sondern eine tiefere, vielleicht sogar persönliche Weltanschauung?

Absolut. Wenn du dir Proclamation anhörst – also sozusagen eine Verkündigung –, dann bekommst du im Grunde eine Art Glaubensbekenntnis serviert. Ein Schwur. Ein Bekenntnis zu dem, was ich denke. Eine kleine Weltanschauung in Albumform, wenn man so will. Meine Bandkollegen ticken vermutlich ganz ähnlich, aber da ich die Texte geschrieben habe, kann ich auch nur für mich sprechen. Ich kann nicht pauschal sagen: Wir verdammen dies oder jenes. Ich kann nur sagen: Ich tue das. Ich schreibe darüber.

Die anderen sind damit einverstanden – sie spielen es, sie singen es, also passt das schon. Und ich denke, sie stehen dem Ganzen ebenfalls sehr nah. Ob nun jede einzelne Facette für sie genauso wahr und essenziell ist wie für mich, sei mal dahingestellt. Das weiß ich schlichtweg nicht. Jeder hat schließlich die Freiheit, über Dinge zu denken, wie er möchte. Aber in der groben Richtung marschieren wir alle im Gleichschritt – das steht außer Frage.

Religionskritik und dann das Interview am Tag der Papstwahl. Ein Schelm, der Böses dabei denkt…

(lacht) Ja, es passt perfekt. Böse Zungen behaupten, der Papst habe erst den Besuch von J.D. Vance über sich ergehen lassen, dann noch unser Video gesehen – und schließlich gesagt: „Nee, heute hab ich keinen Bock mehr.“ Und dann ist er gestorben.

Das Artwork von Michał "Xaay" Loranc fängt die düstere Atmosphäre des Albums perfekt ein. Habt ihr ihm freie Hand gelassen oder ein konkretes Konzept vorgegeben? Und: Gibt’s versteckte Symbole, auf die man achten sollte?

Wir lassen niemand freie Hand (lacht). Ich habe tatsächlich mit Tomasz (Labelchef Apostasy Records) gesprochen und er meinte, ich habe so ein paar Leute, weil wir irgendwann ein Artwork brauchten. Die ersten beiden Artworks für unsere Demo und unsere EP habe ich designt. Das ist alles nichts Großartiges. Ich bin nicht so wahnsinnig talentiert. Ich habe dann gesagt, wir brauchen jemanden, der das richtig kann. Wir müssen jemanden besorgen, der das professionell macht. Er hat mir ein paar Namen genannt und dann habe ich mir ein paar Sachen angeguckt. Dann bin ich bei ihm hängen geblieben. Ich habe auch einige Platten im Schrank, wo er sich darauf verewigt hat.

Dann habe ich auch mit ihm über Zoom gesprochen und habe gesagt, ich habe keine gute Idee, sonst hätte ich sie schon umgesetzt oder könnte dir eine Zeichnung geben oder irgendwas. Dann meinte er, lass uns mal gemeinsam brainstormen. Worum geht es auf der Platte? Was sind so Dinge, die dir da in den Sinn kommen? Dann lass uns gucken, ob wir ein Bild finden, nicht die konkrete Darstellung, aber ein Bild finden, das das irgendwie zusammenfasst.

Letztendlich sind wir dann, man könnte viele Aspekte der Platte optisch darstellen, wir sind dann auf Prometheus gekommen, auf die Prometheus-Sage und haben dem Ganzen noch ein bisschen Düsternis und unseren Twist hinzugefügt. Prometheus ist ja für sein Vergehen den Menschen das Feuer gebracht zu haben von seinem Vater Zeus an den Felsen gekettet worden und wird dadurch gequält, dass jeden Tag ein Adler kommt und seine Leber raushackt, die dann wieder nachwächst. Was medizinisch ganz interessant ist, denn die Leber hat wirklich Tendenzen nachzuwachsen.

Nicht so schnell, aber egal. Ich und viele andere Leute interpretieren das Feuer sozusagen als Erkenntnis, als Selbsterkenntnis, als Erleuchtung gewissermaßen. Also man könnte sagen, Prometheus hat den Menschen die Erleuchtung, in unserem Falle dann die Erleuchtung, dass es keine Götter gibt und religiöser Glauben Schwachsinn ist, gebracht und wird dafür bestraft und deswegen haben wir ihn als Leidensfigur dort aufs Cover gemacht.

Wir fanden es schöner und ästhetisch ansprechender, wenn er durch Schlangen an den Felsen gekettet werden würde als durch Ketten, weil Schlangen eben auch im abendländischen Kulturkreis als was Böses, was Verführerisches, Teuflisches gelten, haben deswegen Schlangen gewählt und zwei Adler. Ich weiß gar nicht, ob es in der Sage zwei Adler sind oder ein Adler, aber es ist auf jeden Fall symmetrischer, wenn es zwei sind. Prometheus ist der Lichtbringer sozusagen, der dafür bestraft wird, dass er erkannt hat, was die Wahrheit ist.

So fühlt man sich ja auch manchmal, wenn man glaubt, dass man mit seinem Atheismus die Wahrheit erkannt hat oder der festen Überzeugung ist.

Eure Musik wirkt wie ein Gesamtkunstwerk – jedes Lied ein Kapitel eines dunklen Buches. Plant ihr, das Konzept bei künftigen Alben weiterzuführen? Oder wird The Profane Era ein einmaliges Manifest bleiben?

Die Frage lässt sich einigermaßen einfach beantworten – das nächste Album ist nämlich schon geschrieben. Es wird mehr oder weniger genau da anknüpfen, wo wir aufgehört haben. Wir hatten ja immerhin 19 Jahre Zeit. Das heißt allerdings nicht, dass wir in diesen 19 Jahren nur ein einziges Album geschrieben haben – oder vielmehr: dass ich nur eines geschrieben habe. Da liegt noch einiges an Material rum. Ein komplettes Album bekommen wir locker voll, und vorher soll es auch noch eine EP geben – mit ein paar Coverversionen obendrauf. Das Rohmaterial existiert also bereits. Wir müssen bloß endlich mal den Hintern hochkriegen und das Ganze auch produzieren, umsetzen, machen. Nur zu schreiben ist eben nur die halbe Miete – der Rest ist mindestens genauso viel Arbeit. Ich denke, die Thematik wird auf jeden Fall weitergeführt.

Ob das alles wieder so streng konzeptionell wird wie zuletzt? Kann ich noch nicht mit Sicherheit sagen. Aber ich gehe stark davon aus. Ich glaube einfach, dass diese Thematik zur Band gehört – weil sie zu mir gehört. Weil es etwas ist, das mir wichtig ist. Etwas, das mich beschäftigt. Etwas, das mir wirklich am Herzen liegt. Und wenn es eine Botschaft gibt, die ich gerne in die Welt hinausschreien möchte, dann ist es diese: Es gibt keinen Gott. Es gibt keine Götter. Vergesst es.

Was würdest Du jemandem sagen, der euer Album mit den Worten „Das ist mir zu viel Bombast, zu wenig Black Metal“ beschreibt?

Tatsächlich, finde ich, ist es im Grunde ziemlich viel Death Metal mit einem Schuss Black Metal, der sozusagen übrig geblieben ist – vielleicht in der Ästhetik, im Geist, im Feeling. Aber musikalisch ist da doch eine ordentliche Portion Death Metal drin.

Also, ich sage immer: Ich habe einen ziemlich breiten Musikgeschmack. Ich kann – und höre – so ziemlich jede Metal-Spielart mal gerne. Ich finde Darkthrone geil, ich finde Dimmu Borgir geil, ich liebe das erste Emperor-Album – und ich finde auch das letzte Emperor-Album großartig. Und das sind ja durchaus riesige Unterschiede. Für mich war jedenfalls immer klar: Ich will komplexe Musik machen. Und ebenso klar war von Anfang an, dass ich Klassik und Metal miteinander verbinden möchte.

Der logische Weg ist dann irgendwann, dass du Musik genau so machst, wie du sie siehst – oder besser: wie du sie fühlst. Also ist das hier dabei herausgekommen: angeschwärzter Death Metal im Geiste des Black Metal – mit einer ordentlichen Portion Orchester. Ja, so ist das. Und wenn man findet, da sei zu viel Orchester drin – tja, dann ist das eben so. Dann muss man sich halt was anderes anhören.

Ihr seid klamottentechnisch ziemlich weit außerhalb der Norm. Wie kam die Wahl zu den Anzügen mit Krawatte zustande?

Wir sind ja im Nachhinein sozusagen in die Mode reingedrückt worden. Es gibt mittlerweile einige Bands, die so oder so ähnlich aussehen – aber wir haben schon vor Fleshgod so ausgesehen, das möchte ich hier mal ganz dezent betonen.

Irgendwann begannen wir uns zu fragen: Was ziehen wir eigentlich auf der Bühne an? Gibt es nicht eine Möglichkeit, uns einheitlich zu präsentieren – irgendwie cooler als nur fünf Typen in schwarzen Bandshirts? Nichts gegen diese Variante, im Gegenteil: Das hat völlig seine Berechtigung. Aber wir wollten ein bisschen mehr Zusammengehörigkeit zeigen. Also haben wir diskutiert. Lange. Sehr lange. Wir haben Entwürfe gezeichnet, Ideen verworfen, neue gesammelt – und uns, um ehrlich zu sein, auf nichts so richtig einigen können. Bis wir dann irgendwann sagten: Wisst ihr was? Schwarze Weste, weißes Hemd und Krawatte – das ist es jetzt.

Und so kam’s. Anfangs waren das ganz normale schwarze Einreiher mit schwarzer C&A-Krawatte und irgendeinem weißen Hemd aus dem Schrank. Inzwischen wurde das Ganze natürlich ordentlich „aufgemettelt“ – mit Nieten, Leder und allem Drum und Dran. Auch die Hosen sind längst nicht mehr einfach nur schwarz – da hängt jetzt auch allerlei Gedöns dran. Das gehört einfach dazu, das sieht geil aus. Für uns ist jeder Auftritt etwas Besonderes. Wir stehen ja nicht wöchentlich auf der Bühne – das ist immer ein kleines Highlight.

Wenn wir uns dann im Backstage-Bereich umziehen, werden wir von anderen Bands gerne mal mit einem süffisanten Grinsen bedacht. Aber in dem Moment, wo wir wieder von der Bühne runterkommen, ist das Grinsen meist verschwunden. Für uns ist dieses Umziehen ein Ritual. Wir zupfen uns gegenseitig die Krawatten zurecht – fast schon ein feierlicher Akt, bevor es losgeht. Praktisch? Kein Stück. Es ist unfassbar warm. Viiiiel zu warm. Aber gut – das ist nun mal unser Outfit.

Beim Release-Gig – der war ein bisschen länger, wir haben eine ganze Stunde gespielt – war ich danach komplett durchgeschwitzt und gefühlt auch durchgeölt. Aber so ist das halt. Das ist unser Ding. So treten wir auf. Punkt. Ich glaube ehrlich gesagt auch nicht, dass sich daran noch mal etwas ändern wird.

Gibt’s Pläne für weitere Live-Auftritte? Und wenn ja – wie zur Hölle wollt ihr diesen orchestralen Wahnsinn auf eine Bühne bringen, ohne ein halbes Sinfonieorchester zu entführen?

Ich wäre sofort bereit, ein Sinfonieorchester zu entführen und ihnen das beizubringen – und dann direkt loszulegen. Tatsächlich habe ich sogar mal das Sinfonieorchester meiner Universität angeschrieben und gefragt, ob sie nicht Lust hätten, etwas mit uns gemeinsam auf die Beine zu stellen. Geantwortet haben sie bis heute nicht. Das ist jetzt ein paar Monate her. Wahrscheinlich haben sie die Mail nicht gelesen – oder sie dachten sich: „Nö, keine Lust“, haben es aber netterweise einfach für sich behalten.

Jedenfalls: Wir machen das von Anfang an so – seit der ersten Probe, seit dem allerersten Auftritt – dass ein Klick-Track mitläuft, über den das Orchester dazukommt. Unser Drummer hat also immer einen Klick im Ohr, und das Orchester läuft bei uns über die Anlage. Wir hatten nie einen Keyboarder, und ehrlich gesagt, wir haben auch nie ernsthaft darüber nachgedacht, jemanden zu suchen. Für uns war immer klar: Das ist nicht „Metal plus Keyboard“, sondern „Metal plus Orchester“. Da passiert mehr, als zwei Hände bedienen könnten. Natürlich wäre es praktisch, wenn jemand da wäre, der den ganzen Kram zuverlässig starten und überwachen könnte – aber das übernimmt aktuell unser Schlagzeuger.

Insofern: Das Orchester ist bei uns quasi schon immer mit dabei – nur eben vom Band. Anders geht’s nicht. Wir haben kein Sinfonieorchester in der Hinterhand, können uns auch keines leisten und werden das vermutlich auch nie können. Aber das ist okay. Für uns ist das eben der sechste Mann auf der Bühne.

Fragt doch mal bei ex-Dimmu Borgir Knöpfchendrücker Mustiis nach. Vielleicht hat der ja Bock…

Also wenn ich tatsächlich Kontakt zu Mustiis kriegen könnte, dann würde ich ihm erst mal vor die Knie fallen, ihn anflehen, mir Unterricht zu geben – und dann könnten wir auch gleich darüber sprechen, dass er bei uns einsteigt. Bin ich sofort dabei, kein Problem. Ich verehre diesen Menschen als Musiker sehr. Ansonsten weiß ich ehrlich gesagt nicht, was ihn sonst so groß gemacht hat. Vor Borgir scheint er nicht viel gemacht zu haben – und danach irgendwie auch nicht mehr so richtig.

Ich glaube, er hat danach was mit Videospielmusik gemacht. Wobei: Dimmu Borgir, Keyboarder und Videospielmusik – das ist thematisch vielleicht nicht gerade der heilige Dreiklang. Wenn man heute die verbliebenen Jungs darauf ansprechen würde, was ihr ehemaliger Keyboarder vorher so an 8-Bit-Fantastereien fabriziert hat… ich glaube, das kommt eher semi gut an. Aber ja, Mustiis – sofort, klar! Also wenn du das hier liest, Mustiis: Ruf mich an. Schreib mir eine E-Mail. Ich bin bereit. Kein Ding.

Wer The Profane Era nur hört, hat die halbe Wahrheit vernommen – AEONYZHAR erschaffen kein Album, sie erschaffen einen Zustand: einen Zustand zwischen Klang und Konzept, Raserei und Reflexion, Höllenvision und künstlerischer Kontrolle. In einer Zeit, in der Extreme oft hohl klingen und Tiefgang zur Pose verkommt, gelingt dieser Band das Unmögliche: Sie sind laut, ohne platt zu sein, düster, ohne kitschig zu wirken, und komplex, ohne in sich selbst zu ersticken. Christian Kupczyk hat nicht nur kluge Antworten geliefert, sondern auch Einblicke in ein kreatives Kollektiv gewährt, das man ab sofort auf dem Schirm haben sollte – oder besser: im Herzen. Schwarz. Brennend. Und verdammt lebendig.


OLAF

Gesprächspartner: Christian Kupczyk



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