TFTHS SOMMERPAUSE BIS 20.09.2025
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NEW WORLD DEPRESSION – Abysmal Void (2025)
(9.801) Olaf (9,0/10) Death Metal

Label: Testimony Records
VÖ: 19.09.2025
Stil: Death Metal
Ich habe eine Schwäche für Bands, die ihr Revier nicht mit Genre-Buzzwords, sondern mit Gewicht abstecken. NEW WORLD DEPRESSION gehören genau zu dieser Sorte: seit 2005 im Münsterland verwurzelt, inzwischen in Emsdetten verortet, und von Anfang an hartnäckig genug, um aus Death’n’Roll-Anfängen zu einer rollenden Todesstahl-Walze zu mutieren, die sich ihren Weg durch Clubs, Keller und Festivals fräst. Dass sie dabei in Einladungslisten neben ASPHYX, LIK, SINISTER oder VADER landen, ist kein Zufall, sondern Resultat von Beständigkeit, Spürsinn für Groove und einer Vorliebe für jene midtempo-Marschrhythmen, die die Nackenwirbel zuverlässig lockern.
„Abysmal Void“ ist das siebte Vollalbum und knüpft thematisch an die düstere Schleife von Descent (2020) und Interment of Sins (2023) an. Jeder Track als Kapitel über Verblendung, Habgier, Verwüstung und Krieg – kein Weltschmerz-Tagebuch, sondern eine Abrechnung, die den Blick ins bodenlose Nichts wagt. Klanglich bleibt die Truppe ihrem Old-School-Kern treu, schraubt aber hörbar an Tiefe, Raum und – jawohl – zusätzlichem Groove. Gemischt und veredelt hat das Ganze Jörg Uken im Soundlodge, also dort, wo Drums knallen, Bässe drücken und Gitarren wie eine rostige Baggerschaufel durch die Kehle schrappen. Das Artwork von Juan Castellano packt denselben Paukenschlag in Bilder: Sturmsee, Abgrund, keine Rettung – aber genau die richtige Einladung, weiter nach vorn zu gehen.
Historisch ergibt das alles Sinn: 2005 gestartet, erste Lebenszeichen mit der EP The Last Step of Evolution, 2008 dann Unseal Pandora’s Curse – und im Lauf der Jahre konsequente Kalibrierung weg vom Rock’n’Roll-Swing hin zu einer Asphyx-meets-Bolt-Thrower-Schlagseite, der OBITUARYs Schimmelpilz-Groove in den Spalten sitzt. Diese Entwicklung spürt man auf „Abysmal Void“ in jeder Phrase: Die Riffs sind breitbeinig, doch nie plump; die Leads setzen Nadelstiche statt Zuckerwatte; die Breaks kommen als schwerer Stiefeltritt, nicht als Sportturner-Salto. Und ja: NWD als bloße Bolt-Thrower-Kopie abzutun, wäre zu einfach – die Nordrhein-Westfalen sind verdammt nah dran, was Wucht und Zielstrebigkeit betrifft, und beim Songwriting sowieso, aber sie tragen ihre eigene Patina: ruppig, erdig, „deutsch“ im besten Sinn – eine Maschine, die nicht glänzt, sondern funktioniert.
Schon der Opener The Vault zeigt die Marschrichtung: stockfinsterer Groove, ein mähender Gitarrenlauf, Hütte presst die Silben wie Schotter durch den Kehlkopf, und das Schlagzeug setzt sich mit Panzerketten auf die Zählzeiten. Dann Book of Trophies und Spoils of War – Titel, die nach Pulvergeruch klingen, aber musikalisch nicht in Ekel-Effekten baden, sondern auf den schleichenden Horror setzen. Überhaupt lebt „Abysmal Void“ vom Spannungsfeld aus „schlurfendem“ Midtempo und jenen kurzen, scharfkantigen Rampen, in denen das Tempo anzieht, nur um kurz darauf wieder das Gewicht auf die Wirbelsäule zu legen. Wer hier Blast-Orkane sucht, verpasst den Punkt: Das ist die große Kunst des langsamen Zerdrückens.

Produktion? Fett. Das Soundlodge lässt keinen Zweifel daran, wer hier Chef im Ring ist: die Gitarrenwand. Sie steht, sie atmet, sie reibt. Der Bass ist kein Mastodon-Brummen im Off, sondern knurrt wie ein Kettenhund unter der Decke; die Drums schieben Luft, nicht Klicks; der Gesang pragmatisch böse statt Effekt-Zirkus. Diese Platte klingt, als hätten NEW WORLD DEPRESSION die PA auf „Stahlwerk“ gestellt und dem Rest des Frequenzspektrums in die Fresse gelacht – genau die richtige Entscheidung für Material, das von Reibung lebt.
Die Hits? Blind Eyes steigt wie ein schwerer Koloss aus dem Nebel, bricht dann mit einem herrlich kantigen Refrain aus, der die Gitarren wie eine alte Werksirene heulen lässt – simpel, zwingend, memorierbar. Expect no Mercy ist der „Kopf ab, weitergehen“-Moment der Platte: trockene Strophen, brutaler Pit-Sog im Mittelteil, ein Lead, das kurz Licht ins Grau schneidet, bevor die Walze zurückkehrt. Und Carnage macht dem Namen alle Ehre: hier knackt das Midtempo, hier knurrt der Bass noch tiefer, hier dreht die rechte Hand an der Rhythmusgitarre so konsequent, dass man unwillkürlich die Schultern hochzieht. Drei Stücke, drei Blaupausen dafür, wie man Old-School-Death im Jahr 2025 schreibt, ohne in Nostalgie zu ersaufen.
Inhaltlich bleibt die Band bei ihrer Linie, die Welt nicht mit literarischen Fußnoten zu erklären, sondern mit Bildern zu zerbeulen: Trophäenbücher, Kriegsbeute, blinde Augen, Gräber, auf denen wir weiter marschieren – das ist keine Philosophievorlesung, sondern Frontprosa. Auch ohne ausgeschriebene Lyrics im Booklet zur Hand zu haben, wird klar, dass NEW WORLD DEPRESSION nicht die Apokalypse romantisieren, sondern die banale Bösartigkeit des Alltags sezieren: Macht, Profit, Ignoranz – und der letzte Schritt in den Abgrund, der genauso unspektakulär ist wie der erste. Wer hier Pathos sucht, findet stattdessen Zähigkeit. Wer Predigten will, bekommt Hämmer.
Kleiner Blick über die Schulter: Dass die Truppe seit Jahren im Untergrund mit DIY-Ethos geackert hat, hört man der Souveränität an. Und dass sie den Sprung zur professionellen Produktion und Label-Heimat gegangen ist, merkt man an „Abysmal Void“ in jeder Schraube: mehr Headroom, mehr Punch, keine falsche Scheu vor „groß“. Ergebnis: eine Platte, die Live-Staub und Studio-Schwärze verbindet – hungrig, zielgerichtet, unversöhnlich.
„Abysmal Void“ ist eine todesbleierne Blendgranate – fett produziert, herrlich unverschnörkelt geschrieben, mit geilem Artwork und genau diesem „schlurfenden“ Brutal-Groove, der die Rübe zuverlässig abschraubt. NEW WORLD DEPRESSION sind keine Kopie, sie sind ein Nachbrenner: nah an den Großen, aber mit eigenem Schmutz unter den Fingernägeln. Am 19.09. wird’s ernst – und ja, freut euch doppelt: auf das Album und auf die 106. Ausgabe von „Tales from the hard Side“, in der wir die Band zum Gespräch begrüßen.
Anspieltipps
🔥Carnage
💀Blind Eyes
🎸Expect no Mercy
Bewertung: 9,0 von 10 Punkten
TRACKLIST
01. The Vault
02. Book of Trophies
03. Spoils of War
04. Blind Eyes
05. Marching on our Graves
06. Burning down
07. Grenadier
08. Expect no Mercy
09. Carnage
10. Moonbound Hunger