MEZZROW – Embrace the Awakening (2025)
(9.939) Olaf (9,0/10) Thrash Metal
Label: ROAR
VÖ: 14.11.2025
Stil: Thrash Metal
Ich hatte MEZZROW ehrlich gesagt schon wieder im „Ach stimmt, die gibt’s ja auch noch“-Fach abgelegt. Das Re-Release von Then Came the Killing war ein schöner Reminder, Summon Thy Demons habe ich „nur“ mit sieben Punkten versehen – starkes Comeback, aber mir fehlte dieser letzte Tritt in den Allerwertesten. Jetzt steht Embrace the Awakening im Player, und ich merke sehr schnell: Genau dieser fehlende Schmiss ist diesmal da. Ihr könnt was mit Slayer, Exodus oder Nuclear Assault anfangen? Dann weiterlesen – oder gleich blind kaufen.
Zur Erinnerung: MEZZROW sind keine der neu zusammengelöteten Retro-Bands, die sich nur das richtige Patch-Jacket überwerfen und ein paar „Bay Area“-Floskeln in den Pressetext schreiben. Ende der Achtziger haben sich die Schweden mit den Demos Frozen Soul und Cross of Tormention einen ziemlich stabilen Ruf im Underground erspielt, 1990 folgte das Debüt Then Came the Killing – für viele immer noch eine der stärksten Thrash-Scheiben, die Skandinavien je ausgespuckt hat. Dann war lange Funkstille, bis 2021 Bassist Conny Welén und Frontmann Uffe Pettersson beschlossen haben, den Namen MEZZROW wieder auszugraben, mit neuen Gitarristen, neuem Deal und einem klaren Ziel: Thrash nach alter Bay-Area-Schule, aber ohne künstliches Retro-Korsett. Summon Thy Demons war das saftige „Wir sind wieder da“, Embrace the Awakening ist jetzt das selbstbewusste „Wir bleiben – und drehen noch mal auf“.
Man hört dem Album an, dass die Band seit dem Comeback nicht nur im Proberaum stand, sondern auch Bühnen und Festivals (Keep It True, Muskelrock, Tolminator etc.) abgegrast hat. Die acht neuen Songs sind wesentlich direkter, kompakter und auf den Punkt als noch beim Vorgänger. Die Wurzeln liegen weiterhin tief in der Bay Area – man bekommt dieses herrliche Gefühl aus späten Achtzigern, als Exodus, Testament und Konsorten gleichzeitig technische Finesse und Straßenkotze boten – aber das Ganze klingt nicht wie eine Tribute-Band, sondern wie eine Bande Schweden, die genau diesen Spirit inhaliert hat und jetzt auf eigene Faust loswütet. Die Gitarren bleiben klassisch gestimmt (kein Modern-Djent-Gematsche), die Riffs hacken sich mit messerscharfen Palm-Mutes durch die Boxen, während Uffe eine dieser Stimmen mitbringt, die zwischen bissigem Shouting und melodischem Bellen pendeln, ohne je ins Moderne-Radio-Gedudel abzurutschen.
Schon der Opener Architects Of The Silent War macht klar, wohin die Reise geht. Textlich sitzt du sofort mitten in einer digitalen Hölle aus „silent hell“ und „weapons of unseen chains“ – Cyberkrieg, Desinformation, Kontrollverlust. Wenn Uffe die Schlagworte „MASTERS – UNSEEN – TERROR“ und „wizards of the shadow screen“ raushaut, hat man sofort die Bilder von unsichtbaren Strippenziehern vor Augen, die an Schattenbildschirmen ganze Gesellschaften umprogrammieren. Musikalisch legt der Track ein rasantes Fundament: klassisches Thrash-Galopp-Riffing, präzise Staccato-Attacken, ein Refrain, der sofort hängenbleibt, und Soli, die eher nach Achtziger-Edelstahl als nach YouTube-Shred-Contest klingen.
Überhaupt: Hymnen und Ohrwürmer sind die große Stärke dieser Scheibe. Sleeping Cataclysm verknüpft Lovecraft’sche Kosmik mit packendem Hookwriting. In den Lyrics tauchst du in einen „archaic profound abyss“, in dem „the Great Old Ones cry out in vain“ – und dazu schiebt die Band einen Midtempo-Banger mit so viel Groove, dass man fast vergisst, wie finster das Szenario eigentlich ist. Wenn im Refrain von „sleeping cataclysm – awakens your mind“ die Silben über die Gitarrenläufe reiten, ist das diese Sorte Thrash, die sowohl Nacken als auch Hirn anspricht.
Mit Symphony Of Twisted Souls treiben MEZZROW das Thema Wahnsinn und Massenmanipulation weiter. „Madness seeps into our minds“ und eine „symphony of twisted souls“ – das ist kein subtiler, aber ein wirkungsvoller Kommentar zur allgegenwärtigen Reizüberflutung, Verschwörungsblase und kollektiven Selbstverblendung. Musikalisch knallt der Song wie ein Update des klassischen Westküsten-Geballers: schnelles Drumming, Riffs, die sich wie Kreissägen in die Gehörgänge fressen, und ein Refrain, der einem auch nach dem dritten Durchlauf nicht mehr aus dem Kopf geht. Genau hier wird klar, warum ich das neue Album deutlich höher hängen würde als den Vorgänger: Die Songs haben diese „Hit“-Qualität, ohne poppig zu werden. Es sind Thrash-Hymnen, keine Fun-Thrash-Parolen.
Politischer wird es in Foreshadowing, wo „Morality decays“ und „a world set ablaze“ als Schlaglichter auf eine Welt voller korrupten Anführerfiguren dienen, die „on eternal bloodstained thrones“ sitzen. Statt plumper Plakatparolen schreiben MEZZROW Texte, die eher wie finstere Prophezeiungen funktionieren: Bilder von anstehenden Katastrophen, Machtmissbrauch, Manipulation, aber ohne mit dem moralischen Zeigefinger zu fuchteln. Das passt perfekt zur Musik, die zwar aggressiv, aber nie stumpf ist. Die Gitarrenlinien sind durchdacht verschachtelt, die Refrains klar ausformuliert, und in den Soli blitzt immer wieder ein Hauch Melodik auf, der an die besseren Tage von Forbidden oder Heathen denken lässt.
Ganz anders In Shadows Deep: Hier wird es deutlich persönlicher und düsterer – mehr Gothic-Horror als Geo- oder Cyberpolitik. Der Erzähler bezeichnet sich als „the blackness“, „the void“ und „despair“, seine „immortal soul“ leuchtet in ewigen Tiefen. Musikalisch zieht die Band das Tempo hier etwas an, lässt aber ausreichend Platz für diese leicht melancholische Stimmung, die sich in den Harmonien breitmacht. Es ist dieses Wechselspiel aus Raserei und melancholischer Schwere, das das Album davor bewahrt, zur reinen Riffsport-Übung zu verkommen.
Ein unbestrittener Höhepunkt ist Inside The Burning Twilight. Schon der Titel atmet Endzeitkino, im Text sind „souls…consumed“ und „minds…on fire“, alles „inside the burning twilight“. Der Song arbeitet geschickt mit Dynamik: Die Strophen ziehen dich in eine bedrückende, fast mystische Atmosphäre, bevor der Refrain wie ein Flammenstoß explodiert. Hier zeigt sich auch die Stärke von Alvaro „Alvis“ Svanerö am Schlagzeug – präzise, treibend, aber nie steril. Das Doublebass-Gewitter bleibt organisch, die Snare klingt nach echtem Fell und nicht nach Software-Preset, und wenn sich die Band in den Refrain schraubt, sitzt jeder Akzent da, wo er hingehört.
Und dann ist da natürlich The Moment To Arise, die inoffizielle Mitgröhl-Hymne der Platte. „JOIN THE MOMENT – the moment to arise“ – viel direkter kann man einen Aufruf zum Aufstehen, Zusammenraufen und Widerstandleisten kaum formulieren. Genau dieser Slogan schreit danach, live von ein paar hundert Kehlen zurückgeschmettert zu werden. Dass man bei der ersten Strophe sehr gut die Zeilen des Nuclear Assault-Klassikers „Critical Mass“ mitsingen kann, ist eher charmante Verneigung als dreistes Plagiat. Man merkt, woher die Band kommt, man merkt, welche Platten bei ihnen im Schrank stehen – und sie machen kein Geheimnis daraus.
Das Finale Dominion Of The Dead taucht dann noch einmal tief in klassische Metal-Bildsprache ein: „dysphoria drapes this infinite land“, „the abandoned realm of flames“, „desolation follows dread“ – Nekro-Poesie im besten Sinne. Die Musik dahinter wirkt wie ein epischer Schlussakkord: schwer stampfende Riffs, leicht erhobenes Tempo, ein Refrain, der noch lange nachhallt. Wenn die Band hier vom gleichnamigen „dominion of the dead“ singt und dazu ein letztes Mal diese Mischung aus Pathos und Aggression auffährt, wirkt Embrace the Awakening rund, abgeschlossen, aus einem Guss.
Neben dem Songwriting steht aber vor allem die Produktion im Fokus. Die Band hat selbst produziert, Ronnie Björnström hat Mix und Master übernommen, und das Ergebnis ist ein Musterbeispiel dafür, wie man klassischen Thrash ins Jahr 2025 holen kann, ohne ihm den Charakter zu rauben. Die Gitarren sind dick, aber transparent, der Bass von Conny brummt nicht nur unter der Oberfläche, sondern stützt und treibt, und Uffes Vocals sitzen genau dort, wo sie hingehören: präsent, bissig, verständlich. Nichts ist überkomprimiert, nichts wirkt klinisch, und trotzdem klingt das Ganze bärenstark und zeitgemäß. Ein fettes Thrash-Brett mit Druck aus allen Rohren.
Dass beim CD-Release noch das Keep It True – Live-Set als Bonus mitkommt, ist die Kirsche auf der Torte: Ein schönes Dokument der Reunion-Phase und eine Erinnerung daran, dass diese Songs vor allem für die Bühne geschrieben wurden. Und weil ich fest davon ausgehe, dass das nächste Exodus-Album mit Rob Dukes eher polarisieren als begeistern wird, ist es umso einfacher, einen Satz wie diesen zu schreiben: Wenn ihr euch dieses Jahr nur eine neue Thrash-Platte gönnt, dann könnte MEZZROW mit Embrace the Awakening alles pulverisieren, was sich ihr in den Weg stellt.
Unterm Strich haben wir es hier mit einem Album zu tun, das nicht nur meinen eigenen Eindruck vom Vorgänger geradezieht, sondern auch im übervollen Thrash-Regal leuchtend hervorsticht. Wo Summon Thy Demons für mich „nur“ ein sehr gutes Comeback war, ist Embrace the Awakening das Werk einer Band, die ihren zweiten Frühling richtig nutzt: großartige Thrash-Hymnen, ehrliche Ohrwürmer, eine Produktion mit Eier(stöcken) aus Stahl und Texte, die genug Substanz haben, um mehr als einmal mitgelesen zu werden. Hier wird nichts revolutioniert, aber alles auf einem Niveau gemacht, das vielen größeren Namen Angst einflößen sollte.
Anspieltips:
🔥Architects Of The Silent War
💀Sleeping Cataclysm
🎸The Moment To Arise
Bewertung: 9,0 von 10 Punkten
TRACKLIST
01. Architects of the silent War
02. Sleeping Cataclysm
03. Symphony of twisted Souls
04. Foreshadowing
05. The Moment to arise
06. In Shadows deep
07. Inside the burning Twilight
08. Dominion of the Dead

