THEM – Psychedelic Enigma (2025)
(9.888) Olaf (6,5/10) Heavy Metal
Label: Steamhammer/SPV
VÖ: 24.10.2025
Stil: Heavy Metal
Es gibt Alben, die zerren an den Nerven wie ein schlecht justierter Verstärker — nicht weil sie handwerklich schlecht wären, sondern weil sie sich wie ein musikalisches Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Band und Sänger anhören. THEM legen mit Psychedelic Enigma genau so ein Werk vor: ambitioniert, kraftvoll, experimentierfreudig… und manchmal eben auch so herrlich schräg, dass man sich fragt, ob das Chaos nun Methode hat oder das Ergebnis einer ausufernden Bandprobe mit zu viel Kaffee ist.
Die Bandgeschichte liest sich wie ein klassischer Fall von „aus Spaß wurde Ernst“: Gegründet als King-Diamond-Huldigung und im Laufe der Jahre zu einem ernstzunehmenden Player im Spannungsfeld zwischen US Power, Thrash und progressiven Elementen gereift, haben THEM in den letzten neun Jahren ein beachtliches Konzeptuniversum geschaffen. Sweet Hollow (2016), Manor of the Se7en Gables (2018), Return to Hemmersmoor (2020) und Fear City (2022) sind keine bloßen Alben – sie sind Kapitel einer düster-verschachtelten Geschichte, deren roter Faden sich nun mit Psychedelic Enigma weiter zuschnürt. Und wer sich die neue Platte gönnt, bekommt ein musikalisches Labyrinth serviert, das man nicht mal eben zwischen Tür und Angel konsumiert.
Der Einstieg mit Catatonia macht unmissverständlich klar, dass hier kein weichgespülter Wohlfühl-Metal serviert wird. Das Ding galoppiert los, als wäre der Teufel persönlich hinter der Rhythmusfraktion her. Der Sound – dank Randy Burns (Megadeth, Suicidal Tendencies) – klingt roh, schneidend und fast schon aggressiv oldschoolig, ohne verstaubt zu wirken. Genau das ist eine der größten Stärken dieser Platte: Sie hat Druck. Und zwar richtig. Im Mittelteil schaltet das Album dann um auf Schizo-Modus. Wo der Hörer gerade noch im Thrash-Tornado steht, öffnet sich plötzlich eine psychedelische Klanghöhle mit Hammond-Orgel-Anwandlungen und fast proggigen Strukturen. Psychonautic State ist hier Paradebeispiel: Da kämpfen Gitarren und Gesang förmlich um die Vorherrschaft, ein Wechselbad aus „Wow, geil!“ und „Was zur Hölle war das gerade?“.
Diese Ambivalenz zieht sich wie ein zerschlissener roter Faden durch die Scheibe. The Scarlett Remains etwa bündelt in weniger als fünf Minuten alles, was diese Band ausmacht: stampfende Riffs, theatralischer Gesang, hektisch gezogene Spannungsbögen – und ein Grundgefühl, als hätten Iron Maiden und Queensrÿche nach einem Horrortrip ein Kind bekommen. Das anschließende Dreigestirn Electric Church, Echoes Of The Forgotten Realm und Troubled Minds schwillt zu einem epischen Epos an, das man sich als Soundtrack eines Fiebertraums vorstellen kann. Es ist technisch stark, detailverliebt und mutig. Aber es ist eben auch… merkwürdig. Als würde jemand mit chirurgischer Präzision ein Meisterwerk ansetzen – und kurz vor Schluss mit der Flex abrutschen.
Textlich spielen THEM einmal mehr mit Tod, Wahn, Erinnerung und Realität. Zeilen wie „I can’t tell if I’m awake or dead“ wabern zwischen Bühnenpathos und echtem Unbehagen. Der Protagonist taumelt durch eine Welt, die sich anfühlt wie ein opiumgetränkter Horrorfilm, in dem sich Traum und Trauma gegenseitig auffressen. Manchmal brillant, manchmal verwirrend – aber nie belanglos.
Und hier liegt die Krux: Technisch und konzeptionell ist das Album über jeden Zweifel erhaben. Markus Ullrich und seine Mitstreiter wissen genau, was sie tun. Der Gesang von KK Fossor ist markant, theatralisch, präsent – und dennoch hat man in so manchem Moment das Gefühl, dass er gegen die Musik ansingt statt mit ihr. Diese Reibung ist spannend, aber sie macht das Album auch anstrengend. Immer wieder blitzen großartige Ideen auf, nur um dann in einem unerwarteten Schlenker zu enden, der mehr Kopfschütteln als Gänsehaut hinterlässt.
Bewertung: 6,5 von 10 Punkten
TRACKLIST
01. Ad Rem
02. Catatonia
03. EvilDeed
04. Reverie
05. Remember to die
06. Silent Room
07. Psychonautic State
08. The Scarlett Remains
09. Electric Church
10. Echoes of the forgotten Realm
11. Troubled Mind
12. Delirium

