DISSTORTURE – Sex, Murder, Fart (2025)
(9.911) Olaf (8,7/10) Thrash Metal
Label: DIY
VÖ: 23.10.2025
Stil: Thrash Metal / Crossover
Seit ich meine Lauscher aufgeschraubt habe für das Trio aus Aschaffenburg, nämlich Disstorture, war ich hin- und hergerissen zwischen nostalgischem Schaudern und heimlicher Begeisterung. Ich hatte vorher noch nie etwas von dieser Band gehört, geschweige denn gelesen — und genau das verstärkt den Überraschungseffekt beim neuen Album Sex, Murder, Fart. Herrlicher Albumtitel übrigens: eine augenzwinkernde Anspielung auf jenes legendäre Shirt von Tom Araya – man merkt sofort: die Jungs nehmen sich nicht allzu bierernst, aber im Songwriting und in der Umsetzung steckt maximale Entschlossenheit.
Das Trio gründete sich erst 2023, was umso erstaunlicher ist, denn hier klingt vieles, als hätten die Jungs tief im amerikanischen Thrash-/Crossover-Underground der Achtziger gewühlt. Und das meine ich absolut als Kompliment. Fette Riffs, mächtige Stampfer, Mosh-Pit-Garantien am laufenden Band – und ja, das Ganze kommt im DIY-Gewand daher. Kaum zu glauben, denn die Produktion ist alles andere als Kellercharme: satt, druckvoll, schön dreckig, aber mit genug Transparenz, um die Kettensäge an den Saiten sauber nachzuverfolgen.
Allein die Songtitel lassen schon ein verschmitztes Grinsen entstehen: Poltergeist Experience, Rimjob 69, Jizz of Existence. Da weiß man, dass Humor hier nicht Deko ist, sondern Kunstform. Und bevor jemand denkt, hier gehe es nur um pubertären Klamauk: Disstorture mögen die Sau rauslassen, aber sie wissen ganz genau, wie man die Kuh ordentlich melkt – sprich: knackiges Songwriting, Timing, Groove und Attacke sitzen.
Musikalisch gibt’s die volle Ladung Crossover-Thrash: Hardcore-Energie trifft Thrash-Raserei, Mosh-Parts wie aus dem Betonmischer und Vocals, die zwischen rotzigem Keifen und martialischem Bell-Stakkato pendeln. Wer Municipal Waste, Spudmonsters oder generell den 80er Crossover-Spirit liebt, findet hier reichlich Treibstoff, um wahlweise das Wohnzimmer zu verwüsten oder das Nacken-Fitnessprogramm auf Level „Schmerzhaft“ hochzufahren. Kurz gesagt: das Aschaffenburger Trio fetzt ohne Ende, macht Spaß und empfiehlt sich für höhere Weihen.
Der Humor zieht sich durchs ganze Werk, aber darunter steckt hörbar musikalischer Ehrgeiz. Manchmal preschen die Jungs los wie eine Abrissbirne im Feierabendmodus, dann wieder gehen sie in fetten Groove-Modus über, bei dem der Kopf wie automatisch in den Up-Tempo-Stampfrhythmus fällt. Überraschend ist, wie gut das alles funktioniert, ohne sich in ironischer Selbstparodie zu verlieren. Das ist kein „Haha-Metal“, das ist „wir haben Spaß, aber wir können’s auch“-Metal. Und ja — das ist bemerkenswert frisch.
Die Lyrics sind keine hochphilosophischen Weltdeutungen – aber das erwartet hier auch niemand. Wenn in Civil War der soziale Zerfall und innere Konflikt thematisiert wird oder Legacy mit einem Hauch von Ernsthaftigkeit das Thema Vermächtnis streift, zeigt sich: zwischen den Zeilen blitzt Substanz. Und dann kommt wieder ein Titel wie Rimjob 69 und erinnert daran, dass man im Leben auch lachen muss. Balance gelungen.
Ich sag’s so: Hätte mir jemand vorher erzählt, dass eine Band mit dem Albumtitel Sex, Murder, Fart bei mir einschlägt, hätte ich gelacht. Jetzt lache ich immer noch – aber headbange dabei. Und ich bin sicher, unser Freund Johnny würde das Album mit hochrotem Kopf und Biergrinsen abfeiern, als gäbe es kein Morgen.
Ein kleiner Kritikpunkt? Vielleicht fehlt noch der eine überlebensgroße Signature-Hit, der für die Ewigkeit sofort im Hirn klebt und ein wenig mehr Varianz in der Stimme von Chris Torture Aber was soll’s — das Album ist jung, die Band noch jünger, und das Fundament wummert bereits bedrohlich gut. Disstorture liefern ein überraschend starkes, herrlich rotziges und gleichzeitig clever gemachtes Crossover-Thrash-Brett, das man in dieser Qualität aus dem Underground nicht alle Tage serviert bekommt. Spaß, Schweiß, Bierdunst, Kick-Ass-Grooves und ein Augenzwinkern: genau so muss das.
Anspieltipps
💀Rimjob 69
🔥Civil War
⚔️ Toy Boy

