WOMBBATH – Beyond the Abyss (2025)
(9.451) Olaf (9,2/10) Death Metal

Label: Pulverised Records
VÖ: 14.03.2025
Stil: Death Metal
Dass zwischen Agma und Beyond the Abyss vier Jahre vergangen sind, mag zunächst nach einer schöpferischen Pause klingen. Doch bei WOMBBATH heißt das keinesfalls: Füße hoch und Gulasch warmhalten. Im Gegenteil: Die Band ist das, was man in Skandinavien wohl als musikalisches Arbeitstier bezeichnet – mit der Produktivität einer Zahnarztbohrmaschine und dem Output eines Vulkanbruchs.
Ob in HEADS FOR THE DEAD, CONSUMPTION, ROTPIT, REEK oder einem der zwölf anderen Nebenprojekte – Frontmann Jonny Pettersson und Gitarrist Håkan Stuvemark scheinen an mehr Musik zu arbeiten als eine mittelgroße Festivalbühne in einem Jahrzehnt überhaupt spielen kann. Aber: Es gibt nur einen WOMBBATH.
Und dieser kehrt mit Beyond the Abyss nicht nur zurück, sondern mit so viel Selbstbewusstsein, dass selbst alteingesessene Elchtod-Veteranen plötzlich die Ohrenspitzen aufstellen. „Ich glaube, keiner von uns hat wirklich verstanden, wie gut das Album ist – bis wir die finale Version gehört haben“, so Pettersson. Und was folgte, war kein nüchternes Nicken, sondern: „Ein Cowabunga-Moment! Jedes Mal, wenn ich es höre, grinse ich wie ein Idiot und bekomme Schmetterlinge im Bauch. Death Metal Happiness!“
Was bereits bei Agma angedeutet wurde, wird hier vollzogen: WOMBBATH wollen keine Nostalgie-Attraktion auf einem Death-Metal-Volksfest sein, sondern eine Band, die in der Gegenwart lebt – und ihre eigene Vergangenheit weiterdenkt. Das bedeutet: Ja, der typische, tiefe, krustige Sound schwedischer Schule ist da. Die Gitarren röhren wie Motorsägen in einer Krypta. Die Drums klatschen dir ins Gesicht wie ein Gletschersturm. Aber gleichzeitig wirkt alles aufgeräumter, differenzierter.
Die Produktion – verteilt über drei Studios – ist erstaunlich ausgewogen, ohne an Wucht einzubüßen. Petterssons eigenes Studio Unbound sorgt für Druck und Klarheit, Thomas von Wachenfeldts Bowstead Studios bringt Wärme und Tiefe, und Stuvemarks Necrotic Audio Productions gibt dem Ganzen den finalen Anstrich aus Moder, Schmutz und schwarzem Rauch. So klingt Beyond the Abyss wie der feuchte Traum eines Death-Metal-Puristen – nur ohne dessen muffiges Feinrippunterhemd.

Songwriting-technisch ist das Album ein echtes Gemeinschaftswerk: Vier Songs stammen von Håkan, je drei von Jonny und Thomas. Das sorgt für Abwechslung – nicht nur in Tempo und Struktur, sondern auch in Atmosphäre. Da wäre zum Beispiel Words unspoken, der Opener, der sofort klarmacht: Hier wird nicht lange gefackelt. Hier wird niedergewalzt. Gleichzeitig setzt er mit seinem hymnischen Mittelteil ein erstes Zeichen für den epischeren Kurs der Platte. Dann Deep Hunger – langsam, schleppend, düster. Sakrale Klangfarben, geisterhafte Gitarren und die bereits auf Agma eingeführte Geige von Thomas von Wachenfeldt, die mehr ist als bloße Zierde. Sie vertont das Unaussprechliche – ein Sound wie kaltes Mondlicht auf einem offenen Grab.
Und schließlich Beyond the Abyss – der Titelsong, der alles vereint: Düsternis, Raserei, Melodie, Atmosphäre. Brutal, mitreißend, fast schon majestätisch. Das ist kein Song. Das ist ein Monument. Jonny Pettersson beschreibt das Album als „das aggressivste und abgefuckteste, das wir je gemacht haben.“ Kein Widerspruch meinerseits. Aber es ist auch: das stimmigste.
Dass WOMBBATH sich nicht auf Genregrenzen beschränken, zeigt Malevolent – ein Song, in dem plötzlich ein Saxophon auftaucht. Kein Scherz. Kein Gimmick. Kein versoffener Gastmusiker, der irrtümlich ins Studio gestolpert ist. Sondern: Erik Barthold (ROTPIT, LEFT HAND SOLUTION), der auf dem Papier alles falsch macht, aber musikalisch alles richtig. Selbst Stuvemark, der eigentlich kein Fan des Instruments ist, musste zugeben: „Das Saxophon in Malevolent gehört heute zu meinen Lieblingsmomenten auf dem Album.“ Diese Art von Offenheit ist es, die Beyond the Abyss so erfrischend macht: Es ist old school, aber nie altbacken. Es ist böse, aber nie stumpf. Es ist innovativ, ohne den Wurzeln untreu zu werden.
Pettersson sagt: „Mit diesem Album wollten wir die progressiven Elemente ausbauen, die wir mit Agma begonnen haben – gleichzeitig sollte es unser oldschooligstes Album seit den frühen Tagen werden.“ Diese scheinbare Paradoxie wird zum Konzept: Beyond the Abyss klingt wie eine Rückkehr – aber in die Zukunft. Es vereint die Brutalität früher Werke mit kompositorischer Reife, die man nur mit Erfahrung erlangen kann. WOMBBATH wirken hier wie eine Band, die alles gesehen hat – und trotzdem noch brennt. Nicht für den Applaus, nicht für den Nostalgiebonus. Sondern für die Musik selbst.
Beyond the Abyss ist mehr als ein Albumtitel. Es ist eine Zustandsbeschreibung. WOMBBATH sind über ihren eigenen Schatten gesprungen – und dabei tiefer, härter und zugleich musikalisch weiter vorgedrungen als je zuvor. Das hier ist kein müdes Alterswerk, sondern eine stählerne Grabplatte, aus der die Flammen der Inspiration schlagen. Kein Plattenbau-Schwedentod für Traditionalisten, sondern ein bewusst gesetzter Schritt über den eigenen Tellerrand – ohne dabei das Besteck zu vergessen.
Wer nach 40 Minuten noch fragt, ob Death Metal relevant sein kann, sollte sich von diesem Album die Zähne ziehen lassen. Und dann Danke sagen. Cowabunga, Grabgesang. WOMBBATH regieren wieder.
Bewertung: 9,2 von 10 Punkten
TRACKLIST
01. Intro
02. Words unspoken
03. A Symphony of dread
04. Discord of Doom
05. Beyond the Abyss
06. Malevolent
07. Faces of Tragedy
08. Deep Hunger
09. The Damned and the Slain
10. Consumed by Fire