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Live on Stage Report – ROSTOCK DEATH FEST
STILLBIRTH | KHNVM | OPS | DISSECDEAD | POSTNATAL ABORTION
15.11.2025 – Rostock @ JAZ
Es ist gut zwei Jahre her, da durfte ich selbst mit ‚meiner‘ Band diese Institution des guten Geschmacks eröffnen. Letztes Jahr hingegen konnte ich schmerzlicherweise nicht dabei sein. Umso größer war also die Vorfreude auf dieses Paket an Bands die nicht nur einen guten Schnitt durch Death Metal-Spielarten, sondern auch einen amtlichen Abriss versprechen. Da nehme ich auch gerne hin, dass ich der Wettersituation geschuldet vierrädrig anreise.
Und das sogar pünktlich 30 Minuten vor der ersten Band! Ebenso pünktlich verlagerte sich das zahlenmäßig gut anwesende Publikum vor die Bühne des JAZ um den Klängen von Post Natal Abortion zu lauschen. Drei grimmige Leute auf der Bühne, einer davon schwingt einen fünfsaitigen headless Bass. Der Bandname verspricht, so dachte ich, Slam aber da lag ich komplett daneben. Es wurde brutal präziser technisch- brutaler Death Metal gezockt, natürlich in komplett absurder Geschwindigkeit. Das Publikum applaudierte höflich und ist offenbar noch nicht ganz warm geworden, der norddeutsche Halbkreis vor der Bühne jedenfalls ließ das vermuten. Vielleicht lag es auch an der etwas dünnen Gitarre im Sound, denn wenn ich sehe, wie sich Gitarrist Jan Schlünz da einen abschrubbt, aber kaum etwas davon bei mir ankommt, so trübt das ein wenig die Stimmung. Die wurde, meines Erachtens, von Fünfsaiter Till und seinem Erdbeben-artigen Basssound dominiert und da gab es einiges an Spielkunst zu bestaunen. Eine solide Show also im Grunde, ein kraftvoller Opener, dem etwas mehr Gitarre gut getan hätte.
Im Anschluss enterte der Schweriner Fünfer Dissecdead die Bühne und blies dem angewärmten Publikum oldschooligen Death Metal mit stark melodiösem Einschlag um die Ohren. Der Sound war jedenfalls passend, drückte ordentlich und Sänger Marco Pecher beeindruckte mich nachhaltig mit einer bockstarken Performance am Mikrofon. Geschwindigkeit, Ausdrucksstärke und Dynamik spielten bei ihm perfekt zusammen und auch die Band hatte sichtlich Bock diesen guten Eindruck zu bestätigen. So als zweite Band des Abends war das jedenfalls eine hervorragende Besetzung, Dissecdead brachten dem Publikum etwas Schwung in die Knie und Nackenmuskulatur.
Wenn die Band Orphan Playground Sniper heißt, lustige Hüte und Hemden trägt, dazu auch noch zwei Sänger auffährt ist klar, dass die Reise ins sorgenfreie Reich des Slam Death Metals geht. Und zwar ohne Bremsen und gewaltig durchgetretenen Gaspedal. Der Treibstoff ist Wodka-O, der gallonenweise von der Bühne gereicht wurde und man könnte munkeln, dass dieser clevere Winkelzug der Meute vor der Bühne jegliche Scheu nahm das Tanzbein zu schmeißen.
Doch muss man sowas halt auch gekonnt musikalisch unterfüttern, damit diese entfachte Euphorie nicht ausgebremst wird. Und Orphan Playground Sniper lieferten. Ein wuchtiger Slam nach dem anderen böllerte auf das viehisch tanzende Publikum ein. Alle hatten sichtlich Spaß auf und vor der Bühne und wenn Songs Born to Blaze Hell heißen, kommt auch der Humor nicht zu kurz. Ich jedenfalls bin nachhaltig fasziniert und angeekelt von der seltsamen Perücke des Gitarristen David Lé Minotaur. Trotz viel Bewegung aller Protagonisten war das mein hauptsächlicher Blickfang und ich fühle mich ein kleines Bisschen traumatisiert. Sei’s drum, hier gab es für mich die eindeutig fetteste Überraschung des Abends geboten und die beiden im letzten halben Jahr veröffentlichten Singles lassen auf mehr hoffen!
Mit einer Wagenladung Vorschusslorbeeren seitens des Chef-Olafs ausgestattet, durften dann KHNVM auf die Bühne. Bandboss Showmik Das möchte mit seiner Drei-Mann-Live-Verstärkung kosmisch angehauchten Death Metal der moderneren alten Schule unters Volk bringen. Auf Platte, insbesondere beim jüngst erschienenen Album Cosmocrator, funktioniert das sehr gut und nun war ich dementsprechend gespannt, ob das live nicht sogar noch besser rüberkommt. Ich wurde leider bitter enttäuscht, weise die Ursache aber deutlich von der Band. Es war mal wieder der dünne Gitarrensound, der den Gig unausgegoren erscheinen ließ. Auf der Bühne gaben sich KHNVM sichtlich Mühe.
Optisch phänomenal aufgestellt, bei guter Stimme und am Instrument jeweils präzise rödelten sie technisch anspruchsvollen Death Metal in das Publikum, was nach den vorangegangenen OPS auch mal eine ausgedehntere Pause machte. In den letzten drei Songs hatte sich der Sound dann allmählich gefangen und KHNVM konnten das eigentliche Potenzial zumindest andeuten. Ich jedenfalls würde mich sehr darüber freuen, wenn ich diese Truppe möglichst schnell wieder sehen kann, bei satterem Sound und vielleicht zwei bis sechs Bier. (Wirst Du…Auf dem Z.O.F.F. 2026 - Olaf)
Und nun bitte alle vor der Bühne angetreten, der heute als flotte Vierer aufspielende Headliner Stillbirth gibt sich die Ehre und dem Publikum Nackenschellen in Form von neuen und älteren Slams der Marke Throne of Bones, Cult of the Green sowie Steuerklasse I und keiner sagt danke. Ab der ersten Sekunde geht das Auditorium steil und hat auch nicht mehr vor damit aufzuhören. Auch auf der Bühne ist alles, was nicht instrumental bedingt sitzen muss, unablässig am Springen, Laufen, Two-Steppen und Posen. Das war alles andere als Stageacting, das war echte Spielfreude und Leidenschaft! Und so wie es von der Bühne runterwabert, so kommt es auch zurück.
Nach gut der Hälfte des Sets muss sich Sänger Lukas Swiaczny, erstmal kurz setzen und beklagt sich darüber, dass Cardio für sich und seine Mannschaft vielleicht doch nicht die schlechteste Idee wäre. Aber das Publikum im JAZ ist erbarmungslos, fordert weitere Slams ein und wird mit einer Wall of Death belohnt. In Rostock. Im JAZ. Ich bin mir sehr sicher, dass es das noch nie gab, naja, zumindest nicht in den letzten 15 Jahren.
Immer weiter ging der Reigen, weiterhin souverän, aber dezent japsend angeführt von einem Sänger, der live wie auf Platte teilweise klingt wie eine inzestuöse Mischung aus Predator und Madagaskar-Fauchschabe, kurzum: perfekt! Am Sound gab es absolut nichts auszusetzen. Druckvoll, präzise, klar und nuanciert, pulverisierten Stillbirth jeden noch intakten Nackenwirbel und jede noch funktionierende Gelenkverbindung im Pit. Mit granatenstarkem Album im Rücken und dieser unbändigen Live-Kraft sind Stillbirth nicht weniger als eine Machtdemonstration!
Nach zwei bis drei Zugaben hieß es dann „Feierabend“, mit der Erkenntnis, dass Dissecdead ganz cool, OPS die Überraschung des Abends und Stillbirth ein vollumfänglicher Abriss waren. Sowie die, dass Störtebecker Freibier (das alkoholfreie Hopfengetränk dieses Namens, NICHT das alkoholfreie Atlantik Ale!!!) irgendwann einfach arsch schmeckt.

