Alben des Jahres 2024

DIE Alben DES MONATS (03/25)

Aktuelle Reviews

Interviews

Tales from the hard side

Wir hörten früher gerne

So fing alles an


Aktuelle Meldungen

Aktuelle Meldungen

Q&A Das Interview: SCALPTURE

Mit frischen Ohren drüberschauen!


Wenn eine Band es schafft, die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges in ein derart präzise produziertes wie brachial aufgeladenes Death-Metal-Manifest zu verwandeln, dann ist Staunen angesagt. SCALPTURE haben mit Landkrieg nicht nur ein Lehrstück in Sachen Konzeptalbum abgeliefert, sondern gleich ein ganzes Schlachtengemälde vertont – mit Blut, Dreck und Donnerhall. Grund genug, sich mit einem aus guten Grund mehr als euphorisierten Frontmann Thorsten zum Gespräch zu treffen. Zwischen IKEA-Großmacht, Wallenstein’schen Horoskopen und schwedischem Urin-Smoothie ging’s um Geschichte, Gewalt – und die leidige Frage, ob man wirklich immer noch nach Bolt Thrower gefragt werden muss.

Thorsten, Arminia Bielefeld, DFB-Pokalfinale. Was ist da los bei euch?

(Lacht kratzig) Du kannst es vielleicht ein bisschen an meiner Stimme hören. Du weißt ja nicht, wie ich sonst klinge, aber ich habe mich schon am Dienstag heiser gebrüllt. Wir kommen am 24. Mai zu Besuch. Den Pott wollen wir auf jeden Fall mitnehmen. Aber keine Ahnung, was da los ist. Dieser Club macht mich kaputt. 

Meiner aber auch. Ich bin Hertha-Fan.

Die ganz großen Ausreißer nach unten sind euch bisher ja immerhin erspart geblieben. Dieser Durchmarsch in die Dritte Liga, letztes Jahr dann fast in die Regionalliga – du weißt einfach nicht, was du davon halten sollst. Es lässt einen einfach nicht los. Aber es ist krass. Ich hätte wirklich nicht damit gerechnet, dass sie die so weghauen. Und zwar völlig verdient – innerhalb von 90 Minuten. Wir hatten keine Chance und haben sie genutzt.

Fünf Euro ins Phrasenschwein.

In diesem Fall wahrscheinlich selten so treffend wie da (lacht).

Aber es ist schön, mal mit jemandem zu sprechen, der ein bisschen fußballaffin ist. Ich hatte letztens den Bernie von Godslave. Der wohnt in – Trommelwirbel – Elversberg. Unserem Kryptonit.

Wir könnten gerade auch einfach ein super Interview nur über Fußball führen – und vor allem über das, was passiert, wenn wir gewinnen (lacht). Ich finde es erst mal einfach geil, dass Stuttgart als zweite Mannschaft im Finale steht – und nicht Leipzig. Jetzt wird das einfach eine Riesenparty, egal wie das Spiel ausgeht. Mit den Jungs habe ich richtig Bock zu feiern. Die hätten sich ja am Anfang der Saison selbst nicht träumen lassen, da zu stehen. Besser als die Dosen auf jeden Fall.

Kommen zu Scalpture. Thorsten, ganz ehrlich: Kannst du die Formel „Bolt Thrower aus Ostwestfalen“ überhaupt noch hören? Ich finde ja, ihr seid von den Bolzenwerfern so weit entfernt wie die Venus von der Erde.

Genau, es sind beides Planeten – aber mehr auch nicht (lacht). Bolt Thrower war ein riesiges Ding für mich. Eine der ersten Bands, die mich an extremere Mucke herangeführt haben. Ich feiere sie bis heute – wegen der genialen Musik und der Attitüde, die sie mitbringen. Irgendwie sind das auch immer noch ganz schöne Punks. Aber musikalisch hat das mit uns nicht viel zu tun.

Es ist beides Death Metal, ja, und es geht bei beiden um Kriegsthematik. Reicht das wirklich schon für den Vergleich? Ich glaube, für viele schon, um uns in einen Sack zu stecken. Es ist ja auch irgendwie schmeichelhaft, dass dieser Vergleich überhaupt gezogen wird. Wenn man uns nur so beschreibt und dann sagt: "Ja, das ist genauso wie Bolt Thrower", werden viele Leute enttäuscht sein, wenn sie reinhören, weil sie dann etwas ganz anderes erwarten würden – und das liefern wir nicht, zumindest nicht in der Form, wie man es bei BT erwarten würde.

Glückwunsch: Landkrieg ist bei uns das Album des Monats geworden. Alles erreicht – oder ist das nur ein erster Schritt auf dem Feldzug zur Weltherrschaft?

Ich habe eigentlich schon mit der ersten Platte mehr erreicht, als ich je gedacht hätte – mit dieser Dulli-Truppe von Freunden überhaupt irgendwas auf die Kette zu kriegen (lacht). Von daher ist alles, was seitdem passiert ist, eigentlich sowieso nur Bonus. Und es läuft einfach gut weiter. Die Weltherrschaft hatte ich ursprünglich mal mit Arminia geplant. Klingt vielleicht ein bisschen nach Koketterie, aber wir arbeiten wirklich sehr, sehr akribisch und mit großer Hingabe an unserem Scheiß.

Ich persönlich habe allerdings nie irgendwelche Erwartungen an Karriereschritte mit dieser Band gehabt. Von daher ist für mich wirklich alles, was da reinkommt, ein Bonus an gutem Feedback. Das ist Death Metal. Wenn das Ganze keinen Spaß mehr macht und nur noch Karriere wäre – dann hätte ich definitiv auf ein ganz, ganz lahmes Pferd gesetzt.

Warum ausgerechnet der Dreißigjährige Krieg? Die Antike hätte neben den oft genug vertonten 1. Und 2.Weltkriegs-Schlachten doch auch genug Gewalt, Dreck und Größenwahn zu bieten gehabt…Ich habe ja die Theorie, dass das von einem samstäglichen IKEA-Bummel herrührt. Das ist auch wie Krieg…

Schweden als letzte verbliebene Großmacht auf dem Kontinent in Sachen Möbel. (lacht)

Also, erstmal: Wir haben jetzt zwei Konzeptalben zum Ersten Weltkrieg gemacht – und in der Zeit ist ja wirklich einiges zu dem Thema passiert. Da gibt’s Kanonenfieber oder 1914, die das Ganze noch viel stärker im Reenactment-Stil aufarbeiten oder darstellen. Aber das war nie so richtig unser Ding. Wir wollten nie so eine Erste-Weltkriegs-Band sein. Deshalb war es uns erstmal wichtig zu sagen: Ich glaube, wir haben dazu jetzt alles gesagt – und aktuell wird ohnehin mehr als genug über das Thema gesprochen. Also dachten wir uns: Lass uns doch mal einen Konflikt nehmen, der noch nicht völlig durchgenudelt wurde. Der Zweite Weltkrieg bietet sich da... eher weniger an.

Auch die Antike hatte ich immer irgendwie als „schon zu oft durchkomponiert“ abgespeichert – mit all den Mythen und Gestalten, die da ständig mit durch den Hallraum reiten. Aber der Dreißigjährige Krieg? Krasses Teil. Ich hab den im Geschichtsstudium immer mal wieder gestreift – und auch in späteren Epochen tauchten ständig Referenzen auf, warum der eigentlich so verdammt wichtig war. Und trotzdem: Weder in der Geschichtsschreibung noch in der Erinnerungskultur – und schon gar nicht im Death Metal – ist der bislang besonders präsent gewesen. Dabei war das so eine wahnsinnig brutale, zerrissene Zeit. Eher eine Kette aus absurden Konflikten als ein klar definierter Krieg.

Ich hatte durch das Studium also schon ein bisschen Zugang zum Thema. Irgendwie lag der Krieg bei mir buchstäblich „oben auf“ – in den Büchern, die hier so rumstehen. Ich wollte mich eh damit auseinandersetzen – und dachte mir: Warum nicht das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden?

Eure Texte sind detailreich wie eine historische Dissertation und zugleich musikalisch ein Faustschlag. Wie viel Geschichtsstudium steckt wirklich in SCALPTURE – und wie oft fluchst du beim Korrekturlesen auf alte Quellen?

Also es steckt tatsächlich eine Menge Geschichtsstudium in der Band. Ich glaube, sogar mehr, als man vielleicht aus den Lyrics herausliest – weil das Ganze dort ja stark reduziert ist. Manchmal habe ich das Gefühl, da steckte ein ganzes Kapitel drin, das dann in ein oder zwei Zeilen gepresst wurde. Mehr Platz war da schlicht nicht – weder thematisch noch textlich. Und manchmal gibt die englische Sprache auch einfach nicht mehr her, gerade wenn sich das Ganze auch noch reimen soll.

Und ich glaube, wenn man sich so einem Thema widmet und das dann auch noch so kunstvoll vertont – dann ist das schon bemerkenswert. Es bleibt immer noch Krieg. Es bleibt immer noch eine ernste Angelegenheit. Es bleibt immer noch grausam – für die, die es erlebt haben, erleben mussten oder leider immer noch erleben werden. Und dieses Thema ernst zu nehmen und mit der gebotenen Wertschätzung anzugehen – also im Sinne von: dem Ganzen auch wirklich die nötige Ernsthaftigkeit zuzugestehen – da steckt schon eine ganze Menge drin. Gleichzeitig soll natürlich auch die Musik selbst gewürdigt werden. Und Death Metal ist eben mehr als nur ein vertontes Geschichtsbuch. Es soll, wie du sagst, schon ordentlich auf die Fresse geben – aber eben mit Würde. Wir wollen beides miteinander verbinden: Wucht und Haltung.

Und je mehr Wissen man sich dazu aneignet, desto sensibler kann man mit dem Thema umgehen. Zumindest ist das unser Anspruch. Gerade beim Dreißigjährigen Krieg ist das allerdings nicht ganz so leicht – da ist die Quellenlage einfach deutlich dünner als etwa beim Ersten Weltkrieg. Weniger Material, weniger greifbare Infos. Und alte Quellen – ich hab ja Geschichte studiert – ich mag die ja. Ich find das cool. Ich fluche da nicht drüber. Ich würde mir manchmal einfach wünschen, noch mehr Zugang zu haben, zu noch mehr Material. Aber gut, dass es überhaupt noch etwas gibt – und schön, dass man zumindest ein bisschen davon nutzen kann.

Ich will mal ein wenig tiefer in Eure Lyrics und die Geschichten dahinter eintauchen.  Der Song …Into Catastrophe fühlt sich an wie ein musikalisches Protokoll des Prager Fenstersturzes, der quasi als Auslöser des 30jährigen Krieges gilt. Hattet ihr beim Schreiben eine Timeline an der Wand?

Also für die Lyrics bin hauptsächlich ich verantwortlich. Bei der Musik ist es mir aber auch ein Anliegen mitzureden – erstens, weil es mir einfach wahnsinnig Spaß macht, und zweitens, weil ich musikalisch sonst nichts zur Band beitrage. Also an den Instrumenten zumindest nicht – außer mit Kommentaren wie: „Gefällt mir“, oder eben: „Gefällt mir nicht so gut“ (lacht).

Wir gehen bei der Reihenfolge schon recht chronologisch vor – mit ein paar Ausnahmen: Songs, die thematisch quasi überall im Album auftauchen könnten. Zum Beispiel Landsknecht – der bezieht sich nicht auf ein konkretes Ereignis. Allein schon dieser symbolische Fenstersturz und das, was er ausgelöst hat – auch historisch gesehen – ist einfach ein großartiger Auftakt fürs Album.

Dann haben wir dieses musikalische Intro, The Fall, das sich hervorragend als Übergang eignet – auch wieder symbolisch. Die Musik fließt quasi von The Fall direkt in den ersten richtigen Song: Into Catastrophe. Und genauso wollten wir es auch – das Album beginnt mit diesem historischen Ereignis, das im wahrsten Sinne des Wortes etwas ins Rollen gebracht hat.

Wir haben uns gesagt: Wenn wir aus diesem akustischen Intro rauskommen – schön ruhig, Instrumental, Akustikgitarre – dann muss der nächste Song auch wirklich Fall into Catastrophe heißen. Und nicht Fall auf Daumen, Bett und Federkissen (lacht). Der muss reintreten. Der muss nach vorne peitschen. Da soll ein Sturm losbrechen! Und das war schon sehr bewusst so geplant – genauso wollten wir das Album eröffnen.

In Til Jeret Undergang singt ihr auf Deutsch, Englisch und Schwedisch – wie viel Sprachbegabung steckt hinter diesem Kracher, und wer hat da die Aussprache trainiert?

Also Til Jeret Undergang ist Dänisch.

Auweia…sorry dafür.

Kein Problem. Wir haben ja auch Den Mörka Nattens Lejon, das schwedische Ding – und Schwedisch habe ich tatsächlich ein bisschen gelernt, weil ich da mal eine Weile studiert habe. Da habe ich etwas mehr Bezug zu, zu Dänisch dann eher nur, weil es eben ähnlich klingt wie Schwedisch – aber sonst wirklich gar nicht.

Aber es heißt halt, also sinngemäß „in deinen Untergang“, und wenn’s dann um die Beteiligung Dänemarks geht – die sich in diesen Konflikt einmischten, auf protestantischer Seite die Führung übernehmen wollten – dann eben unter Christian, dem damaligen König von Dänemark, der dann auch wirklich mit Karacho in den Untergang rauscht. Und sein Königreich gleich mit. Danach spielt er im weiteren Verlauf des Krieges eigentlich keine Rolle mehr – abgemeldet, Game over. Also nenn’s halt Til Jeret – „Into Your Downfall“ oder „Bis zu deinem Untergang“ – oder einfach Til Jeret Untergang, was irgendwie am flüssigsten, am geilsten klingt. Und wenn’s dann eben um Dänemark geht, dann nennen wir Dänemark auch Dänemark.

Die Sprachbegabung dahinter? Naja, ich kann das Internet ziemlich gut bedienen (lacht). Also der Fairness halber: Da hilft natürlich ein Google-Übersetzer, wenn man’s genau wissen will. Ich hab aber trotzdem noch mal Rücksprache gehalten, ob das wirklich Sinn ergibt. In Schweden – also bei den Mörkern – konnte ich ein paar Freunde bemühen und sagen: Ey, für mich klingt das sinnvoll, aber ist das auch wirklich korrekt? Ich probiere da schon, mich rückzuversichern, dass ich keinen kompletten Schwachsinn-Scheiß erzähle.

Und genau deshalb ist im Chorus auch nur ein bisschen Dänisch drin – für mehr reicht’s dann wirklich nicht. Und ja, Englisch: einfach oft genug gesprochen. Oft genug gehört. Ich finde, das ist eine tolle Sprache – und ehrlich gesagt die Einzige, die ich wirklich flüssig beherrsche.

Deswegen hab ich mir irgendwann vorgenommen, mir das wenigstens halbwegs „native“ draufzuschaffen – wenn ich schon keine andere Sprache so richtig kann. Und naja... Deutsch sollte eigentlich gelernt worden sein (lacht).

Landsknecht klingt wie der Soundtrack zur Fußnote im Geschichtsbuch, in der steht: „Und dann marschierten sie los und alles ging den Bach runter.“ Macht es eigentlich Spaß, solche Refrains zu solch ernsten Themen schreien?

Ja, weil Dinge, die einen irgendwie bewegen, rauszubrüllen, einfach hilft. Vielleicht klingt das erstmal ein bisschen seltsam, ich weiß nicht, ob das jeder so nachvollziehen kann – aber wenn man sich intensiver mit diesen Themen beschäftigt, entsteht nach und nach ein plastisches Bild dieser Zeit. Man taucht immer tiefer ein, und das bewegt einen. Ganz besonders ging mir das so bei den Alben über den Ersten Weltkrieg – da musste ich teilweise wirklich aufpassen, nicht zu emotional zu werden. Aber genau das meine ich auch mit Wertschätzung. Wenn man das Ganze verpackt – und dabei ehrlich auch die Emotionen mit einbringt, die beim Schreiben entstanden sind – und diese Gefühle dann live auf der Bühne rausbrüllt, dann hat das einfach mit der Ernsthaftigkeit zu tun, die wir diesem ganzen Projekt mitgeben wollen. Insofern: Ja, es macht Spaß – aber es ist auch wirklich ernst gemeint.

Wallenstein ist mehr Charakterstudie als Lied – ein regelrechtes Psychogramm in Moll. Was fasziniert dich so an dieser schillernden Figur?

Ich weiß gar nicht, ob ich unbedingt fasziniert bin – oder vielleicht doch einfach nur ein bisschen angepisst. Ich bin selbst überhaupt kein Geschäftsmann und finde Leute immer merkwürdig, die so ticken – erst recht, wenn sie dabei mit Menschenleben spielen und im Krieg einen blühenden Wirtschaftszweig sehen. Ich glaube, es ist eher diese Rolle, die er in diesem Konflikt gespielt hat – eine Rolle, die man schlicht nicht wegdiskutieren kann. Eine Rolle, die ohne Zweifel bedeutsam war.

Ich bin kein großer Fan von diesem Fokus auf die „großen Männer“ – in Anführungszeichen –, aber in diesem Fall liefert er eben jede Menge Stoff. Und er spielt nun mal eine tragende Rolle, zumindest in einer Phase des Konflikts, und prägt diesen wie wahrscheinlich keine andere Figur. Und genau darum geht’s: bloß keine Heldengeschichte schreiben! Da hat es sich geradezu angeboten, ihn mal etwas kritischer unter die Lupe zu nehmen, ihm ein bisschen auf den Zahn zu fühlen – und das Ganze mit Lyrik zu verweben.

Dieses Psychogramm, das du erwähnt hast, basiert ja stark auf seiner angeblichen Leidenschaft für Sterndeutung und Horoskope. Er hat sich wohl selbst gleich mehrere erstellen lassen – und die trug er angeblich stets bei sich. Das wiederum öffnet natürlich das Tor zum Universum weit auf – zu allen Begriffen, die man aus dem Kosmos ziehen kann – und erlaubt es, sie auf diese eine Person zurückzubeziehen.

Darum geht es im Grunde. Und es endet ja auch damit, dass er schließlich – auf Befehl seines eigenen Herrschers – gelyncht wird. Ein Moment, in dem er sich gewissermaßen selbst verzehrt hat im Feuer dieses Krieges.

Also: Fasziniert bin ich von ihm als Person eher weniger – aber von der Thematik an sich schon. Es ist einfach erschreckend faszinierend, welchen Einfluss eine einzelne Figur entfalten kann.

Schwedentrunk ist vermutlich der erste Death-Metal-Song, der einem beim Hören den Magen umdreht. Der Urin-Smoothie an sich ist ja auch schon eine harte Nummer…Vielleicht auch eine neue Merch Idee?

Ja, nicht schlecht. Wir könnten so ein bisschen so ein Funshirt draus machen – so eine Seite wie von Chefkoch.de. Gute Idee (lacht). Aber wie sind wir da drauf gestoßen? Bei den Recherchen, da geht es ja – bei aller Grausamkeit – auch irgendwie ums Entdecken. Dieser Krieg, oder besser gesagt: das Inferno, das er mit sich brachte, beinhaltete in einem Kapitel des Buchs auch das Thema Folter.

Nicht nur da, aber gerade im Dreißigjährigen Krieg zeigen Menschen ja mal wieder eine schaurige Kreativität, wenn es darum geht, anderen möglichst nachhaltig weh zu tun. Und da kommt dann auch wieder dieses Death-Metal-Ding ins Spiel. Was für ein geiler Titel das einfach ist. Und was für ein schmissiger Begriff! Der bleibt hängen. „Schwedentrunk“ – das klingt fast wie eine neue Craftbeer-Sorte. Oder wie Aquavit. Oder irgendein anderer nordischer Brand, der einem heimlich das Leben zur Hölle macht. Wodka! Klingt erstmal harmlos – ist es dann aber natürlich nicht. Und genau mit dieser Idee haben wir gespielt.

Gerade bei diesem Song musste einfach etwas richtig Brutales her. Meistens steht bei uns ja die Musik zuerst, und ich muss dann ein bisschen assoziieren: Was passt dazu? Welches Thema könnte man dem musikalischen Wahnsinn unterlegen? Und das klang in der Rohfassung schon wie ein ziemlich stumpfer Foltersong. Da war das Thema quasi gesetzt. War auch so ein bisschen: „Das wollten wir sowieso noch unterbringen.“

Wir brauchten noch einen Song, der so ein bisschen die Rolle des Lückenfüllers übernimmt – aber nicht im Sinne von: „Ach, wir müssen das Album noch strecken“, sondern eher: Wir brauchen ein paar Tracks, die man flexibel verschieben kann. „Into Catastrophe“ zum Beispiel muss einfach das Album eröffnen. Du kannst „Wallenstein“ nicht ans Ende packen – der stirbt ja irgendwann mitten im Krieg. Davor passiert was, danach kommt noch einiges. Genauso ist es mit „Mörker“. „Landsknecht“ ist auch so ein Song, den man ein bisschen schieben kann. Und „Schwedentrunk“ eben auch. Der hat keine feste Position auf dem Album – der ist wie ein Joker.

Und dann ergab sich das irgendwie: Wenn’s schon um eine Foltermethode geht, warum schreiben wir den Song dann nicht wie eine Art Anleitung? Wie ein Rezept. So nach dem Motto: Cocktail mischen mit ganz viel Wahnsinn. Weil genau das war es ja im Grunde – ein mörderischer Mix. Und dann macht’s – so zynisch das auch klingt – eben auch wieder Spaß, mit Lyrics zu spielen. Mit Sprache zu jonglieren, mit der Absurdität solcher Themen. Sich dem Ganzen auf eine gewisse künstlerische, fast schon stilvolle Weise zu nähern.

Aber dennoch verzichten Deine Texte auf Pathos und Kriegsverherrlichung. Stattdessen zeigen sie den ganzen Schrecken und Wahnsinn. Wie schwer ist dieser Spagat – und wie vermeidet man die Klischeefalle?

Ja, du hast es ja eben schon gesagt – durch intensiveres Recherchieren. Und natürlich auch durch mein Studium, denn das schult einen einfach dafür. Ich habe mich viel damit beschäftigt, Geschichtsmythen zu entlarven. Da fange ich jetzt sicher nicht bei den Lyrics wieder damit an, Mythen neu zu spinnen oder sie gar zu verstärken. Das ist nicht die Absicht – und ich hoffe wirklich, dass das auch rüberkommt. Cool, wenn du das bemerkst und wertschätzt! Dieses Wachsein, dieses Sich-reinlesen-Wollen, das Bestmögliche tun, um eben nicht Krieg zu verherrlichen oder irgendwelche Heldensagen runterzuschreiben, die nie gestimmt haben – genau darum geht’s mir.

Und ja, die großen Männer als das zu entlarven, was sie oft waren: ganz normale Menschen mit einem ziemlich ungesunden Maß an Macht. Was selten cool ist. Wir sehen es doch gerade täglich in den Nachrichten – wir werden geradezu bombardiert mit Bildern, die zeigen, wie schrecklich Krieg ist. Und was er auslöst. Bei denen, die es am wenigsten verdient haben: den ganz normalen Menschen, die das alles ertragen müssen.

Ich würde mich wirklich mies fühlen, wenn jemand unsere Mucke hört und denkt: „Boah geil, Krieg!“ – nee danke. Deshalb macht es auch so viel Spaß, das auf der Bühne rauszubrüllen. Manchmal ziemlich stumpf, zugegeben – aber es ist trotzdem ein Brüllen gegen diesen Wahnsinn.

Gemastert wurde das Album von Lawrence Mackrory – bekannt für seinen kompromisslosen Sound. Wie lief die Zusammenarbeit? Ich mag den Kerl ja auch sehr als Frontmann von F.K.Ü. und seine Produktionen sind ebenfalls grandios…

Die Zusammenarbeit läuft meistens zwischen Felix und ihm, beziehungsweise zwischen Marco und ihm. Marco ist unser Studioman – mit ihm haben wir diesmal das Album produziert und gemischt. Der hat übrigens auch schon „Die Eisenzeit“ gemacht – und jetzt wieder „Landkrieg“.

Seit „Die Eisenzeit“ haben wir uns eigentlich angewöhnt, alle Alben nach dem Mixing nochmal zu Lawrence zu schicken. Einfach, weil wir das Gefühl hatten: Es ist ziemlich cool, wenn nach dem ganzen Aufnehmen und Rummischen nochmal jemand mit frischen Ohren drüberschaut (lacht). Jemand, der eben nicht seit zwei Jahren mit dem Kopf im eigenen Arsch diese Songs in Endlosschleife hört. Wir sind irgendwann einfach betriebsblind. Und da tut’s verdammt gut, wenn da jemand kommt, sich das anhört und sagt: „Okay, ich geb dem Ganzen jetzt noch ’ne Note – so den finalen Schliff im Mastering.“ Das hat sich dann mit Lawrence ergeben. Über Social Media sind wir auf ihn gestoßen und dachten: Schreiben wir den mal an – der scheint zu wissen, was er tut.

Die Referenzen, die er damals schon hatte, haben super zu uns gepasst. Wir dachten uns: Genau das brauchen wir. Genau das wollen wir. Jemand mit diesem speziellen Ohr. Und dann hat sich alles online ergeben – viel geschrieben, viel hin und her. Das hat bei uns hauptsächlich Felix übernommen. Und seitdem lief die Zusammenarbeit so rund, dass es inzwischen fast schon selbstverständlich ist, dass wir’s genauso wieder machen. Wir waren jedes Mal happy mit dem Ergebnis – warum also etwas ändern, das funktioniert?

Das Artwork von Eliran Kantor wirkt wie ein Gemälde aus dem Albtraum eines Barockmalers. Gab es das schon oder hat er es extra für Euch gezeichnet?

Ich behaupte jetzt einfach mal, er hat es für uns gemalt beziehungsweise gestaltet. Wahrscheinlich würde der echte Kunstkenner jetzt sagen: „Gezeichnet? Das macht man doch mit Bleistift oder was weiß ich!“ Keine Ahnung – mir doch egal (lacht).

Es war im Prinzip ein Auftragscover. Der Typ malt unfassbar geile Sachen und hat dabei einen Stil, der nicht nur eigenständig, sondern auch extrem facettenreich ist. Ganz genauso übrigens wie schon das Vorgänger-Artwork zu Feldwärts. Auch das war ein Auftragswerk – und es hat einfach wahnsinnig gut funktioniert. Wir waren so happy mit dem Ergebnis, dass sofort klar war: Das machen wir wieder! Klar, kostet dann auch was – und günstiger wird's dadurch nicht. Aber ey, muss halt sein.

Wir wollten das so, weil es mit Akribie gemacht sein soll. Weil es an jeder Stelle Wertschätzung verdient – für das, was wir da auf die Beine stellen. Und dann wird eben nicht irgendwo gespart oder irgendeine Abkürzung genommen. Punkt.

Ihr habt mit SCALPTURE eine sehr eigene Nische gefunden – historisch, brutal, reflektiert. Gibt es trotzdem noch Themen oder Epochen, die euch reizen würden – oder bleibt ihr bei Kanonen und Katastrophen?

Ja, wir bleiben bei Kanonen und Katastrophen. Ich glaube, das liegt vor allem daran, dass ich bislang der Einzige in der Band bin, der wirklich Lust hatte, Lyrics zu schreiben. Und ehrlich gesagt kann ich mir aktuell auch keine anderen Themen vorstellen – da bin ich thematisch wohl schon ziemlich festgelegt. Aber ich habe auch nicht das Gefühl, zu diesem Thema bereits alles gesagt zu haben – ganz im Gegenteil. Dafür ist meine Begeisterung für Geschichte einfach zu groß. Dafür gibt es noch viel zu viele unvertonte Geschichten. Und es gibt einige Epochen, die uns reizen.

Neben dem Bauernkrieg, den du ja bereits angesprochen hast, könnte ich mir gut vorstellen, ein Stück weiter in die Zukunft zu marschieren – also in die jüngere Vergangenheit. Beispielsweise den Deutsch-Französischen Krieg im 19. Jahrhundert näher zu beleuchten. Auch die napoleonischen Kriege sind ein faszinierendes Pulverfass. Und dann wäre da noch der Siebenjährige Krieg – auch ein echter Geheimtipp in Sachen Vertonung. Solche Themen sind im Metal bislang weitgehend unbespielt, zumindest weitgehend unbesungen. Dabei hätten sie es allemal verdient, sich ihrer anzunehmen – kritisch, laut und mit ordentlich Wumms.

Dann kannst Du ja bei Deinem Besuch in Berlin zum DFB Pokalfinale mal zur Siegessäule…

Da hängen ja die napoleonischen Kanonen– später dann ergänzt durch die aus dem Deutsch-Französischen Krieg. In Berlin war ich eigentlich fast immer nur beim guten Freund zu Besuch, wo die Couch ohnehin schon fest reserviert war. Leider habe ich dort historisch bisher viel zu wenig abgegrast – und auch das, was Berlin an Erinnerungskultur zu bieten hat, ist sträflich an mir vorbeigegangen. Viel zu oft war ich schlichtweg nur zum Feiern da. Die Wiese der Geschichte ist also noch ziemlich unberührt – da muss ich definitiv noch mal drübergrasen (lacht).




FESTIVAL TIPS



SOCIAL MEDIA

Album der Woche

Album des Monats

Album des Jahres

MERCH

70.000 Tons 2024

The new breed

GROTESQUE GLORY

mottenkiste

P P P

ZO SONGCHECK

V.I.P.

wo wir sind

alter Z.O.F.F.

Unsere Partner

Join the Army

Damit das klar ist