DYMYTRY PARADOX – Born from Chaos (2025)
(10.011) Olaf (8,2/10) Modern Metal
Label: Reaper Entertainment
VÖ: 16.01.2026
Stil: Modern Metal
Die Zeit der Zweiteilung ist vorbei. Dymytry Paradox – Tschechiens einst bestgehütetes Modern-Metal-Geheimnis – stürmen mit Masken, Mut und mächtigen Riffs aus dem Untergrund ans Licht. Jahrelang zählte die Truppe in Prag als heißer Tipp, nun setzen die fünf maskierten Metal-Krieger zum Sprung über die Grenzen an. Frei nach Leonard Cohen könnte das Motto lauten: First we take Europe. Mit neuem Namenszusatz, internationalem Sänger und frischem Label im Rücken hat die Band eine brachiale neue Ära eingeläutet, in der Sprachbarrieren keine Rolle mehr spielen. Dymytry Paradox verstehen sich als Brücke zwischen zwei Welten – „das internationale Pendant zu seinem tschechischen Bruder“ nennt Frontmann Al Paradox die aktuelle Inkarnation. Das Paradox im Namen passt perfekt: Zwei Versionen einer Band, wie es sie so wohl „kein zweites Mal gibt“
Natürlich ruft eine Band in Masken auch Skeptiker auf den Plan. Doch Al Paradox hat dafür nur ein Achselzucken übrig: „Den Leuten stößt doch eh alles sauer auf“, lacht er im Interview mit mir vor kurzem. Ihm und seinen Mitstreitern ist herzlich egal, wer über das Auftreten der Truppe die Nase rümpft – schließlich treiben Dymytry Paradox dieses furiose Maskenspiel seit gut 20 Jahren, lange bevor es um internationale Eroberungen ging. Die Devise: machen, was Spaß bringt, und Spalter gehen ihnen gepflegt am Allerwertesten vorbei.
In dieses Setting platzt nun Born From Chaos, das dritte Album in fünf Jahren und gleichzeitig der Startschuss für die globale Phase der Band. Al Paradox bezeichnet das Werk nicht umsonst als „Statement“ und „Spiegelbild der letzten Jahre“ – Chaos, Verwirrung, Isolation und der Kampf um die Wahrheit ziehen sich als Motive durch die neuen Songs. Entsprechend ambitioniert und vielschichtig geriet die Musik: Dymytry Paradox verbinden wütende Modern-Metal-Aggression mit unerwartet großer melodischer und lyrischer Tiefe. Kein Wunder, dass die Band selbstbewusst den Mund voll nimmt. Man habe sich aus der Komfortzone gewagt, der Sound sei „sehr modern, ohne dabei auf unsere alten Trademarks zu verzichten. Niemand muss davor Angst haben“, so Al Paradox – und er legt die Messlatte gleich noch höher: „Ich finde, es ist das Beste, was wir bisher veröffentlicht haben“. Ganz schöne Ansagen! Doch hält das Ergebnis wirklich, was hier versprochen wird?
Ehrlich gesagt hatte ich anfangs meine Zweifel. Born From Chaos klingt beim ersten Hören eher nach Sturm als nach Hitfeuerwerk. Dymytry Paradox servieren hier kein simples Riff-Rodeo zum Nebenher-Mitpfeifen. Im Gegenteil: In jedem Song steckt so viel – brachiale Gitarrenwände, elektronische Spielereien, schichtweise Soundlayers –, dass man zunächst fast erschlagen wird. Ich ertappte mich dabei, nach dem ersten Durchlauf keine einzige Melodie nachsummen zu können. Eingängigkeit sieht anders aus. Ich war kurz davor, das Album als zu sperrig abzutun – aber zum Glück blieb ich dran.
Wer Chaos sät, wird Begeisterung ernten – zumindest im Falle von Dymytry Paradox. Denn schon beim zweiten, dritten Hören dämmerte mir: Hinter all der brachialen Fassade steckt verdammt viel Substanz. Plötzlich entfalteten sich Melodien, die mir zuvor entgangen waren. Riffs, die eben noch chaotisch wirkten, ergaben auf einmal Sinn und reihten sich zu Songs voller Dynamik. Born From Chaos blühte förmlich auf, je mehr Aufmerksamkeit ich ihm gab – ein echter “Grower”, wie man so schön sagt. Das anfängliche Fremdeln wich Schritt für Schritt wachsender Faszination.
Gerade der Opener Red Sky Remains entpuppt sich schließlich als granatenstarker Einstieg. In der vorab veröffentlichten Single zeichnet die Band apokalyptische Bilder einer Welt in Flammen – doch aus der Asche erhebt sich trotzig eine Wiedergeburtshymne mit großem, nachhallendem Chorus. Spätestens hier wird klar: Dymytry Paradox können trotz aller Härte auch melodisch gewaltig auffahren. Ein weiterer Höhepunkt folgt mit Sun Of A Broken God. Hier hält die Band der Menschheit schonungslos den Spiegel vor; es geht um untergehende Zivilisationen und ignorierte Warnsignale. Musikalisch donnert der Track als brachiales Manifest aus den Boxen – schwer groovend, mit finsteren Chören und einem Refrain, der sich in epischer Breite erhebt. Trotz des düsteren Hintergrunds (Stichwort Weltuntergang – “die Welt ist im Arsch”, so Al Paradox trocken über den Zustand unseres Planeten) verliert Sun Of A Broken God nie die Balance zwischen Wucht und Eingängigkeit.
Überhaupt lassen Dymytry Paradox auf Born From Chaos kaum Zeit zum Atemholen. Im Mittelteil der Scheibe marschiert War Beneath My Skin mit knallendem Groove-Riff durch die Gehörgänge, der Titeltrack Born From Chaos vereint dramatische Orchester-Arrangements mit Doublebass-Gewittern, und gegen Ende dringt die Band mit Reignite Me in eine unverfälschte Dunkelheit vor, die an ihre härtesten Wurzeln erinnert. Mal stampft hier ein moderner Metal-Groove, mal schwelgen hymnische Melodien, mal wird gnadenlos gebrettert – Langeweile kommt definitiv nicht auf.
Dabei verlieren Dymytry Paradox trotz aller Endzeitstimmung nie ihr Augenzwinkern. Live und in ihren Rollen nehmen sie sich bekanntlich nicht zu ernst – “Wir glauben nicht wirklich, dass wir Aliens sind”, scherzt Al Paradox über das sci-fi-mäßige Maskenkonzept. Bei ihren Shows stehe „das Entertainment an erster Stelle“, betont er, denn man wolle dem Publikum trotz aller Dystopie vor allem eine gute Zeit bescheren. Diese Einstellung spürt man auch im Album: Zwischen all den kämpferischen Texten und der dystopischen Atmosphäre blitzt immer wieder eine gewisse Spielfreude durch. Sei es in einem extra fetten Breakdown, in einem augenzwinkernden Spoken-Word-Intro oder einfach in der genüsslichen Übertreibung aller Metal-Trademarks – hier sind Musiker am Werk, die ihr eigenes Chaos mit sichtlichem Vergnügen zelebrieren.
Am Ende hat mich Born From Chaos mit voller Wucht erwischt. Was als holpriger Trip durchs Chaos begann, entpuppte sich als intensive Achterbahnfahrt mit bemerkenswertem Tiefgang. Dymytry Paradox liefern hier ihr bisher ambitioniertestes Album ab – und ich muss gestehen, ich bin geneigt, Al Paradox recht zu geben: Es ist vielleicht sogar das beste Album, das sie je veröffentlicht haben. Hat das Chaos also Methode? In diesem Fall ja – und es macht verdammt viel Spaß.
Anspieltipps:
🔥Red Sky Remains
☠️Sun Of A Broken God
🎸Reignite Me
Bewertung: 8,2 von 10 Punkten
TRACKLIST
01. Red Sky remains
02. War beneath my Skin
03. Born from Chaos
04. Sun of a broken God
05. Reignite me
06. Empire of the Fallen
07. Overmind
08. Oxygen is not included
09. Grave with no Name

