Label: Armored Dawn (Eigenveröffentlichung)
VÖ: 27.01.2017
Stil: Power Metal
Armored Dawn kommen aus Brasilien. Auf ihrer Facebook-Seite finden sich zum aktuellen Zeitpunkt über 600000 Follower. Meine Güte, ein Massenphänomen. Recherchiert man weiter, findet man heraus, dass „Power of Warrior“ das erste Album der Band ist, das auch noch selbstproduziert ist und offensichtlich auch in Eigenregie vermarktet wird. Das ist geradezu löblich.
Auf dem Cover sehen wir einen Cartoon-Werwolf, der in voller Montur einen Doppelhänder und eine Streitaxt hält. Ein ebenso cineastisch-zockerfreudiges Intro erwartet und bei „Viking Soul“, das dann aber noch durch ein Gitarrensolo erweitert wird, bevor der Song in beinahe Manowar-artiger Sicherheit alle Klischees erfüllt. Alle… nun nicht ganz. Der Gesang von Frontman Eduardo Parras sticht durch seine tiefe, kratzige Art schon heraus. Außerdem ist das Verständnis der Lyrics durch den starken Akzent des Sängers manchmal etwas erschwert. Vielleicht mache ich jetzt schon das Fass auf, dass die ganze Platte durchzieht: Alle Songs, die ich im Folgenden beschriebe, sind meist mehr denn weniger gut, mal mehr denn weniger klischeehaft. Ich glaube aber, dass diese Platte eine gute Übung ist, die Kriterien Handwerkskunst oder Beherrschung des jeweiligen Instruments zu erläutern.
Ich finde, dass bei allen Songs gerade die Passagen die besten sind, in denen sich der Sänger zurückzieht. Das krasseste Beispiel ist die Ballade „My Heart“, in der sich zeigt, dass lange harmonische Töne nicht die Spezialdisziplin des Sängers sind. Außerdem wirkt die Aussprache des Englischen dort (wie auch an anderen Momenten) irgendwie fehl am Platz. Ich betone nochmal, dass ich die erwähnten Punkte bei einem Sänger unter Handwerkskunst und Beherrschung des Instruments verbuche, egal in welcher Sprache er oder sie singt´; dabei bin ich mir absolut im Klaren, dass ich bei der Performance eines Songs in einer mir nicht so geläufigen Sprache deutlich weniger gut wäre. Bestes Beispiel wäre die zweite Strophe von „William Fly (The Pirate)“, die auf Portugiesisch ist. Beide Kriterien, also die Beherrschung des Instruments und der Handwerkskunst finde ich bei den Leadvocals auf „Power of Warrior“ teils bis zur Geduldprobe ausgereizt, und das trotz des ansonsten guten Timings des Sängers. Da liegt das Perfektionierungspotential einer ansonsten meines Erachtens perfekten Band.
Außerdem sind manche Texte arg fragwürdig, was vielleicht an Interferenzen sprachlicher Art liegt, die ich aufgrund der mir fehlenden Sprachkenntnis nicht nachvollziehen kann. Bestes Beispiel ist das fröhliche „Mad Train“, das mit der folgenden Strophenzeile aufweist: „[…] look through the window, watching in underwear, everybody fucking like a bear… (wobei die letzten vier Wörter nach „föhking like a böhr“ klingen ;-))
Warum dann doch eine eher gute Bewertung? Trotz aller Klischees, hören wir musikalisch absolut gute bis sehr gute Handwerkskunst.
Das Zusammenspiel der Musiker ist über jeden Zweifel erhaben. Die Gitarrenarbeit ist sowohl wegen der Riffs als auch im Besonderen wegen der Soli löblich zu erwähnen. (Nimmt man Manowar als Vergleich, erinnern manche Soli an das Spiel von Karl Logan auf „Louder than Hell“).
Auffällig ist außerdem die stilistische Breite, mit der die Musikerfraktion von Armored Dawn agiert. Da gibt es klassischen Power-Metal mit „Too blind to see“oder „Power of Warrior“), breites Pathos mit „King“, fast schon Funkiges mit „Far away“, Prog-Rockiges mit dem genialen Riff aus „Prison“ und einen ganzen Arsch voll Passagen, die wegen des vom Keyboarder bewusst auf Schweineorgel gestellten Klanges einen Siebziger-Flair verbreiten. Wenn man jetzt die Klasse der Band erneut erwähnt, erkennt man das eindeutig Positive dieser Platte. Spätestens bei „Someone“, ein Song, der so stark ist, weil er Anleihen an Deep Purple, Iron Maiden, Manowar und Wattweissichnochalles bietet, dass ich selbst Herrn Parras‘ Gesang als kaum auffällig tolerieren kann, zeigt sich, dass Armored Dawn eigentlich eine richtig gute Band sind. Der Solo-Teil, in dem alle mal ran dürfen, ist geradezu legendär gestaltet. Ich wage mir vorzustellen, dass die das live genauso hinkriegen und prognostiziere Freudentränen.
Klanglich ist dieses selbstveröffentliche Album ein Träumchen. Absolut klarer, transparenter Sound bei allen Klangträgern, was zeigt, dass im Studio hervorragend gearbeitet worden ist.
Bewertung: 7,5 von 10 Punkten
Tracklist:
01. Viking Soul
02. Too blind to see
03. Prison
04. My Heart
05. Power of Warrior
06. Far away
07. Mad Train
08. Glances in the Dark
09. King
10. Someone
11. William Fly (The Pirate)

