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SISTER – The Way we fall (2025)

(9.951) Olaf (6,0/10) Heavy Metal


Label: Icons creating Evil Art
VÖ: 21.11.2025
Stil: Heavy Metal






Sturmi ist schuld. Eigentlich wollte ich mir an diesem 21.11. ein paar andere Promos reinziehen, bis besagter Kumpel mir mit leuchtenden Augen schrieb, heute käme sein Album des Jahres raus. Ich also ins Bemusterungs-Chaos gewühlt – nix, was auf den ersten Blick nach „Kandidaten für Platz 1“ aussah. Auf Nachfrage kam die Antwort: SISTER. Sleaze-/Horrorpunk aus Schweden. Nicht unbedingt der erste Name, der mir in den Sinn kommt, wenn ich an persönliche Dauerbrenner denke. Aber gut, neugierig bin ich ja – also Kopfhörer auf, Lautstärke hoch, The Way we fall an und schauen, was Sturmi da so großartig findet.

Die Band selbst ist ja keine Neulings-Truppe mehr. Seit 2006 treiben SISTER zwischen Stockholm und Jönköping ihr Unwesen, haben sich vom glamigen 80er-Sleaze mit viel Make-up zu einer dunkleren, ruppigeren Mischung aus Sleaze Rock, Punk, Hard Rock und Metal entwickelt. Alben wie Hated, Disguised Vultures, Stand Up, Forward, March! und zuletzt Vengeance Ignited haben sie in der Szene durchaus etabliert; nicht zuletzt, weil sie live gern alles in Schutt und Asche legen und sogar mit einem Song im „Peacemaker“-Soundtrack gelandet sind – was die Streamingzahlen noch mal kräftig nach oben geschoben hat.

Mit The Way we fall legen SISTER nun also ihr nächstes Langeisen vor – und laut Eigenwahrnehmung ist das „roheste“, „härteste“ und „kompromissloseste“ Kapitel der Bandgeschichte, das die Essenz ihres Sounds einfängt: schwere Riffs, dreckige Energie, düstere Atmosphäre, irgendwo zwischen Chaos und großen Hooks. Der Produktionsknopf wurde von Jona Tee gedreht, den man von H.E.A.T. und New Horizon kennt – und ja, das hört man. Die Scheibe klingt satt, modern, druckvoll, aber nicht totkomprimiert. Die Gitarren haben Biss, das Schlagzeug schiebt, der Bass rührt eine schöne schwarze Brühe an, in der sich alles recht komfortabel tummeln kann.

Musikalisch ist das im Kern immer noch das, was SISTER gern als „sleaze punk“ bezeichnen: ein Bastard aus 80er-Stoff (ein bisschen Guns N’ Roses über die Schulter gelinst), modernerem Metal und einem ordentlichen Schuss Horrorpunk-Flair. Howling Hell und Blood Sacrifice gehen recht zielstrebig nach vorn, riffen sich in den Strophen ordentlich fest und zünden in den Refrains recht große, mitsingtaugliche Hooks – das ist schon handwerklich echt solide gemacht. Tanz der Toten spielt charmant mit deutsch betiteltem Gruft-Pathos, irgendwo zwischen Friedhofs-Schauerromantik und Circle-Pit-Futter. Der Titelsong The Way we fall versucht, dieses Gesamtpaket in einen dystopischen, leicht hymnischen Anstrich zu packen – auch das durchaus nachvollziehbar arrangiert. Man hört, dass die Band seit Jahren zusammenspielt; die Songs wirken wie aus einem Guss, nichts stolpert, nichts wirkt nach schnell zusammengeklebter Baustelle.

Und trotzdem sitze ich nach mehreren Durchläufen da und denke: „Ja, ich verstehe, warum Leute das feiern – aber meins ist es nicht.“ Der Hauptgrund dafür ist der Gesang. Jamie hat diese raue, angezerrte, fast blackened anmutende Art zu schreien, die – für sich genommen – gar nicht schlecht ist. Das Problem ist für mich die Kombination mit dem restlichen Songmaterial. Wo die Instrumentalfraktion klar in Richtung eingängiger, hookiger, teilweise fast stadiontauglicher Refrains schielt, bleibt der Gesang permanent in diesem keifenden, leicht hysterischen Modus. Statt Spannung entsteht bei mir eher ein Reibungsverlust: Die Musik drückt, walzt, rockt – aber die Stimme sitzt wie ein Fremdkörper oben drauf.

Das wurde zu Hause recht schnell sehr plastisch: Meine Frau hörte nur nebenbei mit und kommentierte trocken, dass sie „dieses Gejaule“ keine fünf Minuten aushält. Als dann in Let me be your Demon noch die Gastsängerin einsetzt – Linda Varg, die mit ihrer dunkleren, aber sehr klaren Stimme für Kontrast sorgen soll – war bei ihr komplett Feierabend.

Hier versuchen SISTER, die ohnehin düstere Gesamtstimmung weiter zu verdichten – diesmal mit Unterstützung einer Gastsängerin, die einen deutlichen stilistischen Kontrast setzen soll. Die Idee dahinter ist nachvollziehbar: ein Duett, das die beklemmende, albtraumhafte Atmosphäre des Songs verstärkt und die emotionale Fallhöhe erweitert. Objektiv betrachtet funktioniert dieses Konzept, denn der Song soll laut Band eine „nachtmare“-Qualität haben, die zwischen Anziehung und Bedrohung schwebt. Subjektiv jedoch kippt mir das Ganze schnell in eine Richtung, die ich schwer ertrage: zu sehr auf Pathos gebürstet, zu dramatisch inszeniert, und durch die zusätzliche Stimme noch stärker in eine melodramatische Ecke gedrückt, die mich eher rauswirft als reinzieht.

Gleichzeitig hat das Material eine sleazige, leicht überzogene Party-Schlagseite. Wenn Rose red losrollt, höre ich förmlich, wie der Song live zünden dürfte: Bier in der Hand, Lederjacken, Spotlights, Arme hoch. Die Rhythmusgruppe gibt Gas, die Gitarren feuern prägnante Licks, die Songs sind tight genug, um auf der Bühne ordentlich zu knallen. Genau da kann ich mir sogar vorstellen, dass die Platte richtig Spaß macht. Nur im heimischen Wohnzimmer, konzentriert gehört, rauscht vieles an mir vorbei.

Und damit lande ich wieder bei Sturmis „Album des Jahres“-Aussage. Wenn man auf genau diese Mischung steht – Horrorästhetik, Sleaze-Punk’n’Roll, metallische Kante, große Hooks, viel Attitüde –, dann erfüllt The Way we fall vermutlich genau das, was man sich erhofft. Es ist konsequent, stilistisch rund und klanglich massiv. Für mich persönlich bleibt es dennoch im Mittelfeld hängen, weil ich emotional nicht andocke. Ein paar gute Riffs, eine starke Produktion – ja. Aber kein Moment, bei dem ich innerlich denke: „Das ist es.“ Dafür bleibt mir zu viel im grauen Bereich zwischen ambitioniert und austauschbar.

Ich verstehe, dass Fans die Platte feiern werden. Ich verstehe, warum man die Band gut finden kann. Ich verstehe sogar, warum jemand wie Sturmi darin sein Highlight des Jahres sieht. Doch bei mir springt der Funke nicht über. Zu viel Drama im Gesang, zu wenig wirklich packende Songwriting-Momente, zu viel Horrorrock-Flair, das eher Pose als Punch ist. Am Ende bleibe ich höflich nickend stehen, ohne den Drang, noch einmal auf Play zu drücken.

The Way we fall ist ein stark produziertes, stilistisch stringentes Album, das die DNA von SISTER sauber abbildet. Wer auf düsteren Sleaze-Punk mit Horrornote steht, bekommt hier den vollen Service. Für mich bleibt das Ganze aber im Bereich „solide, aber nicht meins“. Ich sehe die Qualität, nur packen will sie mich nicht. Und so verstehe ich die Begeisterung anderer – teile sie aber nicht.

Anspieltips:
🔥Howling Hell
🎸Blood Sacrifice
☠️ Let me be your Demon


Bewertung: 6,0 von 10 Punkten


TRACKLIST

01. The Way we fall
02. Howling Hell
03. Tanz der Toten
04. Blood Sacrifice
05. Let me be your Demon
06. Blinded and buried
07. Rose red
08. Die to live
09. Mortal Sin
10. When she dies 



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