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Q&A – Das Interview: WELCOME INSIDE THE BRAIN

Keine szenetypischen Trüffelschweine


Wer in Leipzig nach Retro Rock forscht, kommt an die Psychedelic Proggies von Welcome Inside The Brain auf keinen Fall vorbei. Re-Creation ist das nunmehr dritte Album, das einem überlegenen Schachzug gleichkommt. Dabei befasst sich die Band neben der anspruchsvollen Musik, auch mit Texten die zweifelsohne Tiefgang vorweisen. Diese und andere spannende Themen konnte ich mit Sänger Franky etwas detailreicher besprechen, euch nun viel Spass mit dem Interview…  

Ich grüße Euch, erst einmal großen Respekt und Glückwunsch für das gelungene, im weitesten Sinne, neue Album. Ihr müsst unendlich erleichtert sein, dass Ihr die Scheibe endlich veröffentlicht habt. Was waren die größten Hürden? 

Ja, wir sind natürlich sehr froh, dass das Baby nun endlich geschlüpft ist. Auch wenn es alles etwas länger gedauert hat, so gab es wirkliche Hürden eigentlich nur im Vorfeld. Ein halbes Jahr nachdem das zweite Album „Queen Of The Dayflies“ veröffentlicht wurde, ist die Band erst mal an zu viel innerer Spannung zerbrochen. 

Die aufziehende Pandemie hat das ganz gut kaschiert und wir konnten ganz entspannt ein neues Team zusammenstellen. Ich denke, diese entspannte Grundhaltung ist auch ein Resultat des Bruchs und sie fühlt sich sehr gut an. Der ganze Mixing-Prozess lag dann bei unserem Gitarristen Georg auf dem Schreibtisch und während wir einerseits nach einem Label suchten, dass uns die absoluten Freiheiten ließ, die wir benötigten ohne zeitgleich auf unsere Songrechte zu schielen. So war es uns auch wichtig, dass die neue Besetzung dann live erst mal ein wenig auf sich aufmerksam macht, bevor wir die Scheibe raushauen.

Das Album wurde im Januar 2022 innerhalb von vier Tagen im Echolux-Studio eingespielt und der Mixing- und Mastering-Prozess im Nachgang war nicht aufwendiger als sonst. Er hatte sich nur etwas hingezogen und das ist vollkommen okay. Prog ist ja eher zeitloser Natur, da geht das – im Pop wäre diese Arbeitsweise schwieriger (lacht).

Seit 2015 seid ihr bereits auf den Brettern, was war der größte gemeinsame Nenner, als ihr mit der Band losgelegt habt und wie seid ihr auf den Bandnamen gekommen, was wolltet ihr damit ausdrücken? 

Ich denke, was sich als Nenner seit Anbeginn wie ein roter Faden durch die Band zieht, ist, dass wir alle keine szenetypischen Trüffelschweine sind, welche auch noch das 87. King Crimson Bootleg in allen angebotenen Farbkombinationen ausgecheckt haben. Und wenn dieses Bootleg dann im Subsahara-Raum mittels eines Bandoneons durch den Hörer einer Telefonzelle gecovert und neu eingespielt wurde, wäre ich wahrscheinlich der Einzige aus der Band, der seine Freude daran nicht verbergen könnte. 

Wir haben einen für die Szene, in der wir uns dann doch irgendwie sehr gern bewegen, recht unideologischen Musikgeschmack, würde ich behaupten und sind privat auch eher selten auf den gleichen Konzerten anzutreffen. Wir teilen aber eine Freude am vintagigen Sound, mitunter vertrackten rhythmischen Verschiebungen, die aber eher subtil arrangiert daherkommen sollten und keinen Wert an sich darstellen, progressiv-jazzigen Harmonien und dem Druck, den nur eine dicke Rockband hingestellt bekommt. Naja, ne Orgel stand noch irgendwie rum: Der Rest ergibt sich. Einer unserer ersten Songs – so hat es eine Review mal beschrieben – klang für Außenstehende dann wohl wie ein Melange aus Kurt Weill und The Doors. Dieses Stück, in dem ein gequälter Körper stellvertretend für die Menschheit, in einer schmutzigen Spelunke, mit einer Festplatte verwachsen sollte, während er in Ketten darniederlag, nannten wir passenderweise Welcome Inside The Brain und es gipfelte in der Feststellung: It’s just a century under bad signs again. Das fanden wir aus irgendeinem Grund auch passend für uns. 

Daraus ergeben sich selbstredend auch die Themen die ihr in euren Texten behandelt. Oder?

Nun zehn Jahre später arbeitet die KI mit den Faschisten Hand in Hand und der reichste Mann der Welt verfolgt weiter eifrig sein Neuralink-Projekt. Wir kommen der gezeichneten Dystopie also erschreckend nahe. Der enorme technische Fortschritt der letzten zehn Jahre ging mit unglaublichen gesellschaftlichen Rückschritten einher. Das ist das Spannungsfeld, in dem wir uns bewusst bewegen. Es werden nicht genügend Fragen gestellt, doch alle Antworten sind potentiell gefährlich. Wir haben keine eindeutigen Antworten, aber wir haben eine klare Haltung und kein technischer Fortschritt ist als Fortschritt zu werten, wenn als Resultat eine Gruppe Oligarchen ein neues Feudalsystem über die Welt spannt und mit den Faschisten paktiert, um es durchzusetzen. 

Im Jahr 2019 nominierte die Deutsche Popakademie, euer zweites Album Queen of the Dayflies als bestes Progressive Album. Was denkst Du, waren die Stärken des Albums, die zu dieser Auszeichnung führten, was unterschied es am deutlichsten von eurem ersten Album Celebrate The Depression

Über die damalige Nominierung als eine von drei Bands haben wir uns natürlich gefreut. Das zweite Album wird wahrscheinlich immer einen gewissen Sonderstatus einnehmen, weil es eine recht neckische Meta-Ebene hat, die die ganze Zeit mitläuft und die die Presse nicht so richtig gecheckt hat: Es ist eine Zeitreise durch 60 Jahre psychedelische und progressive Rockmusik. Jeder Song spielt mit anderen Klischees und anderen Sounds und obwohl jeder Song eindeutig nach Welcome Inside The Brain klingt, klingt jeder Song auch nach etwas sehr konkret anderem: The Doors oder ELP oder Procol Harum, Radiohead, David Bowie oder Frank Zappa. Der Sound, die Spielweise, die Instrumentierung, die Art der Arrangements und Komposition verschiebt sich in diesem Album mit jedem Song ein Stück weiter auf dieser Skala. Ohne dabei wie ein Abklatsch zu klingen. Das ist eine Spielwiese für Erwachsene mit ganz viel Augenzwinkern bei progressivem Anspruch... 

Anlässlich des Albums habt ihr das zweitägige Psychedelic Chaos Night Festival veranstaltet, wie kam es zu dieser Idee und wie lief die Veranstaltung? 

Na das ist für uns nicht untypisch, dass wir uns befreundete Bands, die ähnlich ticken wie wir, einladen, um gemeinsam einen Haudrauf zu machen. Ich bin ja auch Konzertveranstalter und so war die Idee, mit ein paar Bands und DJs je einen Abend in Jena und einen in Leipzig – den beiden Homebases der Band – zu veranstalten, nicht ungewöhnlich. Für gleich zwei Termine in unterschiedlichen Städten bekommt man dann auch Bands nach Deutschland geholt, für die das bei nur einer klassischen Record-Release-Show nicht funktionieren würde. Aber das „Business“ ist megahart und man zittert bis zuletzt, ob die doch recht großen Kosten dann auch tatsächlich gedeckt werden können. Das war ne sehr schöne Veranstaltung. Aber das kostet auch viele Nerven haha. 

Wie anfangs angesprochen hat die Pandemie die Band so ziemlich auf Eis gelegt, Liveshows wie auch die Arbeit an neuen Songs, gehörten eher der Vergangenheit an. Ihr seid ihr in der Zeit sicher dennoch produktiv geblieben, was hat euch mental und physisch gestärkt? 

Rein physisch – hier kann ich aber erst mal nur für mich sprechen – war diese Vollbremsung erst mal ganz gut. Das Tempo, das ich vorher zwischen Band, eigenen Konzertveranstaltungen und 1000 Jobs im Kulturbereich gefahren habe, wäre nicht mehr lange gut gegangen. Sicherlich auch einer der Gründe für die bandinternen Spannungen damals. Die Zwangsentschleunigung war somit auch erst mal Stärkung und die entspanntere Arbeitsweise seitdem tut der Sache gut. 

Danach kann man von einem Neustart sprechen, man liest es auch aus dem Albumtitel Re:Creation heraus. Mit Lennart Jahn (Hammond/Keyboard), Jacob Müller (Bass) und Dominique „Gaga“ Ehlert (Drums), gab es gleich einige Veränderungen. Was war die Triebfeder dafür? Welche neuen Ideen und Herangehensweise, haben sie in das Songwriting gebracht? 

Wir sind recht zielgerichtet auf die Leute zugegangen, von denen wir wussten, dass sie menschlich und musikalisch zu uns passen werden – haben uns dabei jedoch durchaus Zeit gelassen. Als letztes neues Mitglied ist Johannes (dr) im Sommer 21 fest in die Band eingestiegen, nicht ohne uns mitzuteilen, dass er nun aber erst mal ein Jahr im Ausland sein werde. Es war also für alle klar: Wir wollen auf jeden Fall Johannes in der Band, wollen aber in dem Jahr dann auch schon die Songs fertig gebastelt und eingespielt haben. Nun ist das HMT-Umfeld (Hochschule für Musik und Theater) in Leipzig, welches seit jeher der Background fast aller unser Instrumentalisten war, ein brodelnder Mikrokosmos wahnsinnig guter Musiker*innen mit sehr kurzen Wegen. Daher war in dem Moment eigentlich unabgesprochen klar, dass „Gaga“ die Scheibe dann einspielen muss. Ich denke, Ihr hört wieso und es macht auch noch riesig Spaß mit ihm (lacht).

Diese Herangehensweise führte aber dazu, dass erstmalig der Großteil der Songs nicht in voller Besetzung entstanden ist, da wir uns die Themen nicht zu Fünft gemeinsam erjammen konnten. Da Georg aber noch zahlreiche Gitarrenideen auf seiner Loop-Maschine gespeichert hatte, waren diese dann häufig ne sehr gute Ausgangsbasis um sie miteinander zu verknüpfen sowie Texte und Melodien drüber zu spinnen. Dies war eine etwas anders gelagerte Arbeitsweise für uns und in Zukunft werden wir bestimmt auch wieder mal auf diese zurückgreifen, uns aber natürlich auch ganz traditionell Themen erjammen. 

Somit ist aus der Not eine Tugend entstanden und alle haben sich dann sehr geschmackvoll in den je aktuellen Stand der Produktion eingebracht. Georg hat noch ein paar provisorische Drumspuren eingetrommelt und mit den entstandenen Arrangements haben wir uns dann fünf Tage eingeschlossen, um das alles zu fünft rund zu biegen. Dann sind wir ins Tonstudio gegangen. 

Wie lief es während der Aufnahmen, wie habt ihr aufgenommen und wie lang war der Aufnahmeprozess? Was war euch wichtig bei der Wahl des Studios? 

Da wir auch unser zweites Album schon im Echolux aufgenommen hatten, war die Wahl für uns klar. Das Studio ist erstens wirklich super, die Zusammenarbeit mit Micha entspannt und es hat die Möglichkeit, dass wir eben zeitgleich in getrennten Räumen live unsere Songs einspielen – also akustisch getrennt sind, uns aber alle dabei sehen können. Musik, die so mit Dynamiken spielt wie unsere, muss live eingespielt werden und miteinander atmen. Wir haben fünf Tage veranschlagt und waren nach vier Tagen fertig, sodass wir noch ein paar Live-Videos im Studio drehen konnten. 

Wie würdest du jemanden den Sound auf dem neuen Album beschreiben, der noch nie von Euch gehört hat? Was ist das Besondere an Re:Creation? 

Letztens hat uns eine Review als Retro-Prog eingeordnet. Da ich eine Freude an bewussten inneren Widersprüchen habe, mag ich diese Bezeichnung irgendwie. Die Band lebt auf jeden Fall vom Spiel mit Dynamik, die organisch verspielt daherkommt. Unsere Musik ist sicherlich keine für Nebenbei. Man muss sich schon sehr bewusst drauf einlassen und daher Zeit einplanen. Daher sind wir sicherlich auch eine Band, die ästhetisch zu polarisieren weiß. 

Darf man sich mit dem Album auf einige Liveshows von Euch freuen? Was sind die Pläne für das laufende Jahr? 

Wir hatten jetzt im Frühjahr ein paar schöne Konzerte und sind natürlich auch gerade im Booking für den kommenden Winter. Aber prinzipiell habe ich das Gefühl, dass es so schwer ist wie noch nie und das höre ich auch von allen anderen Bands, hinter denen nicht eine riesige Maschine steckt. Ein paar Konzerte stehen natürlich noch an und wir werden wohl auch etwas sehr Spezielles zusammen mit Siena Root, im Rahmen ihrer Release-Tour machen. Hierfür werden wir auch ein paar Songs von ihnen spielen – wir arbeiten noch am genauen Konzept. 

Aber für uns ist es wichtig, dass Bands fair behandelt werden – das tue ich als Veranstalter auch. Dann spielen wir im Zweifelsfall lieber weniger. Aber falls jemand coole Kontakte hat – darüber läuft ja dann doch alles – meldet Euch gern bei uns: Wir sind pflegeleicht und die Band ist live eine Macht!

Ich danke Dir Franky für den spannenden Einblick in den Kosmos von Welcome Inside The Brain. Wer also für spannenden Retro Rock, mit Elementen des Psychedelic und Prog Sounds zu begeistern ist, der sollte die Band unbedingt mal kennenlernen und im besten Fall unterstützen. Das Album kann direkt auf der Bandcamp-Seite als Vinyl und CD Release erworben werden. Viel Spass und auf Bald. 




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