SABATON - Legends (2025)
(9.862) Olaf (1,5/10) Klatschpappen Metal
Label: Better Noise Music
VÖ: 17.10.2025
Stil: Pop Metal
Ich war nie der Typ für Pop mit Brustpanzer und Plastikschwert, aber SABATON schaffen es immer wieder, mir die Kaffeetasse aus der Hand zu vibrieren—nicht, weil die Musik vor Wucht berstet, sondern weil das Pathos wie ein schlecht sitzender Ritterhelm am Kopf kratzt. „SABATON – Legends“ heißt das neue Folianten-Kapitel, und der Titel verspricht Weltgeschichte im Breitwandformat. Bekommen habe ich eine Hochglanz-Streuselkirmes aus Stadionchören, Marschbeats und Refrains, die mit der Subtilität einer Konfettikanone daherkommen. Falun liefert, Falun liefert immer—nur die Nährwerte stehen hinten in winzigen Zahlen drauf.
Historisch erzählen können die Schweden, das will ich ihnen nicht absprechen. Seit den Nullerjahren schnitzen sie aus Kriegen, Köpfen und Kapitulationen drei Minuten Stadionfutter. Auch diesmal: eine Sightseeing-Tour durch die Galerie der Großen—Cäsar, Napoleon, Jeanne d’Arc, Hannibal, Musashi, Vlad und Co. Das Versprechen: „Hymnen, geboren aus Blut, Vermächtnis und unbrechbarem Willen.“ Das Ergebnis: Chart-Pop im Blechgewand, der jede Dorfdisko in Nullkommanix in einen röhrenden Geschichtsunterricht verwandelt—mit „Oho-oho“-Chören für alle Prosecco-Trinker und Becks-Ice-Gourmets dieser Welt. Jawolla! Endlich wieder Pop-Trallala im Metal-Gewand.
Natürlich hat die Band den Pressetext-Zauberstab geschwungen: „mutige Weiterentwicklung des Storytellings“, „globale Reise“, „unerbittlich und ungebunden“—die Stichworte fallen, die Realität bleibt eine andere. Die vermeintliche Neuerung, dass diesmal alle Bandmitglieder im Songwriting mitgemischt haben, hört sich eher nach Bürokratie im Proberaum an als nach künstlerischer Eruption. Der SABATON-Baukasten steht unverrückbar in der Mitte: Achtelgalopp, Tusch, der große Dur-Refrain, ein kurzer Zwischenruf der Gitarren, die Keyboards polstern wie ein federgefülltes Sofa. Fertig ist die Legende vom Reißbrett.
Nehmen wir I, Emperor: Klar, Napoleon ist dankbar—ein Mensch gewordener Plot-Twist mit Selbstkrönung, Feldzug, Hybris, Verbannung. SABATON machen daraus den archetypischen Stadionhymnus: ein Refrain, der mit der Subtilität einer Abrissbirne einmarschiert, und Strophen, die eher erklärbärig als erzählerisch wirken. Waterloo als Brettspiel, die Band würfelt die Geschichte neu und spaziert zum Finale in ein französisiertes Parallel-Universum. Charmant verspielt, ja—aber musikalisch bleibt’s das, was es immer ist: Klebefolie für Geschichtsunterricht to go. Fan-Service first, Musik second.
Crossing the Rubicon trägt den Cäsar mit Marschrhythmus an den Tiber, Maid of Steel hakt Jeanne d’Arc als Power-Meme ab, Impaler macht aus Vlad einen Tiktok-tauglichen Vorwärts-Marsch, Hordes of Khan wuchtet mit Chor und Stampf alles in die Arena, was nicht bei drei am Jurtendach hängt. Hannibal? Ein Chor, ein Tusch, ein „Lightning at the Gates“—und schon steht der Feldherr mit Alpenblick im Refrain. Musashi? The Duelist fegt wie Fechtunterricht im Aerobic-Takt. Der dramaturgische Trick ist immer derselbe: Dramatisieren, polieren, wiederholen. Wer Nuancen sucht—Ironie, Ambivalenz, Reibung—muss zwischen Synth-Flächen und Snare-Gefälle mit der Lupe arbeiten.
Über die Texte reden wir auch: Die Band arbeitet traditionell mit verdichteten biografischen Markern, Claims und Parolen; das funktioniert live, weil der Refrain auf die Tribüne zielt. Aber „Legenden“ sind nicht nur Titel und Taten, sondern Grauzonen, Widersprüche, Brüche. Hier werden Figuren zu Abziehbildern, der Konflikt zu Chorus-Futter, der Zweifel zum Pre-Chorus. Wenn es schon historische Persönlichkeiten sein müssen, dann doch gerne mit Ecken und Kanten. Stattdessen wird Geschichte „gamifiziert“—im Video buchstäblich, im Song formal. Das ist didaktisch effizient, künstlerisch aber so innovativ wie Knorr Fix für Bolognese.
Klanglich hat die Platte natürlich alles, was den Massenstream heute braucht: druckvolle Kick, klinisch geschniegelte Gitarren, Chöre mit Gänsehaut-Algorithmus. Die Hooks sitzen, keine Frage. Doch das Korsett ist enger als je zuvor. Der berühmte SABATON-„Punch“ ist da, die Energie ebenso, aber sie wirkt wie aus dem 3D-Drucker: makellos, porenfrei, unpersönlich. Die „mutige Weiterentwicklung“? Vielleicht im Merch, nicht im Song.
Und jetzt der Elefant im Raum: Während tausende Bands sich seit Jahren im Proberaum abackern, rotieren SABATON im Veröffentlichungs-Karussell, als gäbe es einen Bonuspunkt pro Hymne. Natürlich wird dieses Album neben den Schlagerpiloten oder den Amigos in die Charts krachen und sich dort vermutlich häuslich einrichten—was mich an der Szene zweifeln lässt. Ja, das Ding wird auf jeder Dorfdisko seine Anhänger finden. Und ja, ich finde es erbärmlich, dass der zäheste Klatschpappen-Metal an der Spitze thront, während echte Originale um jede Studio-Stunde kämpfen müssen. SABATON sind Müll! Drastisch formuliert—aber dieses Album gehört zumindest in die Restmüll-Rubrik: sauber getrennt, gut verpackt und bitte den Deckel zu. Immerhin sorgen die Herren in feinster Regelmäßigkeit für Nachschub dort. Nachhaltigkeit, nur anders.
Fairnesshalber: Der Pressetext-Gedanke „Legenden als Spiegel menschlicher Größe und Hybris“ ist nicht schlecht. Daraus ließe sich musikalisch Großes formen—zeitliche Brüche, ungerade Takte, narrative Perspektivwechsel, meinetwegen ein Chor, der nicht alles glattbügelt. Stattdessen wird aus Julius der Jingle, aus Napoleon der Nacken-Refrain, aus Jeanne d’Arc ein instagrammabler Helden-Filter. Die Belanglosigkeit steckt nicht in den Themen, sondern in der Behandlung. „Epic“ ist hier vor allem die Marketing-Silbe.
Am Ende darf man die Zielgruppe nicht verwechseln: Wer jeden Sommer in der Sonne vor der Hauptbühne steht, die Faust in den Himmel reckt und den Refrain lauter singt als die PA, wird selig lächeln. Wer Musik als Kunst und nicht nur als Event versteht, hört unter der Rüstung viel Polyester. Übelster Klatschpappen-Metal für die taube und blinde Masse? Hart, aber nah am Empfinden, wenn man nach Tiefe sucht und im Hallraum landet.
Legends ist der geschliffene, massentaugliche SABATON-Algorithmus in Reinform—geschichtlich korrekt im Wikipedia-Sinne, emotional kalkuliert, musikalisch risikolos. Die Idee, Figuren der Weltgeschichte plastisch zu beleuchten, trägt; die Umsetzung bleibt brave Stadionkost. Dieser Schlonz hat offenbar seine Daseinsberechtigung—die Backpatch-Kolonnen lügen nicht. Ich reiche mir derweil selbst den Kübel und hoffe, dass irgendwo da draußen eine Band gerade einen echten Song schreibt, der nicht nach LED-Lametta klingt.
Bewertung: 1,5 von 10 Punkten
TRACKLIST
01. Templars | Tempelritter
02. Hordes of Khan | Dschingis Khan
03. A Tiger Among Dragons | Lü Bu
04. Crossing the Rubicon | Julius Caesar
05. I, Emperor | Napoleon Bonaparte
06. Maid of Steel | Johanna von Orléans (Jeanne d’Arc)
07. Impaler | Vlad der Pfähler
08. Lightning at the Gates | Hannibal
09. The Duelist | Miyamoto Musashi
10. The Cycle of Songs | Pharaoh Senusret III
11. Till Seger | König Gustav II Adolf von Schweden

