Ich habe mich permanent im Handstand befunden
Sobald man die Begriffe Sumerer, Assyrer, Anunnaki oder den babylonischen Schöpfungsmythos namens Enuma Elish mit Metal in Verbindung bringt, kann es sich nur um eine einzige Band handeln: Melechesh! Diese Band vereint Mystisches gekonnt mir rasender Härte und pechschwarzem Anstrich und erlangte somit in den letzten Jahren einen fast unerreichten Status in der Metalszene, was natürlich auch durch geniale Alben wie „Epigenesis“ oder „Emissaries“ noch zusätzlich unterstrichen wurde. Nun veröffentlichte Ashmedi mit seinen Mannen am 27.02.2015 sein neues Album namens „Enki“, welches sich thematisch eng mit dem gleichnamigen Erschaffer der Menschen auseinandersetzt und den geneigten Zuhörer erneut tief in die vorchristliche Geschichte entführt.
Warum der Kosmopolit dafür allerdings nackt sein musste und was Cannibal Corpse mit einem Whirpool und Champagner zu tun haben, hat uns der sehr gut aufgelegte Bandboss persönlich am Telefon erzählt:
Ihr ward ja vor kurzem Teil der 70.000 tons of Metal. Wie war’s?
Ein riesiger Spaß, Exzess und vollkommen durchgeknallt! Es war von allem zu viel! Essen, Wetter, Musik…ein absoluter Wahnsinn! Scheiße war nur, dass wir es von unserer tollen Kabine ziemlich weit bis zum Auftrittsort hatten, aber das ist ein First-World-Problem. Vom Tourbus in die Halle ist es definitiv kürzer, hahaha. Es ist ja eins der größten Schiffe der Welt und von daher musstest du halt immer eine Menge laufen.
Einen Tag habe ich mal mit ein paar Fans im Whirlpool an Deck gesessen, habe mit unserem Gitarristen eine Flasche eisgekühlten Champagner genossen und auf einmal fangen Cannibal Corpse an zu spielen. Hey? Was ist falsch an diesem Bild? (lacht) Mitten in der karibischen See, ein paar nette Ladies um einen herum, Champagner trinken und Corpse hören…sorry, was Besseres kann man sich ja wohl nicht vorstellen, oder?
Ich finde es auch toll, dass es keinerlei Barrieren gibt und die Fans den Bands so nah sind. Es gibt keinerlei Backstage, das ganze Schiff ist backstage und das 24 Stunden rund um die Uhr…da vergisst ach mal leicht, für 3-4 Tage nicht zu schlafen.
Wie groß ist die Vorfreude auf die Veröffentlichung des neuen Albums?
Gar nicht…(lange Pause, um sich dann vor Lachen auszuschütten) Ich habe mir meinen Arsch abgespielt und unglaublich viel Arbeit in das neue Album gesteckt und kann es kaum erwarten, dass die Leute es endlich zu Gehör bekommen. Persönlich war es die anstrengendste Platte, die ich bislang gemacht habe, doch das Feedback seitens der Plattenfirma und den Leuten, die es vorab hören konnten, hat mir bewiesen, dass sich die ganze harte Arbeit mehr als gelohnt hat.
Für „Enki“ habt Ihr nicht nur eine Unmenge von einheimischen und ungewohnten Instrumenten, sowie Deiner 12-saitigen Gitarre verwendet, sondern erstmals auch alle Eure Instrumente auf eine Tonhöhe von 432hz gestimmt, welches ja fast „Hippie“-artig ist, denn diese Frequenz soll ja den Einklang mit dem Kosmos und der Natur symbolisieren. Bitte erläutere mir doch mal genauer, wie es zu dieser Entscheidung kam…
Melechesh ist immer noch in erster Linie eine Metalband und unsere Wurzeln sind der Rock in all seinen Facetten. Aber natürlich habe ich auch meine Wurzeln und das innere Feuer des Nahen Ostens, doch unsere Hauptinstrumente werden immer Gitarre, Schlagzeug und Bass bleiben. Der Rest ist Kosmetik. Ich bin in erster Linie Gitarrist, liebe einen fetten Schlagzeugsound und einen satten Bass, doch um allein auch den Hintergrund von mir und der Band besser ausleuchten zu können, benutzen wir auch diese traditionellen Instrumente um zu zeigen, wie Melechesh vielleicht vor 4.000 Jahren geklungen hätten, hätte ich da schon Musik gemacht (lacht).
Eine zwölfsaitige Gitarre wurde ja schon häufiger in der Musik verwendet wie beispielsweise bei „Stairway to heaven“, doch da dachte mit Sicherheit noch Niemand daran, dass man mit so einem Teil auch Black oder Death Metal spielen kann, doch zuweilen klingt es, als ob sich hinter dir ein Sturm zusammenbraut und das finde ich einfach genial!
Ich habe von dieser „Universum-Frequenz“ von 432hz auch schon gelesen, das Wasser die Natur, aber keine Sorge, wir wollten nie wie irgendwelche New-Age Arschlöcher klingen (lacht). Nach dem letzten Weltkrieg wurde ein einheitlicher Kammerton von 440hz festgelegt…warum? Keine Ahnung, aber es ranken sich darum auch einige Verschwörungstheorien, doch jeder stimmt da heutzutage seine Instrumente nach. Wir wollten einfach die Vibration dieser 432hz Frequenz nutzen, die ja auch von einem Herzschlag ausgeht und darum unsere Songs komponieren. Es ist ein sehr natürlicher Ton und auch wenn wir den standardisierten Kammerton verwendet hätten, hätte das Album großartig geklungen, doch so hat es eine andre Vibration…aber vielleicht ist es auch einfach ein musikalisches Placebo.
Die Beatles, Tool und auch ein paar andere Bands haben schon Songs wie dieser Frequenz aufgenommen, was ich von je her mehr als interessant fand…praktisch war es weniger. Selbst wenn man die Klospülung im Studi verwendet hat, klang es nach 432hz, hahaha.
Eure Songs enthalten – passend zur Musik – meist Texte zur Geschichte Mesopotamiens oder der sumerischen Mythologie, wie auch auf dem vorherigen Alben wie „Emissaries“ zu hören war. Was bedeutet Dir persönlich diese Thematik und wie wichtig ist Dir, dass Du den Inhalt auch an Deine Fans weitertransportieren kannst? Einfach ist dieses Unterfangen ohne Vorwissen der Hörer ja beileibe nicht…
Du wirst lachen, aber es ist ja nicht alles nur Mythologie. Mir ist es wichtig, dass die Leute verstehen, dass es sich nicht nur um Geschichten handelt, sondern zum Teil die Begründung der heutigen Zivilisation darstellt. Es fing an mit der sumerischen, ging weiter über die mesopotamische, hin zur ägyptischen und zur griechischen, welche dann in die nordische und keltische Geschichte mündete. Viele Leute die mit Black Metal Shirts von Marduk oder Absu rumrennen wissen gar nicht, dass diese Namen sich eben von dieser Mythologie und Geschichte ableiten. Es ist einfach meine Kultur, über die ich singe und Songs schreibe.
Ich nutze aber spirituelle und kosmische Dinge, um meinen Songs die gewisse Tiefe zu verleihen und natürlich auch die von Dir angesprochene Mythologie, aber auf dualem Wege. Die Annunaki beispielsweise werden zuweilen nicht als altertümliche Gottheiten angesehen, sondern als Besucher von einer anderen Welt, was man aber genetisch natürlich nicht anweisen kann, doch zuweilen mehr Sinn macht als die Geschichte von Adam und Eva. Ich finde diese Betrachtungsweise sehr interessant, doch meine Texte sind dahingehend auch sehr metaphorisch und philosophisch, wie zum Beispiel „Lost tribes“, wo es darum geht, was war und wie es heute ist.
Mein Cousin wurde in Syrien erschossen während ich diesen Song schrieb, was mich total schockte, weil ich ihn sehr mochte, doch er ist bei diesem Song ab sofort immer dabei und sitzt auf meiner Schulter. Das macht die Texte natürlich für mich noch persönlicher, als sie es jetzt schon sind. Das ganze Album ist sehr metaphorisch und hat eine Dualität. Enki beispielsweise hat die Welt erschaffen, sein Bruder Enlil hat dann gegen ihn gekämpft, um die Menschheit wieder zu zerstören.
Viele der heutigen christlichen Geschichten fußen auch auf der sumerischen Mythologie, wie beispielsweise die Sintflut, die schon tausende von Jahren vor der Bibel in Stein gemeißelt wurde. Sowas fasziniert mich einfach…
Zum letzten Album „The epigenesis“ war zu lesen, dass Du den Gesang dafür unter anderem nackt aufgenommen hast, um eine spirituelle Umgebung zu erzeugen und so tief wie möglich in die richtige Atmosphäre eintauchen zu können. Wie war das bei „Enki“, welches an manchen Stellen sogar noch etwas chaotischer und urtümlicher als sein Vorgänger wirkt?
Bei den Aufnahmen zu „Enki“ habe ich mich permanent im Handstand befunden, hahaha. Nee, aber ich war tatsächlich wieder nackt und die Erklärung dafür ist recht simpel: Ich wollte es erneut so ursprünglich wie möglich halten. Kleidung stört mich da einfach und ich komme mir vor wie eine Arbeitsdrone, die ans Telefon rennen oder Fragen beantworten muss. Wenn ich allerdings nackt bin und nur meinen Schmuck bei mir habe, kommt aus mir das ursprüngliche und Instinktive heraus und ich kann meinen Worten so vielmehr Ausdruck verleihen. Der Soundengineer schrie jedenfalls immer durchs Studio: Hey, bist du angezogen? Und ich antwortete meist: Wait a minute…sooo, kannst kommen, hahaha. Über das Mikrofon hast du dann immer das rascheln meiner Klamotten gehört…(lacht sich komplett kaputt) Aber…es funktioniert!
Ich bin der Manager, der Songwriter, der Frontmann, der Produzent…und natürlich auch der Performer und wenn es von Herzen kommen soll, muss ich halt was unternehmen…und da stören meine Klamotten…
Also Ashmedi auch bald nackt auf der Bühne?
Hätteste wohl gerne?! Hahahahaha…
Na zumindest kenne ich Jemand in unserer Redaktion, der dem nicht abgeneigt gegenüberstehen würde.
Für das neue Album hast Du mit Szenegrößen wie Max Cavalera, Sakis Tollis (Rotting Christ) und Rob Caggiano (Volbeat) zusammengearbeitet. Was – außer dem Bartwuchs – verbindet Dich mit den Dreien? Und warum ausgerechnet diese exzellenten Drei?
Wie Du schon richtig sagtest, es handelt sich bei den Dreien um exzellente Musiker und auf unseren ganzen Touren und Konzerten haben wir davon eine Menge kennengelernt. Wir wollten Gastmusiker haben, die etwas Elementares zu den Songs beitragen können und nicht nur als Sticker auf den CD Cover landen. Sakis kenne ich schon eine Weile und bin mit ihm befreundet, seit wir mal 5 Wochen den Tourbus geteilt haben und als ich nach Griechenland ging um die Vocals aufzunehmen, kam er mir sofort in den Sinn, weil Rotting Christ und auch Hate, die ebenfalls bei der US Tour mit dabei waren, musikalisch nah an Melechesh sind und somit stand er quasi als erste Wahl fest. Außerdem mag ich seinen charmanten griechischen Akzent (lacht).
Max ist ebenfalls ein guter Freund von mir und ein großer Melechesh Fan und als wir uns auf dem Rock Harz Open Air trafen outete er sich als ebensolcher. Er trägt unsere Shirts…bei den Promofotos von Killer be killed, auf den Metal Hammer Awards…Dude, er hat manche Shirts von uns, die ich noch nicht einmal habe, hahaha. Wir haben beide sehr viel Parallelen in unserer musikalischen Kariere, wie beispielsweise den ungewöhnlichen Ort für Metal, von dem wir beide herkommen. Wir haben beide dieses Tribal-Feeling, waren zum Beginn unserer Karrieren the-most-evil-thing, haben beide einen Thrash Background und von daher passte er bei „Lost tribes“ wie die Faust aufs Auge, da ich dafür einfach was komplett Anderes haben wollte.
Rob mochte uns schon, als er noch bei Anthrax war und als wir uns in der Türkei trafen, wo er mit den Big Four zusammen spielte und ich Aufnahmen machte, hat er uns auf die Gästeliste gesetzt und wir mochten uns sofort. Er ist ein sehr guter Gitarrist und als ich ihm sagte, dass wir einen extrem auf ihn passenden Song hätten, wo er ein Solo drauf spielen könnte, sagte er sofort zu. Er hat das dann während der letzten US Tour von Volbeat im Bus mal schnell aufgenommen…
Nach nunmehr 22 Jahren Bandgeschichte seid Ihr längst keine unbekannte Größe mehr. Nicht nur aufgrund Eurer persönlichen Herkunft und Geschichte der Bandmitglieder, sondern auch wegen Eurer weltweiten Auftritte kann man Euch durchaus als internationale Band bezeichnen. Gibt es dennoch einen Ort, mit dem Ihr Euch heimischer verbunden fühlt als mit anderen?
Also wenn mich jemand fragt wo ich herkomme sage ich meist: Planet Erde. Diese ganzen Grenzen sind für mich Gehirnwäsche und auch in der Steinzeit konnten die Menschen schon dorthin gehen, wohin sie wollten…ob von Afrika nach Europa…keine Visa, keine Grenzen. Ich finde dass alles ziemlich scheiße, denn Niemand gehört die ganze Welt oder auch nur ein Teil davon. Ich hasse Grenzen oder Restriktionen. Ich liebe Länder, Menschen und deren Kulturen und lege mich von daher niemals auf einen bestimmten Platz fest. Melechesh kommt vom Planeten Erde und wir spielen überall, wo man uns sehen will.
Ich mag Orte, wo ich in Ruhe sitzen und einen kalten Drink genießen kann und davon gibt es in Deutschland auch genug Plätze wie in Kalifornien oder anderswo ebenso.
Aber Du kannst ja nun die Niederlande, wo Du wohnst, nicht mit Kalifornien oder anderen sonnigen Plätzen auf dieser Erde vergleichen…
Deshalb bin ich auch von dort weggezogen und lebe momentan bei unserem Bassisten in Rheinland Pfalz und kann von daher auch schon sehr gut Deutsch: Hallo Hans, wie geht’s? Gut? Bitte eine große Cola! Hahahahaha