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Live on Stage Report: Walpurgisnacht 2025
02. - 03.05.2025 - Berlin @ ORWOhaus

HIGHLIGHTS, ÜBERRASCHUNGEN, HERZBLUT EN MASSE
Ding dong, die Hex‘ ist tot… beziehungsweise ist ihr Tanz wieder einmal getanzt. Denn wenn der April vom Mai abgelöst wird, lädt bekanntermaßen Walpurgia ein und ruft diverse Geister aufs Parkett. Und so fand nun auch bereits die vierte Walpurgisnacht der De Mortem et Diabolum Veranstalter statt. Wieder gaben sich bei dieser verschiedene großartige Bands unterschiedlicher Subgenres des extremen Metal die Klinke in die Hand beziehungsweise übergaben einander im Stundentakt die Bühne des ORWOhaus. Geprägt von nahezu reibungslosen Abläufen lief alles am Schnürchen, was bei dieser fantastischen, immer besser eingespielten Crew bald gar nicht mehr anders zu erwarten ist. Einfach ein tolles Team!
Wie herzlich und sympathisch die Truppe ist, wird mir einmal mehr klar, als ich am Aufbautag schon einmal vorbeischaue, um ‚hallo‘ zu sagen und mit weit offenen Armen höchst willkommen empfangen wuerde. Dass man da nicht so schnell wieder verschwunden ist, erklärt sich förmlich von selbst. So geht es nach ein paar Bier und Jacky Cola noch an die Bar des nahegelegenen Hotels, um anschließend dort zu versacken. An dieser Stelle nochmals Gruß und Dank an Flocke für den Schlafsack…
TAG 1
Noch etwas müde aber pünktlich erreiche ich am nächsten Tag das ORWOhaus noch bevor die erste Band beginnt. Den Auftakt liefern die Coburger In This Hell. Die drei Maskenmänner haben sich erst im letzten Jahr zusammengefunden, sind offensichtlich aber keine Anfänger. Vor allem ihr Drummer, der auch beim Duo Gasbrand die Fälle gerbt, weiß mich zu begeistern. Auch sonst kann die Band mit ihren fiesen Riffs und überraschenden Rhythmuswechseln punkten und das Wochenende gut einläuten. Gateway To Selfdestruction knüpfen an und sorgen für eine noch finsterere Note.
Die Band um Frontfrau Mara, die man von diversen anderen Projekten (z.B. Abglanz) als Bassistin kennt, gibt ordentlich Gas und überrascht mich damit tatsächlich ein wenig. Bands, die im Depressive Black Metal beheimatet sind, neigen manchmal ja dazu, fast schon etwas zu traurig zu sein, hier wird die Verzweiflung allerdings mit einer gehörigen Menge Wut vorgetragen. Gepaart mit einem netten Spektrum an Gesangsvarianten und schönen Melodien und Spielereinen an der Leadgitarre – ich sag nur E-Bow – bleibt mir der Auftritt der Sachsen positiv in Erinnerung.
Mit Afraid Of Destiny geht die Fahrt auf etwas seichteren Gewässern weiter. Leicht gedrosseltes Tempo trifft auf viel Tiefe und reichlich Gefühl und lädt zum Träumen ein. Die Italiener bieten somit eine gute Gelegenheit für Ruhe vor dem nahenden Sturm: Denn nun betreten Asphagor die Bühne! Nach dem Instrumental „Ex Cathedra“, das schon wunderbar auf die folgenden 50 Minuten einstimmt, betritt Sänger Morgoth die Stage und zündet die Halle richtig an. Sein mit Knochen bestückter Mikrophonständer ist ebenso ein Hingucker wie sein martialisches Outfit.
Auch die großen Chaossterne auf den Kutten der Band passen ins Bild, denn, ohne den anderen Bands ihre Leidenschaft kleinreden zu wollen, gibt es jetzt erstmals so richtig Action im ORWOhaus. Der Auftritt der Tiroler zündet schnell und so steigert sich auch das Publikum in Sachen Euphorie und Feedback. Das Set der Blackis aus dem Süden versprüht reichlich Energie und Charisma und endet mit der Hymne „Aurora Nocturna“. Definitiv ein frühes Highlight am ersten Tag!
Nun ist das ORWOhaus auf Temperatur und kriegt scheinbar immer mehr Bock. Dass Shores Of Null ein bisschen ruhiger und gesitteter zu Werke gehen als ihre Vorgänger, tut dem Ganzen dabei keinen Abbruch. Stattdessen werden die hymnischen, melodischen Klänge ihrer Interpretation von doomigen Death Metal gefeiert und genossen.
Eine stilistisch ähnliche Vermählung erzeugen auch ihre Tour-Partner Décembre Noir, wobei das Konstrukt der Thüringer noch etwas mehr Todesstahl in sich trägt. Man merkt der Band ihre Erfahrung und Souveränität an, aber auch dass sie einfach richtig Lust haben, ihren Gig auf der Walpurgisnacht, die ursprünglich fürs vergangene Jahr geplant war und abgesagt werden musste, nachzuholen. Nach diesem Doom Death Kombipaket wirkt die folgende Show nur noch rasanter:
… And Oceans definieren den Hochgeschwindigkeitsmesser für Tag 1 neu. Was hier nun aus den Boxen knallt, bewegt sich schon ein wenig in Richtung Wahnsinn, auch weil das Spektrum an musikalischen Einflüssen erweitert wird. Zu rasenden High Speed Black Metal gesellen sich Keyboard Teppiche und Elektro Parts, große Melodiebögen lassen die nächsten Hymnen durch die Location hallen und Sänger Mathias Lillmåns kreischt und brüllt alles in Grund und Boden. Die spinnen, diese Finnen! War lieb gemeint - Heftige Darbietung… Bei so einem beeindruckenden Auftritt fragt man sich fast, ob das noch zu toppen sei.
Doch Heretoir bestechen auf ganz eigene Weise. Die Schlagzahl mag etwas geringer sein, doch liegt der Schwerpunkt der Bayern ohnehin woanders: Gefühl, Gefühl und hab ich schon „Gefühl“ gesagt? Ohne damit nun zu den Softies des Abends zu werden, berührt die Band um den ultra sympathischen und charismatischen Frontmann Eklatanz einfach zu tiefst. Sein Gesang und die großartigen Melodien gehen unter die Haut und nehmen alle anwesenden gefangen. Und doch bleibt stets genug Druck und Drive um auch die Hartgesottenen in der Menge zu unterhalten und zu begeistern. Die ehrlichen und aufrichtigen Dankesworte des Sängers kommen gut an und werden vom Publikum bejubelt und letztlich mit einem Gruppenfoto besiegelt. Ein großartiger und würdiger Abschluss eines ersten fantastischen Tages, der wie im Flug verging.
TAG 2
Zurück im ORWOhaus, diesmal wach und erholt, drehe ich meine Begrüßungsrunde, schnappe mir ein Kaltgetränk und begebe mich langsam in Richtung Bühne. Dort bereitet sich gerade, wie im Vorjahr, ein Duett darauf vor, den zweiten Festivaltag einzuläuten. Die Rede ist von Spere, dem noch jungen Projekt von Horn-Chefdenker Niklas und Halphas-Drummer Tempestas. Dass man auch einen satten, drückenden und abwechslungsreichen Gesamtsound mit nur zwei Leuten erzeugen kann, stellen sie eindrucksvoll unter Beweis.
Leider ist das ORWOhaus zu dieser Zeit noch nicht allzu stark besucht – schade, die beiden hätten noch mehr offene Ohren durchaus verdient. Gleiches gilt für Infestus. Denn was die Truppe um Bandkopf Andras liefert, ist echt stark, offen gestanden stärker als von mir erwartet. Der Auftritt scheint auch die bereits Anwesenden zu überzeugen, die sich im Verlauf der Show nun doch langsam summieren und der Band eine positive Resonanz schenken.

Zur dritten Band des Tages ist der Saal dann schon ganz gut gefüllt – und wer jetzt noch nicht da ist, verpasst ein echtes Highlight am noch frühen Nachmittag: Deitus aus London starten von der ersten Sekunden an mit voller Energie in ihr Set und eröffnen mit dem Intro „Incursion“, auf das erwartungsgemäß der Brecher „Straight For Your Throat“ folgt. Oldschooliger Black Metal trifft auf jedem Menge Rock und Punk Vibes dargeboten von einer Band, die richtig Bock hat, angeführt von einem verdammt charismatischen (und wie ich später erfahren werde auch total sympathischen) Frontmann. Im Handumdrehen gewinnen die Briten das Publikum für sich, was sicher nicht minder am Slayer Cover „Postmortem“ liegt. Slayer gehen halt immer! Doch vor allem das epische „Via Dolorosa“, auf das ich sehr gehofft hatte, ist ein absoluter Höhepunkt. Als Sänger A. G. dann feststellt, dass noch Zeit auf der Uhr ist, wird kurzerhand noch GG Allin Tribut gezollt und „Bite It You Scum“ gespielt. Welch ein Abriss! Die Kerle dürfen gerne ganz schnell wieder kommen.

In der Zwischenzeit wurde vor dem ORWOhaus bereits fleißig gearbeitet und an der Feuerstelle das Überraschungs-Akustik-Set vorbereitet. Neben der Festival Crew ist auch Praise the Plague-Gitarrist Marcel involviert, der fix mal eben den Sound Mann mimt und für Grift-Chef Erik Gärdefors die Regler einstellt. Dieser tritt heute nämlich zweimal auf und beschert den Walpurgisnacht-Besuchern nun erst einmal eine Verschnaufpause, in dem er allein mit seiner Akustikklampfe und unter freiem Himmel für ruhigere Töne sorgt. Die Gäste lauschen den bedächtigen Klängen des Schweden und seinem Instrument nur zu gern und scheinen die kleine Auszeit zu genießen.
Indoor findet dagegen längst der Umbau für den nächsten Act statt. Zu umfangreich gestaltet sich dieser allerdings nicht, denn wir bekommen es erneut mit einem Duett zu tun. Denn nun sind Angstskríg aus Kopenhagen an der Reihe. Ihr Sound hat was Einzigartiges: Es knarzt, es groovt, es drückt, die dänischen Vocals wandern stilistisch vom Keifen über Shouting zum klaren Gesang. Die Verzerrung steht auf Anschlag und auch sonst wird nicht mit Effekten gegeizt. Sie sind wirklich etwas speziell, gefallen aber nicht nur mir. Auch optisch können sie, trotz überschaubarer Besetzung, überzeugen. Damit meine ich weniger die Melone – der Hut, nicht die Frucht – auf dem Kopf des Frontmanns sondern viel mehr die beiden Monitore auf der Bühne. Diese spielen Filme ab, die die beiden Musiker in verschiedenen Umgebungen zeigen. Was sich erst einmal unspektakulär liest, hat es im Detail aber in sich: Sämtliche Sequenzen stimmen perfekt und on point mit der live gespielten Musik überein. Dies fällt vor allem beim letzten Song des Sets auf, der textlich wie bei einer Karaoke-Party begleitet wird. So bekommt die unverblümte und direkte Darbietung auch etwas unerwartete Tiefe.


Für viele scheint auch die nächste Band eine Überraschung zu werden – ich dagegen trage bereits ganz bewusst mein Los Males Del Mundo Shirt. Denn aufgrund meines Reviews zum Debüt „Descent Towards Death“ (2021) weiß ich um die musikalische Qualität der Combo. Und wenn diese live auch noch von so verdammt versierten Musikern wie Nikita Kamprad, Tobias Schuler und Alan Noruspur (Der Weg einer Freiheit) sowie Black Metal Hansdampf Stefan Dietz (Horresque, Nocte Obducta, Heretoir) unterstützt werden, steht schon wieder ein Highlight an. Denn das nun folgende Set deckt eigentlich alles ab, was sich der Freund harter, dunkler Musik nur wünschen kann: Derbe Bassläufe und brettharte Drums treffen auf extrem große und starke Melodien, die erst tief ins Ohr dringen und sich von dort in die Seele bohren. Wie auf dem Album vereinnahmen die Hymnen von Los Males Del Mundo den Hörer auch live völlig. Im Mittelpunkt des Geschehens aber steht Frontmann Dany Tee, der vom ersten bis zum letzten Ton alles aus sich heraus holt. Neben seiner ungezügelten Energie und tonalen Range besticht er auch durch seine angenehme und respektvolle Art gegenüber seinen Gefährten – „Es ist eine Ehre und ein Privileg mit so großartigen Musikern auf der Bühne stehen zu dürfen“ – und auch dankenden Worten ans Publikum. Von Anfang („Falling Into Nothing“) bis Ende („The Heavy Burden“) in Sachen Musikalität und Menschlichkeit ein fantastisches Konzert.
Nun betritt Erik Gärdefors für seinen zweiten Auftritt an diesem Tage die Bühne, diesmal also Indoor und mit elektronischer sowie personeller Verstärkung. Das Debüt „Syner“ soll heute im Fokus stehen. Erik und seine Begleiter erzeugen eine gefühlsschwangere und melancholische Atmosphäre, die unter die Haut geht, gleichzeitig aber auch genug Aggressionen freisetzt. Definitiv sind Grift eine der Bands, die mir an diesem Tag rät, sie in Zukunft mehr in meine Hörgewohnheiten einzuschließen. Gleiches gilt auch für Fen. Sicher hatte ich die Briten auf dem Schirm, doch überzeugt mich das Set der drei Herren aus dem Empire doch live noch ein ganzes Stück mehr. Die großen Melodien, auf die ich mich im Vorfeld gefreut hatte, sind gegeben, doch ist der Auftritt des Trios deutlich ruppiger, als ich es vermutet hatte. Die Kombination aus feinen Gitarrenläufen und überraschender Härte weiß zu gefallen, die Spielfreude der Band ist großartig und ansteckend und überträgt sich auch bei mir in Nacken und Tanzbein. Verdammt kurzweilig vergeht die Show somit wie im Fluge und bleibt in bester Erinnerung.

Nun wird es Zeit für den letzten Ritt auf dem Hexenbesen, bevor die Walpurgisnacht 2025 ihr jähes Ende findet. Es ist schon recht spät, doch müde oder gar lustlos ist hier noch keiner. Der Weg Einer Freiheit wird heiß erwartet – völlig zu Recht, wie sich in der nächsten Stunde zeigen wird. Der Schwerpunkt liegt noch einmal auf dem letzten Werk „Noktvrn“ und sowie das Set mit „Monument“ eröffnet wird, haben mich Nikita Kamprad und seine Mannen bereits gepackt. Welch ein überragender Wahnsinns-Song! Sofort gehen die vielen Besucher des Events, die ganz offensichtlich extra wegen dieses Headliners heute den Weg ins ORWOhaus angetreten sind, völlig steil. Somit sind Der Weg Einer Freiheit wohl auch die Band mit der kürzesten Zündschnur des Wochenendes. Denn alles läuft von Beginn an für die Würzburger.
Neben „Am Rande Der Dunkelheit“, „Immortal“ und „Gegen Das Licht“ gibt es mit „Aufbruch“ noch einen Gruß vom 2017er Werk „Finisterre“. Bevor die nimmer satte Meute in die Nacht entlassen wird, spendieren Nikita und Co. noch ein Sahnebonbon und präsentieren einen brandneuen Song des kommenden Albums. Dann ist die Messe gelesen, das Licht im Saal geht an und ich sehe ausschließlich glückliche Gesichter beziehungsweise Menschen im ORWOhaus. Manche versuchen noch, eine Setlist, einen Stick oder ein Plektrum zu erhaschen, andere tingeln sichtlich zufrieden gen Ausgang. Dann schließen sich die Türen und die vierte Auflage der Walpurgisnacht ist Geschichte.

Mir bleibt erneut die Ehre, eine kleine After Show Party mit der fantastischen Crew zu erleben. So wie Dany von Los Males Del Mundo von einer Ehre und einem Privileg sprach, mit großartigen Menschen die Bühne teilen zu dürfen, so empfinde ich ebenso, in dieser Runde dabei sein zu dürfen.
Das Team der Walpurgisnacht beziehungsweise des De Mortem et Diabolum steckt so viel Liebe und Herzblut in seine Veranstaltungen, begegnet jedem Musiker und jedem Gast mit so viel Respekt, Herzlichkeit und auch Professionalität, dass es einfach immer wieder ein riesen Vergnügen ist, bei dessen Konzerten, den Partys oder einfach in jenem Kreise zu sein. Da kann ich nur jedem aus vollem Herzen empfehlen, die Events zu besuchen und dies vielleicht einmal selbst zu erleben. Die nächste Gelegenheit ist das De Mortem et Diabolum XI am 05. & 06. Dezember 2025. Das Billing hält schon jetzt mit Austere, Ellende und Sunken – um nur einige zu nennen – bemerkenswerte Bands parat und wird noch weitere Perlen offenbaren. Lasst euch diesen Jahresausklang auf keinen Fall entgehen!
