NARBELETH – A Pale Crown (2023)
(8.699) Maik (8,0/10) Black Metal
Label: Folter Records
VÖ: 05.01.2024
Stil: Black Metal
Wer mich kennt, wird wissen, dass ich beim Thema Black Metal die alten Heldentaten besonders schätze, gerade auch die frühen Platten der Norweger. Zu diesen Unheiligtümern gehören für mich auch die ersten beiden SATYRICON – Alben „Dark Medieval Times“ und „Shadowthrone“. Nun ist es ja so, dass nur wenige dieser alten Recken es heutzutage noch schaffen, mich vom Ofen in den frostig kalten Wald zu zerren.
Doch der alte Geist lebt weiter. Jedoch nicht unbedingt in skandinavischen Fjorden und auf schroffen nordischen Felsen. Denn als ich das erste Mal in das neue Album der Kubaner NARBELETH reinhörte, fiel mir die Kinnlade auf Halbmast. Die klingen heute mehr nach SATYRICON als SATYRICON selbst. Und das beginnt mit dem Songwriting, den wuchtig melodischen und epischen Riffs bis hin zu den Gesangslinien und dem Gesang selbst. Vor einigen Jahren sind Dakkar und Vindok, die beiden Mannen hinter NARBELETH ins Spanische übergesiedelt. Wohl verständlich, denn die Karibikinsel bietet wohl nicht so eine gute Infrastruktur für Metalbands. Das müsste man mal recherchieren.
Doch zurück zur Musik. NARBELETH liefern das Album ab, welches SATYRICON spätestens nach „Nemesis Divina“ hätten abliefern sollen, um noch länger in meiner uneingeschränkten Gunst verweilen zu dürfen. Diese episch erhabenen Melodien, gepackt in ein blackmetallisches Soundgewand, lassen Bilder von schneebedeckten Felsen und schrandigen Fjorden praktisch vor dem geistigen Auge auftauchen. Das erinnert mich an unsere Hurtigruten- Tour entlang der norwegischen Küste, und ich mit Black Metal im Ohrhörer. Da wusste ich, dass solche Musik zwangsläufig in derartiger Landschaft entstehen muss.
Muss? NARBELETH zeigen, dass man diese Stimmung auch erzeugen kann, wenn man auf einer karibischen Insel oder in der spanischen Provinz Galicien sitzt, wenn man nur will. Die Songs auf „A Pale Crown“ sind natürlich alle irgendwie nach dem Strickmuster gefertigt, welches SATYRICON speziell mit „Shadowthrone“ erstellt hatten, was kompositorisch nicht allzu viel Spielraum lässt. Der Schatten des norwegischen Vorbilds taucht immer wieder auf, was auch daran liegt, dass der Gesang Dakkars dem von Satyr, zumindest zu damaliger Zeit, nicht unähnlich ist. Auch die Gesangslinien, die teilweise entgegen den Gitarrenriffs liegen und kein festes Versmaß besitzen stellen eine starke Parallele dar. Dass die Platte abschließende Cover von „The King Of The Shadowthrone“, beiläufig einer meiner Lieblingstracks von SATYRICON, verstärkt diesen Effekt zusätzlich.
Auch sonst bedienen sich NARBELETH aus den gängigen Black Metal Standards, was vielleicht nicht besonders originell erscheint, mir aber ganz gut gefällt. Es gibt für mich nichts Sinisteres im Black Metal als diese Momente, wenn die Gitarre einsam ihr Halbtonriffing abspult, während alles andere verstummt, bevor mit aller Macht das gesamte Instrumentarium samt Gesang einstimmt. Da wächst mir automatisch der Entenpullover.
Diesen effektvollen Auftritt zelebrieren NARBELETH ebenso wie die hymnisch anmutenden Gitarrenriffs, die sich mit wütender Raserei abwechseln. Was bei all der genialen Huldigung der goldenen Black Metal- Jahre natürlich ein wenig verlorengeht, ist die Eigenständigkeit NARBELETHs. Man hört eigentlich ständig SATYRICON heraus, vielleicht noch ein wenig IMMORTAL, DARKTHRONE oder GORGOROTH, was mir zwar sehr gut gefällt, andere aber vielleicht als langweilig empfinden könnten.
Ich will der Band hier nicht allzu viel Innovation anraten, da mir die Mucke eigentlich gut gefällt. Dennoch habe ich den Eindruck, dass die Band ihr Potential durch die allzu offensichtliche Huldigung etwas einschränkt. Mir gefällt es, wie gesagt, trotzdem. Vielleicht auch gerade deshalb. Auch der Sound ist okay. Schön druckvoll und fett, aber dennoch im üblichen Black Metal- Gewand, ohne Überproduzierung und abgeschmirgelte Ecken und Kanten.
Wer auf alte SATYRICON steht, und überhaupt die frühen Neunziger des Schwarzmetalls goutiert, ist bei NARBELETH gut aufgehoben. Wenngleich die Band auch allzu nah an den Vorreitern agiert und dadurch einer eigenen Identität ein wenig im Wege steht, ist „A Pale Crown“ dennoch ein adäquates Werk traditioneller Schwarzmetallkunst. Originalitätspunkte gibt es keine, dafür aber jede Menge im Fach Authentizität. Und dass beim Schreiben dieses Satzes der letzte Ton des Albums verhallt, ist gutes Timing.
Anspieltipp: „Pathways To Occult“ und „A Pale Crown“