ROGGA JOHANSSON – Dreaming the Otherwhere (2025)
(9.940) Olaf (7,0/10) Death Metal
Label: Iron, Blood & Death Corp.
VÖ: 01.11.2025
Stil: Death Metal
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Wenn irgendwo in Schweden eine Proberaumtür knarzt und es nach kaltem Kaffee, Röhrenamps und Sägeketten riecht, besteht eine realistische Chance, dass dahinter Rogga Johansson steckt. Seit Mitte der Neunziger schleudert der Mann mit einer stoischen Verlässlichkeit Oldschool-Death-Metal in die Welt, dass man längst aufgehört hat mitzuzählen, ob wir gerade bei Projekt Nummer 30, 40 oder 287 sind. PAGANIZER, REVOLTING, MEGASCAVENGER, RIBSPREADER – du drehst einen Stein im schwedischen Unterholz um, und darunter liegt mindestens eine Rogga-Platte.
Dass er seine „eigene“ Band einfach ROGGA JOHANSSON getauft hat, wirkt da fast schon konsequent: kein Konzept, kein Schnickschnack, nur der Name drauf, bei dem jeder Elchtod-Fan genau weiß, was ihn erwartet. Mit Dreaming the Otherwhere, dem mittlerweile fünften Album unter diesem Banner, liefert er also wieder das volle Pfund HM-2-Säge, schwedische Melancholie und tiefe Grunzer ab – so viel kann man vorwegnehmen.
Die Eckdaten lesen sich wie ein gemütliches Klassentreffen im Death-Metal-Untergeschoss: Rogga an Gitarre und Gesang, Kjetil Lynghaug für die Leads, Johan Berglund am Bass und an den Reglern, Jon Rudin an den Drums. Eingespielt und veredelt wurde das Ganze im Studio Ulgnor, wo Berglund auch Mix und Master übernommen hat. Man hört sofort, dass hier Leute am Werk sind, die wissen, wie Schwedentod „richtig“ zu klingen hat – das Klangbild ist transparent, druckvoll, die Gitarren sägen sauber durch den Mix, die Drums stehen satt im Raum. Und genau da setzt dann auch schon mein größter Kritikpunkt an: mir ist das alles eine Spur zu sauber. Wo andere Produktionen die Boxen nach altem Keller, kaltem Rauch und feuchter Kellerdecke riechen lassen, kommt Dreaming the Otherwhere eher wie ein frisch gewischter Proberaum daher. Klar, differenziert, aber eben auch ein bisschen zu sehr aufgeräumt für Musik, die eigentlich nach Dreck und Rost schreit.
Musikalisch gibt es natürlich genau den Rogga-Johansson-Baukasten, den man als Fan inzwischen fast schon im Schlaf nachbauen könnte. Der Opener Dreaming the Otherside macht das auch sofort klar: ein kurzes, atmosphärisches Anziehen, dann walzt ein typisches, leicht melodisches HM-2-Riff los, das irgendwo zwischen frühem ENTOMBED, GRAVE und dem eigenen Backkatalog pendelt. Die Stimme ist tief, kehlig, aber gut verständlich, die Refrain-Struktur klar – man fühlt sich sofort heimisch.
Musikalisch ist das Niveau wie immer ordentlich bis gut, aber selten wirklich überragend. A Flesh Conundrum etwa punktet mit knackigem Uptempo und einer sehr eingängigen Lead-Melodie, die kurz an die stärkeren Momente von REVOLTING erinnert, bevor wieder solide Thrash-Schlagseite übernommen wird. The Night of Garpe und das später folgende Garpe Awaits wirken wie zwei Kapitel derselben Geschichte – Midtempo-Hämmer mit leicht epischer Note, die sich atmosphärisch schön in dieses Traum/Anderswelt-Thema einfügen. Deadsky Hunter und Hail the Re-Emergers bringen dann die erwarteten, leicht hymnischen Refrains, die live sicherlich gut funktionieren werden, auf Platte aber eher ein zustimmendes Nicken als unkontrolliertes Ausrasten auslösen.
Das Problem ist weniger, dass hier etwas „falsch“ gemacht wird – sondern, dass fast nichts überrascht. Gerade weil ich selbst großer Fan der gefühlt 287 Rogga-Outputs bin, merke ich immer deutlicher, wann er im Zombie-Autopilot-Modus unterwegs ist. Dreaming the Otherwhere klingt in weiten Teilen so, als hätte man eine Best-of-Session aus seinen letzten zehn Jahren im Kopf zusammengebaut, aber den letzten Funken Wahnsinn, der aus guten Songs großartige macht, einfach weggelassen. Es gibt die typischen, leicht melancholischen Leads, die kurzen, melodischen Hooks, die groovigeren Banger-Passagen – alles da, alles solide, aber selten mit der Durchschlagskraft, die seine besten Scheiben ausmacht.
Spannend wird der Vergleich, wenn man den Blick auf die andere Seite des schwedischen Death-Metal-Olymps richtet. Im informellen Kampf der „Alpha-Deather“ hat Jonny Pettersson mit WOMBBATH und seinen zig Nebenprojekten in den letzten Jahren eine brutale Schlagzahl und erstaunliche Qualität vorgelegt, die für mich aktuell die Latte ein Stück höher hängt. Während Jonny mit jeder neuen Platte noch ein bisschen mehr an Kompositionstiefe, Atmosphäre und Charakter rauskitzelt, wirkt ROGGA JOHANSSON auf Dreaming the Otherwhere eher wie jemand, der sich auf bewährtes Handwerk verlässt. Das ist nicht verwerflich – wir reden hier immer noch von kompetentem, ehrlichem Schwedentod – aber im direkten Vergleich hat Jonny im Moment die Nase vorne. Und bei zwei derart fleißigen Workaholics kann sich das natürlich auch schnell wieder drehen; heute Pettersson, morgen wieder Johansson, je nachdem, wer gerade die stärkere Vision hat.
Zurück zur Produktion: Dass mir „der Dreck“ fehlt, merkt man vor allem in den langsameren, atmosphärischen Passagen. Wenn die Gitarren in den tieferen Tonlagen stampfen und die Drums Platz zum Atmen bekommen, wäre genau dort Raum für eine schmierige, organische Rauheit gewesen, die den Songs noch mehr Wucht verliehen hätte. Stattdessen klingt vieles sehr glattgezurrt – man hört jede Nuance, aber spürt zu wenig Staub und Blut. Das ist technisch beeindruckend, nimmt dem Material aber ein Stück der archaischen Brutalität, die schwedischen Oldschool-Death sonst auszeichnet.
Trotz aller Kritik gibt es auf Dreaming the Otherwhere genügend Momente, an denen ich milde grinsend die Luftgitarre schwinge. Wenn ein Refrain sitzt, dann sitzt er. Wenn Rogga das Tempo anzieht und sich auf Straight-forward-Riffing konzentriert, rumpelt das immer noch auf einem Niveau, von dem viele jüngere HM-2-Jünger nur träumen können. Und wer bei den Namen der Songs bereits zufrieden nickt, wird garantiert nicht enttäuscht: Das Album liefert genau das, was der Name ROGGA JOHANSSON seit Jahren verspricht – nur eben ohne den Extraschuss Wahnsinn oder Innovation, den man sich bei dieser Routine manchmal wünschen würde.
Im Ergebnis ist Dreaming the Otherwhere ein solides, aber deutlich konservatives Kapitel im endlosen Rogga-Kosmos: oldschooliger Schwedentod, wie bestellt, handwerklich sauber und mit einigen starken Riffs gesegnet, insgesamt aber für meinen Geschmack zu brav produziert und zu selten wirklich spektakulär. Ein gutes Album für zwischendurch, wenn man genau diesen Sound will – aber keines der Werke, zu denen ich in ein paar Jahren als erstes zurückkehren werde, wenn ich den ultimativen Rogga-Fix brauche.
Bewertung: 7,0 von 10 Punkten
TRACKLIST
01. Dreaming the Otherside
02. A Flesh Conundrum
03. The Night of Garpe
04. A few good Men in the Otherwhere
05. Trailing the Wounded
06. Deadsky Hunter
07. Garüe awaits
08. Hail the Re-Emergers
09. The rotten Hordes

