ALPHA DESTROYER – Fast Lane (2025)
(9.861) Olaf (7,8/10) Heavy Metal

Label: Necromantic Press Records
VÖ: 15.10.2025
Stil: Thrash Metal
Ich mag Bands, die nicht erst den heiligen Gral suchen, bevor sie loslegen, sondern den Motor anwerfen, die Kupplung kommen lassen und schauen, wie viel Gummi die Straße schluckt. ALPHA DESTROYER sind so eine Truppe: 2022 aus dem Dunstkreis von Sleepless heraus geboren, in Portland verschraubt, auf hoher See vernetzt – zweimal Monsters of Rock Cruise, zweimal die richtigen Begegnungen. Gitarrist Eric Sexton-Dorsett brauchte nach dem Sleepless-Debüt eine andere Spielwiese und schrieb groovige, bewusst kantige Riff-Skizzen, irgendwo zwischen Hochoktan-Rock und kontrolliertem Wahnsinn. Drummer Ryan McPhaill nagelte die Takes trocken auf die Eins, Kelly LeMieux (u. a. Goldfinger, Buckcherry) legte diese großen, selbstbewussten Basslinien darüber, Kevin Hahn packte die zweite Gitarre aus – und dann passierte der Glücksfall: Martin Sweet (Crashdïet) meldete sich nicht nur mit Leads, sondern direkt mit Vocals. Aus einer geplanten EP wurde im Fluss der Ideen das Debüt „Fast Lane“ mit zehn Stücken und der klaren Botschaft: „This isn’t a band. It’s a warning.“ Drohgebärden hin oder her – am Ende zählt, ob’s knallt.
Tut es – allerdings anders, als es der martialische Projektname vermuten lässt. ALPHA DESTROYER grooven sich nicht kopflos durch die Leitplanken, sondern ziehen die Spur präzise: fetter, transparenter Sound, ordentlich Wumms, keine Angst vor Melodie. Das fühlt sich an, als hätte eine sleazige Achtziger-Gang mal kurz in Thrash-Gefilden geschnuppert und gemerkt: „Hey, der Staub steht uns.“ Die Gitarren sind rau, aber nie schrabbelig; die Drums drücken, ohne zu quetschen; der Bass ist nicht nur Tiefton-Zement, sondern treibt mit Charakter. Dazu Martin Sweets Stimme: kräftig, markant, aber mit genug Melodie, um Refrains wirklich zu verankern. Wer das Autoradio aufzieht, wird merken: Dieses Album ist gebaut für Asphalt.
Der Einstieg mit Straight into the Grind macht die Stoßrichtung klar. Ein Riff, das sich wie ein Schaltknauf in der Handfläche festsetzt, Strophen auf Kante, ein Refrain, der größer klingt als die Minuten davor. Man hört, warum genau dieser Track das Klangprofil mitdefiniert hat: Sweet singt breit, aber nicht überkandidelt, die Gitarren bleiben kantig, und das rhythmische Grundgerüst lässt den Groove atmen. Masterplan nimmt diesen Puls auf, kippt aber eine Prise Paranoia in die Harmonien – nicht überkandidelt dissonant, eher subtil verschoben, so wie man’s in Erics „anderen“ Einflüssen herauslesen kann: Ordnung trifft Unruhe, aber es bleibt songdienlich. Lobotomized spielt dann stärker mit dieser Spannung: Die Hook sitzt, im Unterbau knarzt es bewusst, als hätte jemand im Mix die Tapete eingerissen, damit die Backsteine sehen können, was draußen los ist.
Die Titelnummer Fast Lane ist der natürlichste Single-Kandidat: punkige Kurzschlussenergie, Ramones-Gefühl in der Körpersprache, doch statt Zeitlupen-Dreiakkorderei gibt’s straff gezurrte Riffs und einen Refrain, der „persönlichen Druck“ melodisch ausbuchstabiert, ohne ins Jammern zu rutschen. Genau hier wird der Charakter des Albums greifbar: Es ist hochoktanig, aber nicht verkrampft; hart, aber nie verholzt; melodisch, aber nicht zuckrig. Und wenn Transmission die Gänge kurz herausnimmt, geht es nicht um Balladen-Kitsch, sondern um Perspektive: Raum, Tiefe, eine Refrainlinie, die die Frontscheibe weit aufzieht. Sweet Dreams From Oblivion wiederum klingt nach Laternenlicht und nassen Straßen – keine Powerballade, sondern diese nocturne, leicht doomige Schwärze, die dem ansonsten sehr direkt getakteten Material wohltut. Manic Messiah und Conspiracy auf der Zielgeraden lassen dann doch nochmal den Nacken sprechen: riffig, kompaktes Songwriting, keine acht Brücken zu viel, dafür kleine Hook-Haken, die beim zweiten Durchlauf kleben bleiben.

Produktion? Rund und satt. Moderne Klarheit ohne Plastik, Punch ohne Kompressionstod. Die Gitarren haben Biss, die Kick bohrt, der Bass darf groß sein, die Vocals sitzen vorn, ohne den Rest anzuschreien. Es ist eine dieser Mischungen, die sofort Lust aufs Fahren machen – egal ob Stadtrand oder Autobahn. Man merkt: Das Team kennt seine Werkzeuge, und die Platte will nicht Vintage simulieren, sondern Gegenwart mit Schulterblick liefern. Dass ab und an kleine Sleaze-Parfumschwaden durch den Mix ziehen, macht’s luftiger; und wenn ein paar punkige „Ramones“-Impulse an der Ecke winken, ist das kein Stilbruch, sondern genau der richtige kleine Tritt gegen die Ordnung.
Natürlich: Das Rad wird hier nicht neu erfunden. Wer revolutionäres Songformat-Jenga sucht, ist falsch abgebogen. „Fast Lane“ ist eher das Auto, das zuverlässig anspringt, kernig klingt und dich mit guter Laune von A nach B schiebt. Manches Motiv kehrt in anderer Jacke wieder, ein, zwei Refrains hätten noch eine Schraube extra vertragen – geschenkt. Denn unterm Strich bleibt: Es groovt, es knallt, es ist fett produziert und macht Spaß. Und ja: gut zum Autofahren. Ist nett? Ist nett. Und oft ist „nett“ genau die Eigenschaft, die Platten wieder auf den Teller bringt, wenn man gar nicht groß nachdenken will, sondern einfach: los.
ALPHA DESTROYER liefern mit „Fast Lane“ ein kerniges Debüt, das aus Sleaze-Attitüde, Groove-Metall und einer Prise Punk ein straßentaugliches Paket schnürt. Keine Überambition, keine verkopfte Theatralik, dafür Druck, Drive und Hooks mit Langzeiteffekt. Perfekt, um dem Alltag die Sonnenblende runterzuprügeln und dem nächsten Straßenschild zuzuzwinkern. Nicht bahnbrechend – aber genau die Art Platte, die man öfter hört, als man vorher dachte.
Bewertung: 7,8 von 10 Punkten
TRACKLIST
01. Straight into the Grind
02. Masterplan
03. Dirt in the Ground
04. Lobotomized
05. Transmission
06. Fast Lane
07. Sweet Dreams from Oblivion
08. Manic Messiah
09. Conspiracy
10. The Prophet