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SOUL GRINDER – Frozen Halls (2025)

(9.849) Olaf (9,0/10) Death Metal


Label: MDD Records
VÖ: 16.10.2025
Stil: Death Metal






Bremen, die Stadt der Stadtmusikanten, hat ein neues Kapitel in Sachen Krach aufgeschlagen: Soul Grinder poltern seit 2018 durch die deutsche Death-Metal-Szene und haben sich vom Geheimtipp in kleinen Clubs zur festen Größe emporgearbeitet. Ich erinnere mich noch, wie ich das Bremer Trio vor ein paar Jahren als Underground-Phänomen kennengelernt habe – damals rohes Talent mit ordentlich Wumms. Inzwischen servieren Soul Grinder ihr drittes Album Frozen Halls, einen schweren Brocken extremen Metals, der mir gleichermaßen das Blut in den Adern gefrieren und das Herz aufgehen lässt. Schon der Vorgänger Anthems From The Abyss (2022) überzeugte und hob die Band auf ein neues Level. Jetzt knüpfen Soul Grinder nahtlos dort an, wo sie aufgehört haben, und legen sogar noch eine Schippe drauf – so viel ist nach ein paar Durchläufen dieser eisigen Hallen klar.

Kompromissloser Death Metal, von Blastbeat-Gewittern über groovige Dampfwalzen bis hin zu mystischen Hymnen – das ist keine leere Promo-Phrase, sondern exakt das, was Frozen Halls bietet. Gleich der Opener Cursed Covenant prescht wieselflink und brutal nach vorne, ein Nackenbrecher erster Güte, der mir ein diabolisches Grinsen ins Gesicht hämmert. So will man Soul Grinder haben: gnadenlos schnell, pechschwarze Growls von Frontmann/Bassist Mathias Junge, und ein Riff-Feuerwerk, das keinen Stein auf dem anderen lässt. Die Produktion drückt dabei voll aufs Trommelfell: Klar und knochentrocken schießt der Sound aus den Boxen, hart und präzise wie ein chirurgischer Schlagbohrer. Drummer Maté “Balrogh” Balogh – der das Album in Eigenregie mitproduziert hat – lässt ein Doublebass-Gewitter nach dem nächsten los, während Gitarrist Steffen Hustert riffs pendelt zwischen schwedischer Old-School-Schule und thrashiger Härte. Schön ist, dass trotz des hohen Tempos der Bass nicht untergeht: Die Saiten wummern satt im Untergrund und verleihen dem Klangbild eine extra Portion Wucht, so als würde unter den Frozen Halls ein Ungeheuer lauern, das jeden Moment ausbrechen will.

Schon die ersten Songs markieren Höhepunkte: Der Titeltrack Frozen Halls startet mit unheilvollen Klangspielereien – man hört einen geradezu sakralen Chor oder Synth-Flächen in der Ferne hallen –, bevor Soul Grinder den Blastbeat-Sturm entfesseln. Dieses Wechselspiel aus atmosphärischer Einleitung und abrupt einsetzendem Geprügel sorgt für einen großartigen Aha-Moment: Hier zeigt die Band, dass sie nicht nur stumpf drauflos prügelt, sondern auch ein Händchen für Dramaturgie hat. Im Mittelteil taucht das eingängige Anfangsthema noch einmal auf, um dann in einen herrlich treibenden D-Beat-Part überzuleiten. Dazu kommen neben Mathias’ gewohnt tiefergelegtem Growl auch ein paar andere vokale Facetten zum Vorschein – man munkelt, im Hintergrund lauern zusätzliche Schreie und gar Dämonengeflüster, die dem Song eine noch dichtere Atmosphäre geben. Das Ergebnis ist eine kleine epische Hymne im Album, die trotz aller Brutalität ins Ohr geht und Lust auf mehr macht.

Direkt im Anschluss legt Malevolent Reality noch eine Schippe Brutalität drauf. Hier bekommt Soul Grinder stimmgewaltige Unterstützung von Tetzel, dem Frontbrüller der Melodic-Deather Asenblut (und praktischerweise Bandkollege von Drummer Balrogh). Der Song deatht sich zunächst unbarmherzig nach vorne – das Eröffnungsriff hat einen Groove, der Fans von Decapitated oder Bolt Thrower direkt abholt – und wechselt dann in einen düster-atmosphärischen Refrain, der fast schon ins Black Metal-hafte abdriftet. Tetzel steuert donnernde Gastvocals bei, die noch eine Extraportion Bösartigkeit einbringen. Ob dieser prominente Gast den Song entscheidend aufwertet, darf jeder selbst beurteilen. Fakt ist: Malevolent Reality funktioniert auch ohne Bonus-Brüller ausgezeichnet, mit eingängigen Rhythmen (man höre diese fast humppa-artigen Strophen, bei denen man trotz Blastbeat irgendwie mitwippen will) und einem organisch eingeflochtenen Gitarrensolo, das dem Track einen überraschend melodischen Höhepunkt beschert. Der Gastbeitrag ist das Sahnehäubchen – nett zu haben und im Metal-Kontext sicherlich ein Gesprächsstoff, aber Soul Grinder hätten die Hütte auch allein abgebrannt.

Über mangelnde Abwechslung kann man sich auf Frozen Halls nicht beklagen. Nachdem die ersten drei Stücke einen furiosen Auftakt bilden, schlagen Soul Grinder zwischendurch auch andere Töne an, ohne jedoch vom eingeschlagenen Pfad abzukommen. Into the Nightmare beispielsweise überrascht mit einer leichten Punk-Schlagseite – hier schimmern plötzlich Death’n’Roll-Vibes durch, die an die dreckige Rock’n’Roll-Attitüde von Entombed erinnern. Der Song groovt etwas gemächlicher, aber mit unwiderstehlichem Schwung; man merkt, dass die Band auch im mittleren Tempo ordentlich Druck erzeugen kann. Direkt im Anschluss bringt Dreaded Fate zunächst mit heroisch anmutenden Gitarrenleads eine Prise Epik ins Spiel, bevor das Stück in eine stampfende Doublebass-Attacke übergeht. Hier regiert überwiegend ein schleppender, doomig wirkender Groove – perfekt, um die Faust im Takt zu recken – unterbrochen von vereinzelten Temposchüben, die einen nicht vergessen lassen, dass Soul Grinder jederzeit wieder zum Killermodus zurückkehren können. Besonders live dürfte dieser Song ein Brecher sein, bei dem Crowds synchron das Haar kreisen lassen.

Auch im weiteren Verlauf halten Soul Grinder den Spannungsbogen weitgehend hoch, gönnen uns aber immer mal wieder kleine atmosphärische Verschnaufpausen im Meer aus Blastbeats. Amorphous Blight rast zunächst in alter Manier los, wartet dann aber mit orchestralen Keyboard-Untermalungen und fast schwelgerischen Leadgitarren auf. Man fühlt sich kurz in einen Horrorfilm-Soundtrack versetzt, bis ein abruptes Break den Nackenwirbeln einen weiteren Stoß versetzt. Hier blitzt die Liebe zum Detail auf: Jeder Song bekommt ein eigenes charakteristisches Element spendiert – sei es ein melodisches Gitarrenlead, ein cleverer Rhythmuswechsel oder eben solche dezent eingestreuten Synth-Teppiche, die für morbide Stimmung sorgen. Cosmic Scourge schließlich zeigt, dass weniger manchmal mehr ist: Der Track kommt über weite Strecken mit einer einzigen, tief grollenden Gesangslage aus und entfaltet im etwas gemäßigten Midtempo genau das richtige Maß an Headbang-Tauglichkeit. Die Gitarren riffen hier griffig und straight, während Bass und Drums einen massiven, moshigen Unterbau liefern. Obwohl das Tempo nicht maximal ist, stellen sich unweigerlich Horror-Gänsehaut und Banger-Laune ein – der Song fühlt sich an wie ein schwerer Marsch durch kosmische Schrecken, passend zum Titel.

Textlich bewegt sich Frozen Halls ohnehin in finsteren Gefilden. Soul Grinder erzählen in ihren Lyrics von namenlosen Monstern und grauenhaften Visionen, ganz im Geiste von H.P. Lovecraft. Dunkelheit, Ängste, Albträume und Tod dominieren die Szenerie – wer beim Hören die Augen schließt, kann förmlich die unheilvollen Kreaturen spüren, die in diesen gefrorenen Hallen lauern. Doch es bleibt nicht bei Fantasy-Horror: Zwischen tentakelbewehrten Ungeheuern spiegeln Soul Grinder auch reale Abgründe wider. Selbstreflexion über das eigene Dasein, die Grausamkeit der menschlichen Natur – solche Themen blitzen in den Texten auf und verleihen dem Splatter noch eine tiefere Ebene. Es ist diese Mischung aus Horror und Existenzangst, die dem Album einen zusätzlichen Reiz gibt. Sogar das Cover-Artwork – ein Ölgemälde des berüchtigten Paolo Girardi – fängt dieses Gefühl ein: Wuchtig, wild und verstörend detailreich, schreit es einen schon im Plattenladen aus der Ferne an, lange bevor die erste Note erklingt.

Die Produktion von Frozen Halls ist ein weiteres Ausrufezeichen. Der Sound kommt wuchtig und dennoch differenziert rüber – keine lärmige Klangsoße, sondern ein sauber austarierter Mix, in dem jedes Instrument seinen Platz behauptet. Besonders die Snare knallt durchdringend wie ein Peitschenhieb durch den Raum, was dem Ganzen eine moderne Note gibt, ohne die rohe Gewalt zu zähmen. Puristen dürften freuen, dass trotz der druckvollen Produktion ein Hauch Dreck und Authentizität erhalten blieb; man hat nie das Gefühl, einer sterilen Computerproduktion zu lauschen. Hier klingt alles handgemacht und organisch – nur eben in zeitgemäß fettem Gewand. Einzig die Bassdrum hätte für meinen Geschmack im Mix eine Winzigkeit lauter sein dürfen, denn was Balrogh an blitzschnellen Kickdrums abfeuert, verdient Aufmerksamkeit. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau.

Insgesamt haben Soul Grinder ihrem Sound noch mehr Facetten abgerungen: Im Vergleich zu den Vorgängern wirkt alles eine Spur detailverliebter und abwechslungsreicher arrangiert. Die Soli etwa klingen herrlich klassisch und melodiös (man höre das grandiose Gitarrensolo in Towards a Silent Grave zum Abschluss), während einige vertrackte Riffs und Tempowechsel sogar dezent Technical-Death- und Black-Metal-Anklänge durchschimmern lassen. An manchen Stellen fühlte ich mich unerwartet an Größen wie Nile oder Melechesh erinnert, wenn plötzlich eine exotisch anmutende Melodielinie oder komplexere Struktur um die Ecke lugt. Diese kleinen Ausflüge bereichern das Album, ohne das Grundgerüst – brachialen Death Metal – aufzubrechen.

Gesanglich bietet Frozen Halls ebenfalls mehr als Standardware. Mathias Junge setzt hauptsächlich auf sein tiefes, vollmundiges Growling, das in der Magengrube dröhnt. Doch scheut man nicht davor zurück, hier und da zusätzliche Stimmschichten aufzutürmen: von kehligen Screams bis zu gequälten Schreien im Hintergrund ist alles dabei, was Albträume vertont. Diese Vielstimmigkeit sorgt für Extra-Würze, auch wenn man argumentieren könnte, dass manchmal weniger mehr gewesen wäre – denn Mathias’ markerschütternder Hauptgesang alleine wäre schon eindrucksvoll genug. Aber sei’s drum: Die brachiale Vokalwand passt zum Gesamtpaket wie die Faust aufs Auge. In The Lurking Death etwa entfalten die Growls und Grunts in den Strophen einen unwiderstehlichen Sog, dem man sich schwer entziehen kann – man erwischt sich fast dabei, mitzugrölen, so mitreißend sind die Phrasierungen. Hier zeigt sich, dass Soul Grinder nicht nur Krach um des Krachs willen machen, sondern ein Gefühl für Hooks besitzen (ja, auch im Death Metal gibt es sowas). Wenn man nach mehreren Durchläufen fiese Refrains im Kopf behält, haben die Jungs alles richtiggemacht.

Unterm Strich markiert Frozen Halls zweifellos einen Meilenstein für Soul Grinder. Die Bremer haben die oft zitierte „dritte Album“-Hürde mit Bravour genommen: Dieses Werk bündelt die Stärken der Vorgänger und erweitert den Sound an genau den richtigen Stellen. Die ersten Songs brennen ein wahres Feuerwerk ab, doch auch danach verstehen es Soul Grinder, die Energie hochzuhalten – selbst wenn im Mittelteil kurzzeitig Routine einzukehren droht, reißt einen spätestens der finale Abschnitt mit seiner Wiederkehr der Härte und den packenden Melodiebögen wieder vom Hocker.

Kurzum: Frozen Halls ist ein durchschlagendes Manifest ihres Stils, brutal und präzise wie eh und je, und doch gespickt mit frischen Ideen. Die Platte eignet sich perfekt zum Dauer-Headbangen, von der ersten Sekunde bis zum letzten Ausklang. Man spürt förmlich die Leidenschaft und Erfahrung, die in jedem Takt steckt – all die Clubshows und Festivalbühnen der letzten Jahre haben diesen Sound geformt wie ein Schmied das glühende Eisen. Soul Grinder klingen anno 2025 so selbstbewusst und hungrig wie nie. Ihr Platz in der deutschen Death-Metal-Landschaft ist damit zementiert (oder eher: in Eis gemeißelt). Und während in diesen gefrorenen Hallen infernalisch musiziert wird, schmilzt das Eis vor lauter Intensität doch ziemlich schnell dahin. Was bleibt, ist ein wohliges Kältegefühl in der Magengrube und die Gewissheit, dass Soul Grinder noch lange nicht am Ende ihrer Reise sind – im Gegenteil, hier beginnt ein neues Kapitel voll frostiger Finsternis und glühender Inspiration.

Anspieltipps
🔥Frozen Halls
💀Malevolent Reality
🎸Into The Nightmare


Bewertung: 9,0 von 10 Punkten


TRACKLIST

01. Cursed Covenant
02. Frozen Halls
03. Malevolent Reality
04. Into the Nightmare
05. Dreaded Fate
06. Amorphous Blight
07. Cosmic Scourge
08. Lurking Death
09. Ominous Retribution
10. Towards a silent Grave 



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