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Q&A – Das Interview: BAEST
Die mit den verschränkten Armen und dem kritischen Blick

Wer mich kennt, weiß: Ich liebe es, wenn eine Band nicht einfach nur ihre Spur fährt, sondern gleich den ganzen verdammten Highway neu asphaltiert. Und genau das tun BAEST mit Colossal. Zwischen epischen Riffs, antiker Wut, Death-Metal-Abriss und einer Extraportion Rock’n’Roll liefern die Dänen ein Album, das sich gewaschen hat – im Schweiß von Ozzy, dem Donner des Stormbringers und der stilistischen Chuzpe eines Kolosses. Ich hatte das Vergnügen, mit Gitarrist Svend Karlsson über dieses musikalische Biest zu sprechen – ein Gespräch über jugendliche Riffs, erwachsene Entscheidungen, den Spirit von Dokken und die schimmernde Wut des Heavy Metal.
Moin Svend – danke für deine Zeit! Wie geht’s dir, so kurz vor dem Release eures vielleicht mutigsten Albums bisher?
Keine Sorge, mir geht's heute prächtig! Letzte Woche haben wir unsere neue Single King of the Sun veröffentlicht – ein echtes Brett, wenn du mich fragst. Und es läuft richtig rund: Wir wurden bereits im dänischen Radio gespielt, und die Streaming-Zahlen übertreffen sogar unsere bisherigen Releases. Kurz gesagt: Es sieht verdammt gut aus!
Colossal klingt wie ein Album, das gleich mit einem Vorschlaghammer an die Tür klopft. Wie kam der Titel zustande – und was war zuerst da: der Sound oder das Selbstbewusstsein?
Ich glaube, unser Sound hat sich ganz organisch mit der Beschreibung entwickelt. Irgendwann wurde uns klar: Wir alle hatten so unsere kleinen Kämpfe mit klassischem Death-Metal-Riffing – und zwar im Sinne von „Warum klingt das alles so erwartbar?“ Doch sobald jemand plötzlich ein Riff im Stil von KISS, Thin Lizzy oder gar ZZ Top anspielte, war die Stimmung sofort gelöst – alle lachten. Lasse und ich hatten tatsächlich ein paar solcher Riffs in der Hinterhand, wollten sie aber zunächst nicht verwenden, weil... na ja, wir dachten einfach nicht, dass das funktioniert.
Aber dann begannen wir, genau diese Parts einzubauen – und siehe da: Es fühlte sich verdammt gut an. Alles wirkte auf einmal völlig natürlich. Unser Produzent, Tua Messon, gab uns schließlich den letzten kleinen Schubs, diese Richtung weiterzuverfolgen. Und so wurde aus einem Experiment ein echtes Statement.

Was zuerst da war – die Riffs oder die Idee zum Albumtitel – kann ich ehrlich gesagt nicht mehr sagen. Vielleicht kamen die Riffs zuerst, und dann haben wir sie kurzerhand in dieses Colossal-Paket geschnürt. Stormbringer als Titel wäre auch cool gewesen, aber der war natürlich schon von Deep Purple belegt – da wollten wir uns keine Copyright-Schlacht liefern. Lustigerweise war Stormbringer sogar der letzte Song, den wir fertiggestellt haben – das war erst im Februar. Colossus kam uns auch kurz in den Sinn, aber das klang irgendwie zu sehr nach einem einzigen Track. Wir wollten etwas Größeres, Offeneres.Colossal war schließlich der Titel, auf den wir uns mit Century Media geeinigt haben – und rückblickend passt er perfekt. Massiv, markant und ein bisschen größenwahnsinnig – so wie wir es mögen.
Ihr wart nie eine Band, die sich scheut, Grenzen zu überschreiten – aber Colossal sprengt ja fast Genre-Mauern. War das eher ein mutiger Schritt oder ein natürlicher?
Es war im Grunde eine ganz natürliche Evolution. Einige der Riffs, die heute unser Rückgrat bilden, tauchten schon auf der Justitia-EP auf, andere wiederum hatten bereits ihren Ursprung auf unserer allerersten EP Maria Magdalene. Man könnte sagen: Die Saat wurde früh gesät – und inzwischen ist daraus ein ganz beachtliches Riff-Gewächs entstanden.
Natürlich gab es im kreativen Prozess so einige Momente des Grübelns, vor allem wenn es darum ging, was der Bass in all dem Getöse eigentlich genau treiben soll. Aber wir waren uns einig: Wenn wir diesen Weg weiter mit voller Wucht gehen, dann nur mit dem gleichen Team, das uns schon von Anfang an begleitet hat. Denn bei aller Ernsthaftigkeit – und ja, wir haben uns diese Songs ordentlich durchgerechnet – wollten wir eines auf keinen Fall vergessen: den Spaß. Wenn man schon so hart arbeitet, sollte man dabei wenigstens ordentlich die Hüften schwingen können.
Und glaubst Du, die alten Fans werden diese Neuausrichtung nachvollziehen können?
Ich bin mir ehrlich gesagt nicht ganz sicher (lacht). Auf dem aktuellen Album finden sich definitiv noch ein paar klassische Stücke – Mouth of the River und In Loathe and Love zum Beispiel – die diesen charakteristischen Bass-Sound tragen, der fast schon ein Markenzeichen geworden ist. Ich verstehe aber auch, dass genau das für einige Fans vielleicht ein wenig schwer verdaulich sein könnte.
Was das nächste Album angeht: Ich glaube, das wird in Sachen klassischer Klänge noch eine Schippe drauflegen – noch extremer, noch traditioneller, vielleicht sogar mit einem ordentlichen Schuss 80er-Nostalgie. Denn langsam fügt sich alles zu einem größeren Ganzen zusammen, und meiner Meinung nach ist genau das die Richtung, in die Bass-Riffs gehen sollten: eine Art Iron Maiden trifft Death Metal – episch, melodisch, aber mit ordentlich Wumms.

Ihr nennt es „Ozzy Death Metal“ – großartig! Wann habt ihr gemerkt: „Scheiß drauf, wir packen jetzt die Lederjacke zur Kutte!“?
Ich weiß es ehrlich gesagt nicht genau. Wahrscheinlich hatten wir einfach so viel Spaß dabei, dass wir gar nicht anders konnten, als es durchzuziehen. Ein paar Interviewer haben mir sogar erzählt, sie dachten zuerst, sie hätten versehentlich das falsche Album erwischt – so überrascht waren sie beim Hören.
So war es bei mir anfangs auch…
Ich denke, das zeigt ziemlich deutlich, dass man durchaus etwas Neues und Frisches erschaffen kann, ohne dabei seine eigene Identität über Bord zu werfen. Wir haben schon immer über Spaß gesprochen – und über diese besondere Live-Energie, die uns ausmacht. Um diesen fröhlichen Party-Vibe authentisch auf Platte zu bringen, mussten wir beim Songwriting ein paar Dinge umstellen. Und ja, wir sind wirklich zufrieden mit dem Ergebnis. Gleichzeitig, muss ich zugeben, bin ich auch ein kleines bisschen nervös. Es interessiert mich brennend, was die alte Garde davon hält – du weißt schon, die mit den verschränkten Armen und dem kritischen Blick.
Aber hey – am Wochenende haben wir ein Festival in den Niederlanden gespielt. Und ganz ehrlich: Die Leute dort, viele davon übrigens mit genau so schicken Shirts wie du eines von Deserted Fear trägst, hatten einfach Spaß. Und das ist doch am Ende genau das, worum’s geht, oder?
Kommen wir mal zu ein paar herausstechenden Songs auf dem Album. Stormbringer klingt wie ein göttliches Donnerwetter mit Marshall-Verstärkern. Wie viel mythologisches Pathos war geplant – und wie viel kam einfach aus dem Bauch?
Ich glaube, da war absolut nichts geplant – Stormbringer war ursprünglich gar nicht auf der ersten Version des Albums vorgesehen. Aber dann kam Century Media auf uns zu und fragte, ob wir nicht noch ein bisschen mehr machen könnten – ein paar zusätzliche Songs, ein bisschen mehr Arbeit, ein bisschen mehr Göttlichkeit. Tatsächlich hatten wir noch ein paar instrumentale Stücke auf Lager, die es zunächst nicht auf die Platte geschafft hatten. Und plötzlich: DIE Eingebung! Kein großer Masterplan, nur der Gedanke: „Lass uns die alten Riffs nochmal zusammenschrauben.“
Und dann ergab sich ganz spontan die Idee, ein bisschen AC/DC-Feeling reinzupacken – ein fettes Rockintro, ein ordentlicher Groove, der einem sofort in die Glieder fährt. Ich glaube, Simon hat diesen 70er-/80er-Jahre-Vibe sofort gespürt – und schwupps, war Stormbringer geboren. Der Refrain? Klar und eingängig wie ein Schlag mit dem Vorschlaghammer – den vergisst du so schnell nicht wieder. Am Ende war’s ganz klar Simon. Er hatte nicht viel Zeit, aber umso mehr Gefühl. Kein Konzept, kein Kalkül – einfach der Vibe im Studio. Und der war goldrichtig.

In Colossus verbindet ihr antike Bildsprache mit moderner Wut – ist das euer Faust auf Sisyphos? Und wer hatte die Idee, Thanatos als Türsteher auftreten zu lassen?
Das waren Lasse und Simon. Und wenn man ehrlich ist, dann ist Colossus vor allem eines: ein Denkmal aus Lasses Riffs. Ich bin ziemlich sicher, dass Lasse eine tiefe Liebe zu Griechenland hegt – und Simon vermutlich auch. Zumindest haben wir ausführlich darüber gesprochen. Über Feta. Über Olivenöl. Über das gute Leben. Und irgendwann war klar: Wir müssen einen Song über den Koloss von Rhodos machen.
Simon ist jedenfalls ein großartiger Typ, der diese Songs erschafft. Und Colossus ist das erste Album, auf dem fast alle Stücke aus seiner Feder stammen. Früher war das Songwriting eher eine kollektive Angelegenheit. Doch diesmal haben wir Simon einfach machen lassen – und das war die beste Entscheidung überhaupt. Viele Songs drehen sich um griechische Mythologie, Philosophie und die großen Fragen des Daseins. Insofern ist dieses Album nicht nur musikalisch anders, sondern auch thematisch ein kleiner Trip in den Süden – sonnengetränkt, tiefgründig und mit ordentlich Hall auf der Gitarre.
Jesper Binzer auf King of the Sun – wie lief das ab? Kam er mit Sonnenbrille und Whiskey ins Studio oder war das ein sehr dänischer, sehr nüchterner Prozess?
Jasper ist im Allgemeinen sauber, nach 40 Jahren Geschäft. Aber es war eigentlich ein Hail Mary. Wir haben versucht, ihn zu schreiben und ihn zu fragen, ob er es machen möchte. Wir hatten keine Antworten erwartet. Er hat einfach gesagt, ja, lasst uns gehen. Dann ging er in ein Studio in Köpenhagen und hat uns die Ergebnisse zurückgeschickt. Es war mehr, als wir hofften. Er ist ein wirklicher Rock'n'Roll-Typ. Er kam aus dem Publikumsraum.
Er hat sechs oder sieben Shows mit uns gespielt, in denen er einfach auf die Bühne gerannt ist, ein Mikrofon genommen hat und gesungen hat. Das ist sicher eine große Erfahrung. Wir sind wirklich froh, dass er es machen wollte.
In meinem Review werde ich schreiben: „Wer BAEST kennt, wird überrascht. Wer BAEST liebt, wird es feiern.“ Fühlt sich das für euch wie ein Risiko oder wie eine Befreiung an?
Ich denke, es ist in den meisten Fällen eine echte Befreiung. Klar, es birgt auch ein gewisses Risiko – schließlich haben wir großen Respekt vor unseren Fans, insbesondere vor jenen, die uns seit den Anfangstagen begleiten. Aber ich glaube, wir sind eine ziemlich offene und ehrliche Band. Zumindest hoffe ich, dass wir als solche wahrgenommen werden. Denn was wir hier tun, ist kein kalkulierter Versuch, irgendwie im Mainstream anzudocken. Es ist keine Tarnung, kein Trick – es ist einfach nur... wir.
Niemand außer uns steckt in dieser Maschinerie. Kein großes Team im Hintergrund, keine Fremdsteuerung – nur wir selbst, unser Sound, unser Stil. Was man sieht, ist genau das, was man bekommt. Punkt.
Tue Madsen wirkt laut Pressetext wie der Typ, der auf „Trve Kvlt“ pfeift und lieber geile Riffs mixt. Was hat er bei Colossal verändert – oder besser: verbessert?
Ich denke, er hat uns vor allem geholfen, einfach unseren Weg zu gehen – ohne sich groß den Kopf darüber zu zerbrechen, was eine PR-Beratung dazu sagen würde. Er hat stets das getan, was für die Band richtig und sinnvoll war – nicht das, was gerade von der Szene verlangt wurde, nicht das, was ein bestimmtes Publikum hören wollte, und schon gar nicht das, was uns größer oder erfolgreicher gemacht hätte.
Wie sagt man so schön? Wir wollten nie mainstreamen. Wir wollten niemanden hinters Licht führen oder irgendwelche Mätzchen machen, nur um die Band populärer zu machen. Seine Devise war immer klar: Mach, was du willst, zieh dein Ding durch, und sch... auf den Rest. Und genau das hat uns letztlich weitergebracht.
Nimm zum Beispiel Stormbringer – das ist komplett anders. Oder King of the Sun. Selbst ein Song wie Depraved World ist völlig außerhalb dessen, was wir jemals zuvor gemacht haben. Aber genau diese Freiheit, einfach das zu tun, was sich richtig anfühlt, hat uns ermöglicht, so weit nach draußen zu gehen – stilistisch wie kreativ.
Ihr habt neue Songs vor Release live getestet. Wie war’s, als plötzlich Dokken statt Dismember die Bühne regiert haben?
Die Leute begannen zu klatschen und zu hüpfen – und ich glaube, auch wir fühlten uns ein bisschen… rebellisch. Es ist ein bisschen so, als würde man sich das erste Tattoo stechen lassen: eine kleine Provokation, ein Ausdruck von Freiheit. Und genau dieses Gefühl begleitete uns, als wir etwas Neues wagten. Wir waren richtig gespannt, wie das Publikum reagieren würde – und das war wirklich aufregend!
Aber am Ende war alles großartig. Die komplette US-Tour lief fantastisch. Bei jedem einzelnen Auftritt, bei dem wir unsere neuen Songs gespielt haben, war die Resonanz durchweg positiv – die Leute hatten hörbar ihren Spaß daran.
Die Stimmung war durchgehend super, wir haben jede Menge Spaß gehabt – auf und hinter der Bühne. Es hatte fast etwas Feierliches, wenn man ein neues Stück anschlägt und dann, wie zur Belohnung, zu Meatook Massacre zurückkehrt. Es macht immer noch Riesenspaß, die alten Klassiker zu spielen – vor allem jetzt, wo sie wie gute Freunde sind, die man nach längerer Zeit mal wieder trifft und mit einem breiten Grinsen sagt: „Ach, du bist ja auch noch da – und du knallst immer noch!“

Einige Riffs stammen noch aus Teenagerzeiten – fühlt sich das an wie Wiedergeburt oder wie ein Remix eurer musikalischen DNA?
Das hier sind tatsächlich zum Teil die allerersten Songs, die wir je geschrieben haben. Damals fehlte es noch an Erfahrung – und ehrlich gesagt auch an genügend Riffs, um klassische Death-Metal-Nummern aus dem Ärmel zu schütteln. Also musstest du auf das zurückgreifen, was du als Kind so im musikalischen Gepäck hattest – und hast genau das in die Songs gepackt. Jetzt, viele Jahre später, sind wir zurück. Es ist wirklich verrückt: Einige Songs, die wir heute wieder spielen, sind vor 16 oder 17 Jahren entstanden! Und ja, das ist verdammt großartig.
Die Limited Edition hat Bonus-Tracks – ist das euer Geschenk an die Nerdfraktion oder versteckt sich da noch was, was nicht auf das Hauptalbum passte?
Ich glaube, das eigentliche Geschenk ist die Demoversion von King of the Sun, in der Simon höchstpersönlich seine Gesangslinien für Jesper einsingt – ganz so, wie er sich das Stück vorgestellt hat. Und das war wohlgemerkt noch bevor Jesper seine finale Version abgenickt hat. Ein echtes Schmankerl, das definitiv für ein paar Lacher sorgt!
Und dann wären da noch die beiden anderen Tracks: Einer davon ist ein Instrumentalstück, das ich komponiert habe, um dem Album eine ganz bestimmte Atmosphäre zu verleihen – ziemlich Opeth-mäßig, wenn du mich fragst. Leider war klar: Auf eine 12-Inch-Vinyl würde das Ding nicht passen. Also blieb uns nichts anderes übrig, als den Song schweren Herzens runterzuschneiden. Vinyl ist eben kein Gummiband.
Svend, zum Abschluss: Stell dir vor, du kannst eine letzte Nachricht ins kolossale Album-Booklet schreiben – was steht da?
“Verschont uns mit irgendwelchem Scheiß – wir sind ausschließlich hier, um zu feiern. Und das ist auch gut so!”
Nach diesem Gespräch mit Svend Karlsson bleibt eines klar: BAEST sind nicht nur eine der spannendsten Extreme-Metal-Bands Europas, sondern auch ein Paradebeispiel dafür, wie man sich selbst treu bleibt, während man neue Wege beschreitet – mit Charisma, Spielfreude und einer gesunden Portion „Scheiß drauf“-Mentalität. Colossal ist kein Bruch, sondern ein Sprung. Einer, der Death Metal nicht verrät, sondern erweitert. Einer, der zeigt, dass man auch mit Lederjacke, Iron-Maiden-Herz und Bock auf große Melodien dem Underground treu bleiben kann.
Und wenn der Stormbringer nun wirklich vom Himmel donnert und ein Colossus aus euren Boxen brüllt, denkt daran: Das ist keine Midlife-Crisis, das ist Rock’n’Roll mit todesbleiernder DNA– und verdammt nochmal genau das, was der Metal 2025 gebraucht hat.