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Live on Stage Report: SAVATAGE | INDUCTION
14.06.2025 – Oberhausen @ Turbinenhalle

Wenn sich ein Kreis nach mehr als drei Jahrzehnten schließt, kann das pathetisch klingen – oder einfach nur wunderschön sein. Letztmals hatte ich SAVATAGE 1993 gesehen. Damals, mit 21, zusammen mit Vicious Rumors in Berlin – lange Haare, Jeansjacke, das Leben ein Festival. Nun, 32 Jahre später, kündigten die US-Legenden ihr erstes Solokonzert seit 2002 an. Keine Festivalspielzeit, keine Split-Billing-Tour – ein Abend nur für sie. Und ich? Emotional vorbereitet wie eine Backkartoffel.
Schon der Nachmittag begann mit einem Highlight: Endlich mal wieder Markus aus unserer Redaktion live und in Farbe getroffen. Auf dem Rock Hard Festival war man in den letzten Jahren stets aneinander vorbeigelaufen wie zwei Satelliten mit Sonnenbrille – nun kreuzten sich die Umlaufbahnen im Centro Oberhausen, stilecht mit Kaltgetränk in der Hand. Warm-up in Reinform, ein paar Bierchen zum Einstimmen, und dann: auf in die Turbinenhalle.
Für Unkundige: Die Turbinenhalle Oberhausen ist ein Stück Ruhrpott-Industriekultur. Riesige Stahlträger, rauer Charme, eine Location mit Geschichte – heute allerdings auch mit Temperaturen nahe der Kernschmelze. Schon die Schlange am Eingang hätte locker als Ersatzhandlung für „Ben Hur“ durchgehen können. Kilometerlang, schweißgetränkt und von Vorfreude getrieben. Glücklicherweise winkten uns unsere Akkreditierungen vorbei an der Masse, hinein ins Vergnügen. Ein schneller Griff zum Merchandise, Shirt eingetütet – mein erstes von SAVATAGE, was angesichts meiner Fan-Historie eigentlich einer Selbstanzeige gleichkommt – und dann auf die Empore. Dass wir dort trotz vollem Haus einen Platz mit perfektem Blick ergattern konnten, war ein echter Glücksgriff.
Das Bezahlsystem mit Bons sorgte nicht nur für flüssige Abläufe an der Theke, sondern auch für erfreulich niedrige Preise – zumindest im Vergleich zu Berliner Verhältnissen. Und so flossen Whisky-Cola und Gin Tonic im 30-Minuten-Takt. Der Pegel stieg proportional zur Temperatur, und mein Rücken produzierte eine derart konstante Schweißfontäne, dass man mich problemlos ans städtische Fernwärmenetz hätte anschließen können. Fotograben? Unerreichbar. Also Augen auf, Ohren auf, Herz auf – für einen Abend, den man sich nicht schöner hätte ausmalen können. Naja, fast.
Die Ehre, den Abend einzuleiten, gebührte den in Hamburg beheimateten und in Tschechien gegründeten INDUCTION. Die sechs Musiker legten mit Born From Fire gleich richtig vor: flammende Gitarren, treibender Drumsound – ordentlich Druck, wenn auch zunächst nur im zarten Morgenlicht der Menge. Weiter ging’s mit Fallen Angel und I Am Alive, und man merkte schon: technisch sauber, melodisch gefällig – all das, was Symphonic-/Power-Metal-Fans gerne hören. Live zeigen sie ordentlich Präsenz, aber in Oberhausen bahnte sich schon früh das Erkennen ihrer Rolle an: sie waren die Vorband – die tatsächlich ehrenvolle Pflicht zur Einstimmung.
Doch dann kam’s: The Final Countdown. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet diese Hymne in Oberhausen ein wenig ins Fettnäpfchen führt – peinlich? Vielleicht. Lustig? Unbedingt. Ein Cover, das eher wie der verzweifelte Tanz auf der Hüpfburg klang. Die Massen reagierten höchstens höflich, fast so, als hätten sie gedacht: „Ah, ja, bitte gehen wir jetzt zu SAVATAGE über.“ Denn ehrlich: es war nicht Induction, die die Meute elektrisierten. Und so war es – man merkte, die Leute wollten primär SAVATAGE sehen und hören. Höflicher Applaus für INDUCTION, aber echte Begeisterung? Fehlanzeige – zumindest nicht in den vorderen Reihen, wo die Erwartungen bereits auf ihre Headliner zielten.
Nach dem überraschenden Cover folgte die Setlist weiter: Set You Free – alright, gute Nummer, symphonisch voll auf der Höhe; Medusa – episch, fast schon cineastisch; Beyond Horizons und Go to Hell füllten die Turbinenwerk-Bühne mit Power. Technisch sauber, melodisch versiert – das Leitmetall, wie es sein sollte, aber leider ohne das zwingende Ereignis, das ein Vorprogramm manchmal schaffen kann. Und dann Queen of Light – schöne Nummer zum Abschluss, finaler Höhepunkt eines ordentlichen, aber eben nicht überragenden Auftritts. Kein Bandmoment, bei dem man sich dachte: „Ja, das ist echtes Feuer.“ Eher: „Ok, kann man machen.“
INDUCTION lieferten einen ordentlichen, professionellen Support – handwerklich einwandfrei, melodisch ansprechend, mit reinem Metal-Feuer, aber leider ohne Zündfunken fürs Publikum. Wer das Material kennt (Born From Fire, Queen of Light, Medusa etc.) weiß: sie können’s – doch an diesem Abend zündete nur das, was noch kommen sollte.
Es gibt Konzerte. Es gibt besondere Konzerte. Und dann gibt es SAVATAGE. Dass ausgerechnet das Turbinenwerk in Oberhausen für das erste eigenständige Konzert der Kultband seit 2002 auserkoren wurde, ließ die Erwartungen durch die ohnehin schon geschichtsträchtige Decke schießen. Keine Festivalbühne, keine Nebenschauplätze – das war the real deal.
Bereits beim epischen Intro – garniert mit einem City Beneath the Surface-Snippet – verwandelte sich der Saal in ein brodelndes, ausflippendes Fanmeer. Ich war 1993 zarte 21 Jahre alt, als ich SAVATAGE zuletzt live erleben durfte – und nun, Jahrzehnte später, stand ich wieder da. Und diesmal mit Pippi in den Augen.
The Ocean spülte uns mit emotionaler Wucht ins Set, gefolgt von Welcome und einem glanzvoll dargebotenen Jesus Saves. Zak Stevens bewies einmal mehr, dass er stimmlich nicht nur in Form ist, sondern gefühlt zehn Jahre jünger klang als auf Platte. Bereits an dieser Stelle hatte ich mehr Gänsehaut als in einem nordfinnischen Eisbad.
Und dennoch – so sehr das Herz hüpfte, klanglich hätte man gern noch einen Zahn zugelegt. Der Sound war in meinen Ohren stellenweise etwas verwaschen, besonders bei den orchestralen Passagen und Gitarrensoli fehlte die Brillanz. Aber ganz ehrlich: Wenn man jeden Song mitgrölt, sich die Stimmbänder zerfetzt und seine Umgebung mit sentimentalen Umarmungen belästigt, spielt das nur eine untergeordnete Rolle.
In der Setlist zeigte sich, dass man ein besonderes Faible für das Wake of Magellan-Album hegte: Gleich sieben Songs des 1997er Konzeptalbums fanden ihren Weg ins Programm. Another Way, The Wake of Magellan, This Is the Time (1990), Morning Sun (zum ersten Mal seit 1998!), The Storm, The Hourglass – man konnte fast glauben, man sei versehentlich auf einer Jubiläumstour eben dieses Albums gelandet. Und obwohl ich persönlich Gutter Ballet oder Streets für deutlich stärkere Werke halte, ließ sich die Begeisterung nicht bremsen. Zum Glück wurde mit Sirens früh ein echtes Brett in den Raum geschleudert, das alle Zweifel pulverisierte. Strange Wings ließ ebenso nostalgische Herzen höher schlagen, und spätestens bei Gutter Ballet und Edge of Thorns wurde das Handy zur Wunderkerze und das Bier zur Träne.
Ein emotionaler Höhepunkt, wie man ihn nur einmal erlebt: Während Believe auf der Leinwand erschien und kein Geringerer als Jon Oliva höchstpersönlich am Piano und mit gebrochener Stimme den Song anstimmte, war es endgültig vorbei mit der Fassung. Ab der ersten Strophe stieg die Band live mit ein, und ich schwöre bei allen Göttern des Metal – der kollektive Kloß im Hals hätte einen Konzertbericht allein verdient.
Auch optisch ein Genuss: Jede gespielte Albumära wurde mit Projektionen gewürdigt, die dem Ganzen eine cineastische Tiefe verliehen. Dazu eine Band, die sichtbar Bock hatte: Chris Caffery flitzte mit Dauergrinsen über die Bühne, Jeff Plate prügelte sein Kit mit chirurgischer Präzision, und selbst beim Medley Starlight / I Am / Mozart and Madness konnte man spüren, wie viel Liebe in der Songauswahl steckte.
Der letzte Akt dieses Abends war Hall of the Mountain King, wie immer der König aller Schlussnummern. Oder etwa nicht? Denn als Bonus entließ man uns mit Power of the Night in die stickige Nachtluft – eine Verneigung vor der eigenen Geschichte und ein Rausschmeißer, der die Nackenmuskeln noch einmal zum Schwingen brachte. War es das legendäre Konzert, das ich mir seit Jahren erträumt habe? Vielleicht nicht ganz. Aber es war so verdammt nah dran, dass ich mir den Unterschied einfach wegdenke.