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Q&A - Das Interview: FATAL EMBRACE
Sein Glied hat noch niemand gesehen!

Manchmal braucht es keinen Frontalzusammenstoß, um wachgerüttelt zu werden – Seventh Sadistic Serenade reicht völlig. FATAL EMBRACE zeigen auf ihrem siebten Studioalbum, dass man auch nach über 30 Jahren Bandgeschichte noch frisch, gefährlich und verdammt relevant klingen kann. Die Berliner Thrash-Veteranen feuern zwölf Songs ab, die mit mehr Durchschlagskraft daherkommen als der TÜV-geprüfte Presslufthammer eines Axtmörders.
Zwischen stilvoller Brutalität, Old-School-Verehrung und einem erstaunlich detailverliebten Songwriting zeigt sich eine Band, die nicht einfach nur ihr Genre zitiert – sondern es definiert. Grund genug, mal nachzuhaken: Was ist dran an den gefühlt 1.500 Coverentwürfen? Wie geht man mit dem Tod eines engen Freundes und Bandmitglieds um? Und – am allerwichtigsten – hat man meinen kleinen Aprilscherz mit der „1,0 von 10“-Bewertung eigentlich überlebt? Die Antworten darauf gibt’s im folgenden Interview welches wir bei der Record Release Party im Brutz & Brakel führten.
Hallo Jungs! Schön, dass ihr euch die Zeit nehmt. Wie geht’s euch? Wie ist die Laune im Fatal Embrace Lager?
Heiländer: Gut (lange Pause).
Das war’s?
Heiländer: Na, dann frag doch die anderen.
Tilo: Na ja, wie soll das denn sein? Hervorragend! Nach den Reviews, die wir bis jetzt bekommen haben, ist die Laune natürlich ausgezeichnet – logisch, oder?
Ich hoffe, ihr habt mir meinen kleinen Aprilscherz nicht allzu übelgenommen? Ich hab gehört, dass du, Heiländer, schon fast bei mir zu Hause vorbeikommen wolltest.
Heiländer: Nee, nicht ganz – aber ich fand’s schon seltsam, alles genau so wie beschrieben. Ich dachte echt, das wäre ernst gemeint.
Christian: Ach, du warst das mit dem besch... Review? (Gelächter)
Ja, na klar – und du wusstest es ja vorher schon.
Heiländer: Na gut... tschüss.
André: Ich fand’s lustig! Na ja, manche sagen so, andere sagen so. Ich jedenfalls fand’s witzig.
Seven Sadistic Serenades – das siebte Album. Musste die Sieben da unbedingt rein? Ich hab ja in meinem Review auch alternative Titel in den Raum geworfen wie beispielsweise „Over Seven Bridges You Must Walk“. Gab's noch andere Titelideen – und warum genau musste die Sieben sein?
Heiländer: Weil es eben das siebte Album ist – das passt doch einfach zu gut! Wäre es das achte gewesen, hätte es wahrscheinlich Eight, Nine, Tenth oder Eleventh geheißen. Die Zahl Sieben hat jetzt für uns keine mystische Sonderbedeutung oder so. Sie klingt einfach gut – und zieht sich konsequent durchs Album: In jedem Song fällt das Wort Sieben. Totaler Siebener-Overkill quasi.
Das Songwriting wirkt durchdacht, fast schon dramaturgisch gebaut – ohne den Punch zu verlieren. Entsteht sowas aus der Jam-Session heraus?
Heiländer: Früher haben wir das alles noch im Proberaum gemacht. Also, mit der alten Besetzung – da ist das Proberaumding überhaupt erst entstanden. Und heute? Da haben die Gitarristen alle diese schicken Techniken, reichen sich die Demos gegenseitig digital rüber, und so entsteht das dann halt alles. Total seltsam. Ganz anders als früher – aber hey, es funktioniert überraschend gut. Das Songwriting läuft!
Christian: Im Prinzip ist es so, dass Spezi und ich meistens irgendwelche Ideen haben – wir nehmen das dann direkt auf. In der Regel sind das sogar schon fast komplette Songs. Dann stellen wir das den anderen vor, und die geben natürlich auch noch ihren Senf dazu. Und dann wird eben hier und da noch ein bisschen umgestellt, wenn’s nötig ist. Dirk (Heiländer) hat da echt ein feines Näschen für. Der sagt dann gern mal: „Lass uns die Bridge lieber hierhin packen... oder den Part da rüberziehen.“ Für solche Umbauten hat er echt ein gutes Gespür. Aber grundsätzlich kommen die Ideen eben hauptsächlich von Spezi und mir.
Heiländer: Und dann arbeiten wir gemeinsam weiter dran. Jeder bringt noch mal ’ne Idee mit ein, um das Ganze vielleicht auszubauen – oder noch ein bisschen anders zu gestalten.
Spezi: Genau! (Gelächter)

Revel in Violence als Opener lässt nichts anbrennen. Keine Intro-Spielereien, kein Warmduschen. War das von Anfang an so geplant?
Heiländer: Durch das Intro kommst du halt am besten rein – so war das von Anfang an geplant. Es stand schnell fest, dass der Song auf jeden Fall als erster kommt. Egal, was da noch gekommen wäre. Der passt einfach wunderbar drumrum, weil er so schön speedig losgeht und trotzdem Melodien hat. Aber eben auch diesen Oldschool-Touch, wie bei den ganz alten Megadeth, Metallica, Exodus…
Christian: Live nehmen wir den ja auch schon seit einer Weile als Opener. Das ist ein schöner Einstieg mit dem Akustik-Gitarren-Intro. Da können wir vorher noch mal in Ruhe pullern gehen. Oder Spezi kann sich noch einen Kaffee holen – Tilo und ich, wir trinken ja Bier. André stimmt in aller Seelenruhe seine Trommel. Und Dirk ölt seine Stimme.
Die Coverversion von Nice Boys hat mich positiv überrascht. Warum gerade dieser Song?
Heiländer: Ich wollte den Song schon vor 20 Jahren machen. Da waren die Jungs ja noch gar nicht in der Band. Aber jetzt hat’s einfach super geklappt – und er ist richtig stark geworden, weil es halt ein Killer-Song ist. Das Original ist ja schon richtig gut. Es ist einfach ein saugeiler Song. Und genau deswegen macht es eben keinen Sinn, nur Thrash-Sachen zu covern. Die klingen entweder wie wir – oder wir wie die. Und das bringt ja nix. Das ist doch totaler Blödsinn.
Aber so Nummern wie Rose Tattoo oder AC/DC – das macht dann schon Sinn. Weil’s einfach auch Laune bringt. Oder Iron Maiden mit Killers, was wir ja auch gecovert haben. Da kann man wenigstens noch ein bisschen was machen, etwas Eigenes reinbringen. Man kann dem Song eine eigene Handschrift verpassen. Und das kommt beim Publikum auch gut an.
Wenn wir jetzt zum Beispiel Slayer covern würden – was wir ja früher schon gemacht haben – dann klingt das halt auch sehr ähnlich. Das ist dann keine große Herausforderung. Klar, Slayer covern macht Spaß, wenn man Slayer mag – aber es gibt keinen großen Unterschied. Rose Tattoo, das Ding – das ist richtig cool geworden.
Gerade bei einer richtig starken Band muss man ja nicht auf die Idee kommen, jetzt plötzlich Schlager zu machen. Und wenn man einen Song nicht wirklich verändern kann, dann will ich’s halt auch nicht. Es muss schon etwas sein, das ich persönlich geil finde. Oder eben etwas, das man selbst geil findet – sonst macht’s ja keinen Sinn. Ich würde jetzt nicht anfangen, irgendwas von Mary Roos zu covern. Oder von... keine Ahnung... Zarah Leander. Das würde ich einfach nicht machen, weil ich das schlicht und ergreifend kacke finde. (Gelächter)
André: Jaja, der Song ist geil. Der Song ist mega geil. Und ich finde… Der trifft ins Schwarze.
Christian: Ich finde auch, wir haben den wirklich gut umgesetzt. Vor allem Dirk, muss ich sagen – sein Gesang, das ist schon... der zieht richtig durch!
Ihr habt eine Produktion hingelegt, die gleichzeitig fett, roh und transparent klingt – keine Selbstverständlichkeit. Wie war die Arbeit mit Tom von EXA?
Christian: Also anstrengend war es nicht. Es war halt vielleicht … manchmal ein bisschen umständlich. Ich hätte mir da gelegentlich etwas mehr direkten Kontakt gewünscht – und nicht immer nur über WhatsApp oder so. Aber letztendlich muss man sagen: Er weiß, was er tut. Er macht’s gut. Und ja, wie du schon sagst – die Produktion ist ordentlich geworden. Und fett noch dazu.
Er hat das wirklich ganz gut gemacht. Und insgesamt war’s auch ein angenehmes, durchaus anständiges Arbeiten mit ihm. Spezi und ich – wir haben ja drei Tage lang die Rhythmusgitarren bei ihm im Studio eingespielt. Und das war wirklich gut.
Spezi: Was Christian sagt… (Gelächter)
Jetzt zum Artwork – ich hab gehört, es gab unzählige Entwürfe. Was wurde da alles diskutiert? Farbwahl, Motiv, Dämonenanzahl? Mein einziger Kritikpunkt: Das Logo hätte gerne selbstbewusster aufs Cover dürfen.
Heiländer: Ich habe von dem Cover ungefähr 120 verschiedene Varianten zu Hause. Und die habe ich immer wieder durchgesprochen. Es war jedes Mal ein bisschen anders, bis man sich dann endlich auf eine Version geeinigt hat. Und selbst dann war’s immer noch ein bisschen zu dunkel. Aber so ist das Leben. Damit muss man halt leben. Die CD ist sogar noch dunkler – aber auch das geht in Ordnung.
Christian: Heiländer hat uns ja ständig davon erzählt. Und manchmal dachte ich mir: Mein Gott, was für ein Pedant! Aber am Ende hatte er recht – das Cover ist einfach endgeil.
Spezi: Ja.
Tilo: Spezi hat „Ja“ gesagt! (lautes Gelächter)
Christian: Ich find’s wirklich einfach nur genial. Auch wenn Heiländer immer noch nicht zufrieden ist, weil’s ihm ein bisschen zu dunkel geraten ist.
Heiländer: Ich hab’ immer gesagt, das war nur der Vorentwurf. Mal war das Logo zu hell, dann wieder zu dunkel. Mal war’s hier, mal da. Du hast keine Ahnung, wie viele Möglichkeiten es da gab.
Christian: Also aus meiner Sicht ist das das beste Cover generell der letzten Jahre – ganz ehrlich. Wenn du es dir von vorne anschaust und dann von hinten – es ist im Prinzip die gleiche Szene, nur aus der entgegengesetzten Perspektive. Das fällt einem vielleicht nicht sofort auf... soll ich sagen, es ist subtil. Aber da steckt eben ein Gedanke dahinter.
Heiländer: Davon gibt’s auch riesige Drucke – damit könnte ich ein ganzes Haus tapezieren. Riesengroß, endlos! Das ist... ja, das ist schon ziemlich cool.
Dennoch hätte ich das Bandlogo gerne etwas präsenter gesehen…
Heiländer: Alles durchprobiert. Ging nicht. Dann wäre es über den Kopf gewesen – das hätte man komplett zerstört. Es geht ja um das Cover. Es soll integriert wirken, nicht wie nachträglich drangetackert. Man hätte natürlich auch einfach ein knallgrünes Logo mit weißem Rand draufklatschen können – aber dann brettert dir das visuell die Netzhaut weg.
Wichtig war: Wenn die Leute hinschauen, soll das Logo oben erkennbar sein. Auf der CD allerdings – das wäre in so winzig kaum zu erkennen gewesen. Also haben wir’s auf dem Kreuz heller gemacht. Und dadurch ist auf der CD das Logo im Verhältnis zur Platte sogar größer – damit man auch wirklich was sieht. Und außerdem: Für Sammler ist das durchaus ein Leckerbissen. Auf der LP sieht’s nämlich fett aus – das Cover soll ja knallen. Klar, man hätte das Logo auch komplett oben raufsetzen können, schön hinter den Kopf. Aber dann wär’s wieder nicht richtig sichtbar gewesen. Echt schwierig, da die goldene Mitte zu finden.
Wenn man’s zu knallig gemacht hätte, hätten alle gesagt: „Sieht aus wie draufgeklebt.“ Und weil’s jetzt etwas dunkler gehalten ist, wirkt die hellere Version – gerade beim Logo – einfach leuchtender. Ich hab ja alle Versionen zu Hause. Konnte die alle mal ausprobieren. Und ich sag’s mal so: Es ist schon ziemlich geil.

Seit den 90ern, sprich der Gründung – viele Line-up-Wechsel, neue Phasen, alte Wurzeln. Ist das jetzige Line-up endlich „das eine“, mit dem ihr in den Sonnenuntergang reitet? Du Heiländer bist ja das einzig verbliebene Ur-Mitglied…
Heiländer: Ich habe ein Glied, eine Uhr – und bin Urmitglied.
Christian: Moment mal, sein Glied hat doch noch niemand gesehen! (Gelächter)
Tilo: Er selbst doch auch nicht, oder? Da brauchst du schon ’ne Lupe.
Heiländer: Früher hatte ich so ein Teil – da musste ich meine Fahrkarte doppelt bezahlen! Und heute ist es so: Wenn in der Bahn alle mucksmäuschenstill sind, hört man ihn nur noch... schnauben. Und schnaufen. Und wieder schnauben.
Und der Sonnenuntergang?
Heiländer: Gerne, aber wenn die wegsterben, müssen halt neue kommen. Ich bin ja noch nicht ganz so alt wie die anderen (Gelächter)
Ein schmerzhafter Punkt: Euer früherer Drummer Sven ist 2024 verstorben. Wie sehr hat euch das getroffen? Und glaubt ihr, er hätte das neue Album gefeiert?
Tilo: Ja, denke ich schon. Er war ja an bestimmt der Hälfte der Titel noch beteiligt. Ja, das hat er gut gefunden – denke ich jedenfalls.
Und für dich, André? Ein schweres Erbe?
André: Ich sehe mich gar nicht als Nachfolger. Ich bin halt über die Jungs irgendwie reingerutscht, ne? Hatte auch Kontakt mit Svens Frau. Und übers Arbeitsamt. (Gelächter).
Christian: Man bekommt heutzutage tatsächlich auch Fachkräfte übers Arbeitsamt!
André: Mich hat das emotional total bewegt. Aber mittlerweile ist das meine ganz eigene Geschichte geworden, sag ich mal. Ich wollte mal was anderes machen – ich hab ja noch eine andere junge Band, Killing Spree und komme ja eigentlich aus dem Death-Metal-Bereich, und da wollte ich einfach mal raus. Und dann – zack! – gab’s da 'ne Anzeige beim Arbeitsamt. (Gelächter) Und heute auf dem Weg hierher dachte ich: Krass, das ist jetzt schon ein dreiviertel Jahr her – das war letzten Sommer!
Und dann gab’s ein Bewerbungsgespräch?
Heiländer: Wir haben mehrmals miteinander geschlafen. (Gelächter) Aber da reden wir lieber nicht drüber. Der Tilo dagegen – immer so emotionslos. Mit dem macht das keinen Spaß. Der liegt immer da wie ein Brett.
Im Sommer seid ihr unter anderem auf dem Protzen Open Air zu sehen. Vorfreude?
Heiländer: Total! Das ist jetzt schon das dritte Mal. Das erste Mal waren wir 2006 da, dann nochmal 2013 – und jetzt eben wieder. Und es wird bestimmt cool, weil du im Hangar spielst. Das hat schon echt was.
Christian: Also einerseits war ich erst ein bisschen enttäuscht, als ich gelesen hab: Ich spiele im Hangar. Aber ich hab ja damals mit Metall da gespielt – der Hangar war rappelvoll! Und das war schon ziemlich cool.
Heiländer: Das ist einfach geil, wenn du da drin spielst – der Hangar hat Atmosphäre. Da kommt richtig viel Sound zurück, das ist total wuchtig. Das ist viel besser als draußen. Also ich freu mich wie Bolle!
Und natürlich freuen wir uns wie Bolle auf euren Auftritt beim Zephyr’s Odem Family Fest am 11. Oktober…
Heiländer: Wir kommen nur, weil wir uns Deine 10.000 Euro einverleibt haben. Ach ja, und wegen der Backline, die Du uns für lau aus dem Rippen geleiert hast.
Letzte Worte…
Heiländer: Wenn Euch das Album gefällt, super. Wenn Ihr es nicht kauft, kommen wir vorbei und schneiden Euch den Sack ab (Gelächter).
Duck (Labelchef): Willst Du auch noch was dazu sagen?
Duck: Auf jeden Fall bin ich sehr zufrieden mit dem Album. Ich freue mich darüber, wie fokussiert sie das rübergebracht haben. Und ja, es ist tatsächlich ein Stück aggressiver als das vorherige Material – geht mehr auf den Punkt, ohne Umwege, direkt zwischen die Ohren. Und ich muss sagen: Die Klangarbeit ist brillant. Trotz aller Brutalität schimmern feine, wunderschöne Melodien durch – ein hohes Maß an Wiedererkennungswert inklusive. Was in diesem Genre ja eher Seltenheitswert hat.
Tilo: Ich will ein Kind von dir.
Spezi: Was Duck sagt.