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FEANOR - Hellhammer (2025)

(9.822) Olaf (7,0/10) Heavy Metal


Label: No Remorse Records
VÖ: 19.09.2025
Stil: Heavy Metal






Ich mag Alben, die schon vor dem ersten Ton eine kleine Fehlleitung inszenieren. Hellhammer? Kurz gezuckt—nein, nicht die Schweizer Legende, sondern FEANOR aus Argentinien, seit Jahren im klassischen Stahl verwurzelt und inzwischen ein globales Kollektiv, das zwischen Schweden, Deutschland, Südkorea, Brasilien und der Heimat pendelt. Eine Irreführung, die fast Gotteslästerung gleichkommt—aber immerhin eine, über die man schmunzeln kann.

Dass FEANOR heute so international klingen, ist kein Zufall: Mike Stark führt mit tragfähiger, in hohen Lagen sattelfester Stimme, flankiert von Thilo Herrmann (ex-Running Wild/Grave Digger) und EV Martel (Manowar-Schule) an den Gitarren; Diana Boncheva färbt das Material mit pointierten Violinen, das Rhythmusfundament aus Argentinien hält alles zusammen. Gemischt und gemastert hat Piet Sielck im Powerhouse—und das hört man: fett, sauber, transparent. Das Artwork kommt standesgemäß von Andreas Marschall, dessen Pinsel seit Jahrzehnten Teutonenstahl ikonisch aussehen lässt.

Musikalisch ist das Ganze einmal quer durch den Kräutergarten—mal Rock’n’Metal, mal folkig schimmernd, mal tatsächlich härter. Der Opener Sirens of Death setzt die Segel mit filmischer Bildsprache (sogar als Video umgesetzt) und diesen hypnotischen Geigenlinien, die das Verlockende der titelgebenden Sirenen einfangen. Man spürt das Storytelling-DNA der Band: erst Kopfkino, dann Riff. Der Titelsong Hellhammer pulsiert ohne Klick—ein seltenes Statement 2025. Das Stück atmet, beschleunigt, hält inne; die Drums leben, statt zu rasterkleben. Ein schönes Beispiel dafür, wie FEANOR Groove über Grid stellen.

Im „epischen“ Cluster zeigt das Album seine stärkste Hand. The Epic of Gilgamesh Pt.2 (The Quest For Immortality) schließt den Bogen zur 2016er-Vorgeschichte, bindet Sven D’Anna stimmlich ein und trägt mit Huseyin Kırmızı am Piano feine Patina auf. Inhaltlich geht’s um das große Menschen-Thema zwischen Natur und Kultur, Freundschaft und Endlichkeit—„Chasing futile answers“ bleibt als Textsplitter hängen wie eine These über dem Song. Maglor the Singer und die überbordende Ballad of Beren and Luthien schlagen die Tolkien-Fahne in den Boden—mit Rollenstimmen, Chören, Oud, Pianolayern und einer Produktion, die dieses Füllhorn erstaunlich sortiert hält. Hier glänzt die Band mit Weltbau, nicht nur mit Weltflucht.

Das „nordische“ Doppel Forged in Steel / The Flight of the Valkyries dient als Gegenpol: erst reduziert—spanische Nylon-Gitarren, Violine, Stimme—und dann großes Klingen, bei dem Vanni (Wotan) und Mike Stark die Kehlen verschränken, während Sielck im Mix die Orchester-Epik aufzieht. Wer Pathos kann, darf Pathos. Und FEANOR können. Traditionspflege funktioniert ebenfalls: Houses of Fire stammt ursprünglich aus der frühen Bandphase um 2000, jetzt mit frischem Lead von David Shankle und Mikes Stimme neu entzündet; ein gelungenes Rewrite der eigenen DNA. Das Finale This One’s For You holt Ross The Boss ins Boot—die Faust-hoch-Hymnik funktioniert, auch wenn man den Gast gar nicht erst ansagen müsste: seine Linien schreiben „klassischer US-Stahl“ in die Luft.

Und dann kommt H.M.J.. Heavy Metal Jesus? Alter, was für ein plakativer Mist, der nach Running Wild zu Under Jolly Roger-Zeiten klingt, bei weitem aber nicht deren Klasse erreicht. Ist der Song grauenhaft. Der Fernsehgarten ruft. Huch, sie singen sogar was vom Jolly Roger—klar, es ist als Hommage gedacht, Thilo hat’s Rolf gespielt, der fand’s gut, Ingo Spörl bastelt sogar ein Lyric-Video dazu. Schön für die Anekdotenkiste—ich brauche das auf Platte nicht. Diese Sorte Narrenfreiheit im Namen des Fandoms bremst den Flow.

Und hier liegt mein Hauptproblem: Ja, das Album ist sauber und fett produziert, und ja—definitiv besser als der Vorgänger, dem ich damals nur 5,5 Punkte gab. Aber über 67 Minuten Material, das stilistisch permanent den Blinker setzt—Folk, Epic, Speed-/Power-Attitüde, hymnischer Hardrock—ohne klaren roten Faden? Da verliere ich als Hörer zwischendrin die Richtung. Ein, zwei Nummern weniger und ein entschlosseneres „Das sind WIR“ hätten Hellhammer vom guten zum sehr guten Album gehoben.

Textlich bleibt mir zweierlei haften: die mythisch-philosophische Ader (siehe Gilgamesh) und kleine, existentielle Schlaglichter—wenn im kernigen Houses of Fire die Zeile „I never found out, a place to stay“ fällt, steckt darin mehr Selbstbefragung, als man einem Barbarensong zutrauen würde. Genau hier ist FEANOR am stärksten: wenn Bild, Botschaft und Musik wie Zahnräder greifen.

Unterm Strich: Nicht vom Albumtitel blenden lassen—das hat nichts mit den Schweizer Extremmetallern zu tun, und das ist gut so. FEANOR liefern eine aufwändig produzierte, international besetzte Heavy-Metal-Reise zwischen Sagenstoff, Seefahrt und Stahlbekenntnis. Wenn sie beim nächsten Mal den Kräutergarten lichten, die Jolly-Roger-Spielerei im Proberaum lassen und den organischen Puls von Hellhammer konsequent zum Kompass machen, wird’s richtig groß.


Bewertung: 7,0 von 10 Punkten


TRACKLIST

01. Sirens of Death
02. Bad Decisions
03. Hellhammer
04. Remember the Fallen
05. The Conqueror’s Path
06. The Epic of Gilgamech Pt.2 (The Quest for Immortality)
07. H.M.J.
08. Maglor the Singer
09. Forged in Steel
10. The Flight of the Valkyries
11. Houses of Fire
12. The Ballad of Beren and Luthien
13. This One’s for you 



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