WINGS OF STEEL – Winds of Time (2025)
(9.872) Olaf (7,4/10) Heavy Metal

Label: High Roller Records
VÖ: 17.10.2025
Stil: Heavy Metal
Es gibt Momente, in denen man sich an ein Live-Erlebnis klammert wie an einen guten Whiskey: wärmend, eindringlich, mit langem Nachhall. So ging es mir bei Wings of Steel auf dem Rock Hard Festival 2024. Da standen zwei Jungs auf der Bühne – Leo Unnermark und Parker Halub – und lieferten eine Show ab, die mich, zugegeben, ziemlich umgehauen hat. Energie, Charisma, Stimme, Spielfreude: ein echter Gewinner-Auftritt. Und weil ich mich auf solche Momente verlasse wie andere auf die Lottozahlen, war die Erwartung an das neue Album Winds of Time entsprechend hoch. Nur: die Wette auf den ganz großen Aha-Effekt ging nicht so auf, wie ich gehofft hatte.
Wings of Steel sind keine zusammengecastete Retrowelle aus dem Internet, sondern eine handverlesene Do-it-yourself-Maschine. Sänger Leo und Gitarrist/Bassist Parker lernten sich während des Musikstudiums in Los Angeles kennen, beschlossen, den großen alten Heavy Metal nicht zu kopieren, sondern mit neuer Energie zu füllen, und machten einfach. Erst die selbstbetitelte EP (2022), dann das Album Gates of Twilight (2023) – beides komplett in Eigenregie. 2024 folgte die Liaison mit High Roller Records, ein logischer Schritt für eine Band, die von Anfang an auf handwerkliche Qualität statt Bling-Bling setzte.
Und genau dieses handwerkliche Können ist es, das Winds of Time auszeichnet. Das Ding klingt makellos. Parker zieht an der Gitarre Linien, die irgendwo zwischen Iron Maiden, Rainbow und einem dezent bluesigen Einschlag à la frühen Whitesnake oszillieren. Leos Stimme… mein lieber Scholli. Wer sich zwischen Geoff Tate und Bruce Dickinson positioniert, braucht Selbstbewusstsein. Und das hat der Mann. Sein Organ schneidet durch die Songs wie ein frisch geschärftes Katana durch Butter, kraftvoll, sauber und mit einer erstaunlichen Leichtigkeit. Auch das Schlagzeug von Damien Rainaud, der gleichzeitig für Mix und Master verantwortlich zeichnet, fügt sich nahtlos in den Sound ein. Präzision bis in die Haarspitzen.
Allein: Die Magie des Live-Moments lässt sich nicht eins zu eins auf Platte pressen. Schon der Opener Winds of Time ist ein Statement. Zehn Minuten. Zehn! Wer so einsteigt, hat entweder den Größenwahn gepachtet oder vertraut vollkommen auf seine Songs. Ich tippe auf letzteres – aber der Einstieg bleibt dennoch sperrig. Es dauert, bis sich die Nummer öffnet, und nicht jeder Hörer bringt so viel Geduld mit. Die Intention ist nachvollziehbar: eine Art Ouvertüre, die die Themen des Albums – Macht, Freiheit, Zerfall, Hoffnung – musikalisch und textlich rahmt. Nur der Song selbst will nicht so richtig zünden.

Dieses Spannungsfeld zieht sich durchs ganze Album: fantastische Performance, aber ein eher zäher Erstkontakt. Die Riffs sitzen, die Soli glänzen, der Gesang reißt mit – aber der große, einprägsame Moment, der wie ein Schlag ins Gesicht bleibt, stellt sich zu selten ein. Wo Live noch Adrenalin, Schweiß und Interaktion dazukommen, bleibt auf der Studioproduktion eine Hochglanzoberfläche zurück, die handwerklich perfekt, aber emotional etwas distanziert wirkt.
Ich mag den Mut, den diese Band zeigt. Die DIY-Attitüde, das Kapital, das man offensichtlich in Produktion und Sound steckt, und die Entschlossenheit, es nach vorn zu schaffen. Nur müsste die rohe Power, die Wings of Steel live versprühen, auf Platte noch spürbarer werden. Die Songs sind hervorragend gespielt, aber sie bleiben nicht so hartnäckig hängen, wie sie könnten. Zwischen großem Können und großem Eindruck klafft eine kleine, aber entscheidende Lücke.
Bewertung: 7,4 von 10 Punkten
TRACKLIST
01. Winds of Time
02. Saints and Sinners
03. Crying
04. Burning Sands
05. To Die in Holy War
06. Lights Go Out
07. We Rise
08. Flight of the Eagle