BENGAL TIGERS – Cry Havoc (2025)
(9.735) Olaf (8,3/10) Heavy Metal

Label: Iron Shield Records
VÖ: 01.08.2025
Stil: Heavy Metal
In Australien kann dich fast jede Tierart umbringen – und ich bin mir sicher, dass selbst die niedlich grinsenden Quokkas bei Gelegenheit zum Aderlass ansetzen würden. Bengalische Tiger jedoch? Im Outback? Fehlanzeige. Dafür aber in der Plattensammlung, denn mit BENGAL TIGERS meldet sich die vermutlich langlebigste Teilzeit-Heavy-Metal-Band des roten Kontinents zurück – nach lässigen 27 Jahren Studioabstinenz.
Gegründet wurden BENGAL TIGERS 1979 in Melbourne – also noch bevor die meisten heutigen Retro-Metal-Hipster das Licht der Welt erblickt haben. Nach einer EP (1982), einem Samplerbeitrag und dem erst 1998 erschienenen Debüt Metal Fetish war lange Zeit Funkstille. Jetzt hat der gute Thomas Dargel – in Sammlerkreisen liebevoll „Duck“ genannt – mal wieder einen Schatz ausgebuddelt, poliert und servierfertig aufbereitet. Das Ergebnis trägt den kampferprobten Titel Cry Havoc – ein Schlachtruf aus Shakespeares Julius Caesar, der hier wie die Faust aufs lederbehangene Auge passt.
Was uns auf Cry Havoc erwartet, ist nichts weniger als eine Zeitreise in die glorreichen Tage von NWOBHM – aber mit australischem Akzent. Das klingt stark nach SAXON zur Strong Arm of the Law- und Denim and Leather-Phase, mit der Portion Rock’n’Roll, wie sie auch in den frühen 80ern von Heavy Load, Quartz oder Battleaxe serviert wurde. Nur eben nicht aus Sheffield, sondern aus dem Schoß der südlichen Hemisphäre.
Frontmann Gordon Heald klingt wie der kleine, leicht rotzige Bruder von Biff Byford, der vielleicht nie so viele Roadies hatte, aber mindestens genauso viele Kneipenbühnen auseinandergerissen hat. Seine Stimme hat diese ehrliche, schnörkellose Kraft – etwas angeraut, aber stets melodisch genug, um nicht in der Pub-Corner unterzugehen. Und in den Texten wird auch nicht lange gefackelt: "Tear you to shreds“ heißt es gleich zum Einstieg, bevor wir den Sturm reiten und von der Macht ergriffen werden.

Taken by Force hingegen überrascht mit einem düsteren Riff, das fast doomige Ausmaße annimmt – und mit seiner getragenen Atmosphäre für Gänsehaut sorgt. Wer hier Candlemass oder Cirith Ungol assoziiert, liegt nicht ganz daneben. Danach bricht Pounding Energy die tonnenschwere Stimmung mit stampfendem Uptempo wieder auf – eine Wellenbewegung, die das Album durchzieht und angenehm abwechslungsreich gestaltet.
Der Song Diamonds & Rust ist übrigens keine Judas Priest-Coverversion, sondern ein eigener Song – und ein verdammt starker dazu. Es ist ohnehin eine der positiven Aspekte des Albums, sich nicht in stilistischer Vielfalt zu verlieren, sondern die Spielarten klassischen Heavy Metals souverän auszureizen – mit viel Charme und Schweiß.
Die Produktion ist erfreulich natürlich gehalten – kein überproduzierter Hochglanz, aber auch kein rumpeliger Keller-Sound. Die Gitarren klingen fett, das Schlagzeug wuchtig, der Bass knurrt – und alles atmet diese organische Wärme, die mancher Neoproduktion komplett abgeht. Das Artwork – stilecht mit dem ausbrechenden, namensgebenden Tiger – passt wie das Nietenarmband zur Jeansjacke. Mit einem solchen Album im Gepäck gehören BENGAL TIGERS dringend auf die Bühnen von Keep it True, Headbangers Open Air oder den Metalheadz-Club in der nächstgelegenen Kellerkneipe. Cry Havoc schreit förmlich danach, live dargeboten zu werden – mit Bierdunst, Nackenschmerzen und dem glorreichen Gefühl, dass die alten Götter des Metals noch lange nicht tot sind.
BENGAL TIGERS liefern mit Cry Havoc ein ehrliches, kraftvolles und erstaunlich frisches Album ab, das sich vor den Größen des Genres nicht verstecken muss. Es mag 27 Jahre gedauert haben – aber was lange währt, wird endlich laut. Hier gibt’s keinen modischen Schnickschnack, sondern puren Heavy Metal zum Fäusterecken, Luftgitarrespielen und Headbangen. Die Tiger mögen alt sein, aber sie brüllen wie in ihren besten Jahren – und haben sich ihren Platz in der Nahrungskette redlich zurückerobert. Vielleicht nicht als Arbeitstiere, aber definitiv als Alpha-Rocker.
Anspieltips
🔥Cry Havoc
💀Under the Tower
🎸Diamonds & Rust
Bewertung: 8,3 von 10 Punkten
TRACKLIST
01. Tear you to shreds
02. Penetrator
03. Cry Havoc
04. Under the Tower
05. Machine
06. Riding the Storm
07. Heartbreak in Belgium
08. Diamonds & Rust
09. Taken by Force
10. Pounding Energy