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Live on Stage Report: DEPRESSIVE AGE | JACOB’S FALL
20.12.2025 – Berlin @ Pfefferberg
Eigentlich war dieser Samstag fest als staatlich geprüfter Couch-Feiertag eingeplant. Jogginghose, Ruhepuls, Weltschmerz. Und ich sage es frei heraus: Ich war nie der große Depressive Age-Jünger. Respekt ja – Fanboy nein. Natürlich muss man den Berlinern zugestehen, dass jedes ihrer vier Alben stets ein anderes Gesicht zeigte und Stillstand dort nie Programm war. Aber meine persönlichen Begegnungen – Rock Hard, Protzen – blieben eher so Kategorie „ordentlich, aber nicht lebensverändernd“. Entsprechend sagte ich dem lieben Marcus ab, obwohl wir den Abend sogar präsentierten.
Dann kam meine Frau. Blick. Satz. Urteil: „Ich muss heute tanzen.“
Tja. Diskussion beendet. Also bei Marcus zu Kreuze gekrochen, mir diverse liebevolle Beleidigungen abgeholt (wenigstens meine Frau hätte Geschmack, ich wäre vom Staate Nimm, kulturell verwahrlost etc.) – und mir so den Eintritt erkauft. Spoiler: Ich sollte später sehr froh darüber sein.
Denn dieser Abend entwickelte sich schnell zu einem dieser seltenen Berliner Klassentreffen. Der komplette Brutz-&-Brakel-Wahnsinn war da, mein lieber Freund Randy natürlich, der Husky samt Sabrina, viele vertraute Gesichter, viele Umarmungen, viele „weißte noch damals“-Momente. Dazu mein erster Besuch im Pfefferberg– eine Location, die sofort gewann: gemütlich, offen, kein seelenloser Betonklotz. Und dann Jacky am Mischpult. Ein Mann, der wieder einmal bewies, dass guter Sound kein Zufall ist, sondern Handwerk. Beide Bands klangen druckvoll, differenziert und lebendig – so wie es sein muss.
Pünktlich gegen 21 Uhr eröffneten Jacob’s Fall den Abend. Die Band von DA-Drummer René, der damit gleich mal Doppelschicht schob. Musikalisch irgendwo zwischen progressivem Metal, modernem Anspruch und technischer Finesse angesiedelt. Alles sauber gespielt, alles auf hohem Niveau, alles durchdacht. Mir persönlich war das Ganze eine Spur zu kopflastig – eher Gehirn als Bauch. Interessant, keine Frage, aber eben nicht mein täglicher Soundtrack. Was mich mehr störte: Die Bühnenperformance blieb etwas steif. Für diese Art Musik darf man gern ein paar mehr Ecken, Kanten und Ausbrüche riskieren. Meine Frau sah das übrigens komplett anders und teilte ihre Begeisterung nach dem Gig euphorisch dem Bassisten mit, während ich draußen mit DA-Gitarrist Jochen stand und wir uns genüsslich durch alte Berliner Metal-Zeiten wühlten. Prioritäten sind wichtig.
Die Hütte war dann richtig gut voll, als Depressive Age mit Lying in Wait loslegten – und ja, hier muss ich mir selbst an die Nase fassen: Das traf mich. Der Sound war fett, heavy, klar, nichts verwaschen. Die Band wirkte hellwach, spielfreudig, präsent. Und Frontmann Jan? Sah aus, als hätte man ihn direkt aus dem Jungbrunnen gezogen. Charismatisch, beweglich, komplett da.
Mit We Hate Happy Ends und Rusty Cells war sofort Bewegung im Raum, Berlin zündete erwartungsgemäß besonders stark, World in Veins und Cairo Crabat schoben ordentlich nach. Electric Scum wütete, Innocent in Detention saß wie ein alter, gut gepflegter Schlagring. Dazwischen neue Kost: WAR und Son of Sorrow – letzterer sogar als Live-Premiere – wirkten nicht wie Fremdkörper, sondern wie logische Weiterentwicklung.
Ein echtes Highlight war She Lights My Way, das Jan gemeinsam mit Camille Hebold performte – der Tochter von Bobo Hebold, die einst bei Rammsteins Engel mitsang. Kein kitschiges Gastspiel, sondern ein stimmiges, intensives Duett. Ebenso stark: Eternal Twins mit Putz von Postmortem – kein nostalgischer Selbstzweck, sondern echtes Zusammenspiel. Spätestens bei Toyland Hills, Friend Within, Circles Colour Red, Port Graveyard, Autumn Times und The Light war klar: Publikum und Band waren auf einer Wellenlänge. Keine aufgesetzte Euphorie, sondern ehrliche Freude. Hände oben, Köpfe unten, Herzen offen.
Unterm Strich? Ein Abend, den ich so nicht erwartet hatte. Kein Pflichttermin, sondern ein unverhofft bärenstarker Gig, getragen von guter Musik, alten Freunden und dem schönen Gefühl, dass es manchmal verdammt richtig ist, die Couch links liegen zu lassen. Ich werde kein Depressive-Age-Fanatiker mehr – muss ich auch nicht. Aber dieser Abend hat Respekt verdient. Und ein breites Grinsen auf dem Heimweg.
SETLIST:
Lying in Wait
We hate happy Ends
Rusty Cells
Berlin
World in Veins
Cairo Crabat
WAR
She lights my Way
Electric Scum
Innocent in Detentio
Son of Sorrow
Toyland Hills
The Light
Friend within
Circles coulour red
Port Graveyard
Autumn Times
Eternal Twins

