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Q&A - Das Interview: AMBUSH
Revolution gegen Pancakes!

Wenn eine Band es schafft, die rohe Kraft des klassischen Heavy Metals in die Gegenwart zu katapultieren, ohne dabei nur Nostalgie zu bedienen, dann sind es AMBUSH. Mit ihrem neuen Album Evil in All Dimensions liefern die Schweden nicht nur ihr Debüt bei Napalm Records, sondern auch ein Statement: Leder, Nieten und Riffs sind nicht tot – sie leben und schreien lauter denn je. Zwischen Albtraumwelten, politischen Anspielungen und hymnischen Refrains baut die Band Brücken von Judas Priest bis hin zur Moderne. Wir haben mit Sänger Oskar Jakobsson gesprochen – über Songs, Pausen, persönliche Dämonen und natürlich die großen Dimensionen des Bösen.
Oskar, schön dich zu sprechen! Wie geht es dir, und wie fühlt es sich an, mit Napalm Records im Rücken ein neues Kapitel der Bandgeschichte aufzuschlagen?
Danke, dass du mich eingeladen hast, Olaf. Es fühlt sich unglaublich an. Wir haben so lange auf dieses Album gewartet.
Zwischen Infidel (2020) und Evil in All Dimensions liegen fünf Jahre. War das Corona-bedingt oder gab es andere Gründe für diese längere Pause?
Glaubst du wirklich, das war unser Fehler? Natürlich nicht. Es war – selbstverständlich – der Fehler von allen anderen. Nein, im Ernst! Als wir Infidel veröffentlicht haben, gab es genau eine Show… und dann kam der Lockdown.
Touren? Erstmal auf unbestimmte Zeit verschoben. Richtig los ging es dann erst 2022 wieder. Während der Pandemie haben wir aber nicht die Hände in den Schoß gelegt, sondern sämtliche Songs für dieses Album geschrieben. 2023 konnten wir endlich ins Studio, aufnehmen und alles fertigstellen. Doch bis die Bürokratie mit dem Label durch war, hieß es: warten, warten und noch mehr warten.
Dann kam die Promotionphase – was bedeutet: noch länger warten, bis man den nächsten Schritt gehen darf. Für uns fühlten sich diese fünf Jahre wie zehn an. Entsprechend groß war die Vorfreude, als das neue Material endlich das Licht der Welt erblickte. Und ja, die Wartezeit wirkte endlos, fast wie ein schlecht gelaunter Beamter im Passamt. Aber rückblickend war es genau die richtige Zeit, dieses Album zu veröffentlichen.
In meinem Review schrieb ich, dass euer Sound wie ein geschliffener Diamant wirkt – glänzend, aber mit Ecken und Kanten. Würdest du das unterschreiben, oder siehst du eure Musik selbst ganz anders?
Das ist wohl als Kompliment gemeint – und genau so nehme ich es auch. Natürlich. Von Diamanten habe ich zwar nicht sonderlich viel Ahnung, aber der Vergleich gefällt mir. Ich bin kein reicher Schnösel, doch die Vorstellung von einem geschmeidig geschliffenen Diamanten hat schon was. Allerdings braucht man dafür die perfekte Symmetrie, um diesen unverwechselbaren Glanz hervorzubringen. Genau das war auch unsere Intention bei diesem Album: Wir wollten eine Balance schaffen, die strahlt.
Für mich persönlich ist es tatsächlich mein Diamant. Und ich bin überzeugt, dass alle in der Band das genauso sehen. Wir haben unendlich viel Zeit investiert, jede Facette sorgfältig geschliffen – und doch bewusst ein paar raue Kanten stehen gelassen. Denn zu glatt sollte es nicht werden, sonst verliert es an Charakter.
Darum: Danke für den Vergleich mit dem Diamanten. Er passt perfekt – und er ist, im wahrsten Sinne des Wortes, wunderschön.

Der Pressetext beschreibt euch als „von den Göttern des Heavy Metal-Olymps gesandt“. Wie viel Augenzwinkern steckt für dich in solchen Formulierungen – und wie viel Ernst?
Heavy Metal Olympus – ein Berg der Götter. So viele positive Kommentare, was soll man da noch sagen? Wir fühlen uns allerdings nicht wie Götter. Eher wie ein guter Wein, der über die Jahre an Tiefe, Charakter und Reife gewonnen hat. Komplexer, maturer, mit Nuancen, die man vielleicht erst beim zweiten Schluck erkennt. Und trotzdem bewahren wir uns immer die Grenze zur Hybris – und die kindliche Neugier, die uns antreibt. Genau so fühlt es sich für uns an.
Lass uns über ein paar Songs des Albums sprechen. Der Opener Evil in All Dimensions klingt wie ein fiebriger Albtraum. Schreibst du Texte eher aus persönlichen Gefühlen heraus oder aus einer Art fiktiver Horror-Perspektive?
Es kommt ganz darauf an. Dieses Mal, bei Even in All Dimensions, dem Titeltrack, wollte ich einen Song über einen Albtraum schreiben. Als Kind hatte ich nämlich oft wirklich schlimme Träume. Du wachst auf und hast keine Ahnung, was da gerade passiert ist. Im Traum triffst du Entscheidungen, die du im echten Leben niemals fällen würdest. Und wenn du dann die Augen öffnest, bleibst du zurück mit einem Gefühl von Scham – ohne überhaupt zu wissen, was Realität war und was nicht. Genau darüber wollten wir einen Song schreiben und auch ein Musikvideo drehen. Das Ganze ist sehr persönlich, keine Frage. Aber am Ende des Tages bleibt es eben doch: ein Albtraum.
Ein Alptraum sind auch die Konflikte in dieser Welt. Songs wie Maskirovka oder Iron Sign greifen ernste Themen wie Manipulation oder den Krieg in der Ukraine auf. Wie wichtig ist es dir, gesellschaftliche Realität im Heavy Metal zu spiegeln?
Ich denke, genau darum geht es im Heavy Metal. Zumindest war es schon immer so. Heutzutage scheinen viele Bands ein wenig Angst davor zu haben, Haltung zu zeigen und den Kopf aus dem Proberaum zu strecken. Viele Musiker wirken eingeschüchtert. Dabei sollte es doch genau darum gehen: ehrlich zu sprechen, Themen beim Namen zu nennen – oder, wie wir in Schweden sagen, „aus dem Bart zu reden“.
Ich bin froh, dass wir keine Angst davor haben. Denn nur so können wir innerhalb der Heavy-Metal-Gemeinschaft echte Gespräche führen. Ich habe Freunde aus allen Teilen der Welt – aus unterschiedlichsten Kulturen, mit verschiedensten politischen Ansichten. Und doch spielt das keine Rolle: Wir sind alle vereint unter dem Banner des Heavy Metal. Genau daraus entsteht eine faszinierende soziale Konstellation.
Hier ist es möglich, mit Respekt über Dinge zu reden. Etwas, das heutzutage leider selten geworden ist. Oft schreien sich die Leute einfach nur an. Frei nach dem Motto: „Wenn du nicht meiner Meinung bist, kannst du dich verpissen.“ Im Metal wissen wir dagegen, dass das, was wir teilen, viel zu wertvoll ist, um es durch Geschrei zu zerstören.
Selbst wenn wir nicht in allem übereinstimmen, können wir darüber sprechen. Und genau das ist, denke ich, die langfristige Lösung. Die kurzfristige wäre natürlich: Kriege beenden. Und all die Gräueltaten, die damit einhergehen, sofort stoppen. Denn das ist und bleibt ein tragisches Unglück für die Menschheit – ganz gleich, um welchen Konflikt es sich handelt.

Mit I Fear the Blood habt ihr eine Powerballade eingebaut. Für viele Metalheads ein heikles Thema – wie habt ihr den Mut gefunden, so eine verletzliche, fast intime Seite zu zeigen?
Ich habe bei diesem Album das Gefühl, dass wir im Vergleich zu den vorherigen Platten weniger darauf aus waren, einfach nur „interessante Themen“ zu behandeln. Stattdessen stand diesmal für mich die Emotion im Vordergrund. Viele der Inhalte hier sind für mich persönlich sehr emotional – fast so, als hätte ich das erste Mal wirklich aus dem Bauch heraus geschrieben.
Die Idee war, die Songs nicht einfach nur als Lieder zu sehen, sondern sie größer zu machen – größer als ein einzelnes Stück Musik. Im Grunde geht es darum, mit Emotionen zu arbeiten. Klingt ein bisschen nach Hippie-Gequatsche, ich weiß, aber genau so habe ich es empfunden.
Jedes Stück sollte eine eigene Gefühlsfarbe haben. Besonders bei der Ballade war es eine große Sache: Dieses Lied habe ich schon als Kind geschrieben. Dass es nun auf diesem Album seinen Platz gefunden hat, bedeutet mir wahnsinnig viel.
Ursprünglich wurde es nur als Instrumental gespielt, doch der Text selbst ist tief verwurzelt in dem Kampf, sich in einer chaotischen Welt sicher zu fühlen, während man mit unzähligen Bedrohungen jongliert.
Und dann gibt es noch das Thema Abhängigkeit – dieses Gefühl, so sehr gefangen zu sein, dass man sich selbst zu verlieren droht. Was bleibt einem da? Der Song stellt genau diese Frage und geht damit sehr tief unter die Haut.
Deine Stimme ist extrem variabel – von hohen Screams bis zu hymnischem Gesang. Wie hältst du deine Stimme fit, und gab es jemals Momente, in denen du dachtest: „Heute reicht’s nicht“?
Meine Stimme hat sich noch nie so gut angefühlt wie jetzt. Ich glaube, ich habe all die Jahre eigentlich nur gelernt, wie man richtig mit ihr umgeht. Vor allem habe ich versucht, sie nicht kaputtzuschreien.
Genauso habe ich versucht, glücklich zu sein. Denn wenn du lachst, während du singst, entspannen sich die Muskeln im Gesicht auf eine ganz eigene Weise. Und wenn du generell gut drauf bist und eine positive Einstellung hast, verändert das einfach alles – zumindest bei mir.
Natürlich gab es auch Zeiten, in denen ich nicht so glücklich war. Gehst du dann trotzdem auf die Bühne, schwingt genau diese Emotion mit, sie färbt auf die Stimme ab. Rückblickend war ich wohl nie zufrieden mit meiner Stimme, einfach weil ich selbst nicht zufrieden war.
Heute sieht das anders aus: Ich fühle mich großartig, vielleicht sogar so glücklich wie nie zuvor. Und genau das ist auch der Grund, warum ich jetzt besser singe – weil ich ein verdammt glücklicher Kerl bin.
Ihr seid bekannt für eure Live-Energie – Club oder Festival, ihr liefert immer ab. Gibt es für dich persönlich eine Bühne, die du als „Zuhause“ empfindest?
Jede Bühne ist für uns ein Stück Zuhause. Für mich persönlich haben beide Varianten ihren Reiz: die kleineren Gigs, bei denen man so nah am Publikum ist, dass man fast das Leder der metallischen Fäuste in der ersten Reihe riechen kann – pure Intimität, direkt, roh. Aber genauso liebe ich die großen Bühnen, die Raum geben, sich zu bewegen, die Show mit größerer Geste auszudrücken und nicht ständig Gefahr zu laufen, über Gitarristen oder Pedalboards zu stolpern.
Klar, auf den kleinen Brettern hat man weniger Platz für Bewegungen und weniger Freiheit, kreativ mit der eigenen Performance zu sein. Deshalb glaube ich, dass Ambush auf den großen Bühnen am besten funktioniert. Doch auch die kleinen Shows haben ihren Charme – intensiver, dreckiger, vielleicht etwas ungeschliffener, aber immer noch mit jeder Menge Punk(t).
Der Song Heavy Metal Brethren feiert die große Metal-Familie. Hast du eine Anekdote aus der Tour, die zeigt, wie wichtig dieser Zusammenhalt wirklich ist?
Die Heavy-Metal-Community ist etwas ganz Besonderes, denn Bands und Fans sind auf ihre eigene Weise untrennbar miteinander verbunden. Am Ende sind wir doch alle Fans derselben Musik, derselben Legenden.
Und manchmal wächst daraus sogar etwas, das man fast familiär nennen könnte: Aus dem Untergrund heraus werden Fans zu Freunden, und Freunde zu Begleitern, die einen durchs Leben tragen. Genau das ist für mich das Heavy Metal Brethren.
Einziger Haken: Der Begriff „Brethren“ klingt so nach reiner Männergesellschaft – dabei gibt es mindestens genauso viele Schwestern im Metal. Vielleicht sollten wir also irgendwann einen neuen Namen finden. Aber egal, wie man es nennt: Dieser Song ist eine Hymne auf den großen Bruder-und-Schwester-Hut des Heavy Metal. Und ja – sie alle haben es verdient, gefeiert zu werden.
Viele Bands aus Schweden haben in den letzten Jahrzehnten Weltruhm erreicht. Gibt es für dich so etwas wie eine „schwedische Heavy-Metal-Schule“, oder ist das nur von außen betrachtet so?
Ich glaube, das Ganze ist vor allem eine Frage der Perspektive – vielleicht auch der „ausländischen Brille“. Natürlich gibt es in Schweden eine Menge großartiger Bands. Keine Frage. Aber es ist nicht so, als hätten wir hier eine eigene Heavy-Metal-Kaderschmiede, wie ihr sie in Deutschland quasi betreibt.
Bei euch ist das anders: In Deutschland wirkt es, als ob wirklich jeder für die Gigs lebt und alles dafür gibt. Die Leute erscheinen mit durchgestylten Outfits, als ob der Konzertbesuch eine Art inoffizielle Meisterschaft im „Headbanger-Dresscode“ wäre.
In Schweden hingegen? Tja, da sieht es meistens nüchterner aus. Wir sind als Gesellschaft viel konservativer. Die Menschen bleiben lieber zu Hause, schauen Fernsehen, backen Pfannkuchen – und gehen anschließend brav ins Bett.
Kurz gesagt: es ist langweilig. Genau daraus entsteht aber so etwas wie eine kleine Revolution. Wir wollen diesem grauen Alltag entkommen und dabei vielleicht sogar ein Stück weit „deutscher“ werden.
Welche Bands oder Künstler inspirieren dich heute noch – und welche hättest du gerne mal mit AMBUSH auf einer Bühne?
Die einzig wahre Antwort auf die Frage nach Inspiration lautet natürlich Judas Priest und ACCEPT. Aber es sind nicht nur diese beiden Giganten, die mich antreiben – sie sind vielmehr die Vorreiter jener Musik, die wir selbst erschaffen wollten.
Wir haben sie schon immer gehört. Doch klar: Einflüsse verändern sich mit der Zeit, und ich sauge Einflüsse buchstäblich von überall her auf. Mal sind es harte Riffs, mal feine Nuancen, die sich einschleichen.
Manchmal gönne ich mir ein paar alte Jazz-Platten, weil man dort Dinge entdeckt, die einem ganz neue Erkenntnisse schenken. Wir reden hier nicht davon, das Rad neu zu erfinden – aber man kann versuchen, es ein wenig anders zu drehen und es vielleicht sogar runder rollen zu lassen. Und so höre ich nicht nur Metal, sondern auch Jazz, Samba oder brasilianische Forró-Rhythmen. Am Ende lande ich bei einem bunten Mix – und genau darin liegt für mich die Magie.
Wenn du einen eurer neuen Songs in einer Zeitkapsel für die Nachwelt sichern müsstest: Welcher wäre es und warum?
Ich glaube, es wäre Come Angel of Night. Das wäre ein cooler Song. Denn dieses Stück ist, wie ich finde, schnell genug, damit selbst Aliens oder zukünftige Menschen sofort begreifen, dass darin pure Energie steckt (lacht).
Gleichzeitig ist es melodisch genug, um unseren außerirdischen Zuhörern klarzumachen, dass wir nicht nur aus Aggression bestehen, sondern auch den Versuch unternehmen, etwas Funktionales und Schönes zu erschaffen. Genau deshalb ist das der Song, den ich behalten möchte.

Und zum Abschluss: Stell dir vor, das Mikro steht ein letztes Mal vor dir auf der Bühne. Was wären deine berühmten letzten Worte?
Fuck you! (lautes Gelächter) Ich weiß es nicht. Vielleicht verlasse ich diese Erde mit einem Lächeln auf meinem Gesicht. Das sollte reichen…
Mit Evil in All Dimensions haben AMBUSH nicht nur ein Album geschaffen, das sich tief in den Schädel fräst, sondern auch eines, das zeigt, wie vielseitig und mutig klassischer Heavy Metal im Jahr 2025 klingen kann. Sänger Oskar Jakobsson gab uns spannende Einblicke in persönliche und politische Themen, erzählte von den Herausforderungen der letzten Jahre und machte klar: Hier geht es nicht um Retro-Nostalgie, sondern um lebendige Leidenschaft. Ganz gleich, ob im Club, auf Festivals oder im Studio – AMBUSH bleiben eine Band, die man nicht ignorieren kann. Und wenn das Böse in allen Dimensionen lauert, dann wissen wir jetzt, wer den Soundtrack dazu liefert.