TFTHS SOMMERPAUSE BIS 20.09.2025
Aktuelle Meldungen
Live on Stage-Report: Protzen Open Air 2025 - TAG 2 Freitag, 20.06.2025
Die zwei ?? und das Geheimnis des verschwundenen Bieres

Was genau hat die Überschrift dieses Tagesberichts mit dem Protzen Open Air zu tun? Nun, es begab sich ein kleiner Kriminalfall – glücklicherweise nichts Dramatisches, abgesehen von einem Paar Langfinger, die nachts auf dem Campground friedlich schlafende Festivalgäste um ihr Hab und Gut erleichterten. An dieser Stelle sei euch ins Stammbuch geschrieben: Mögen euch die Finger abfaulen. Und die Genitalien gleich mit, denn wer klaut, gehört weder aufs Festival noch unter Menschen.
Noch weniger willkommen sind ebenso jene widerwärtigen Gestalten, die der Meinung sind, Frauen auf einem Festival ungefragt angrapschen zu müssen. Für euch gibt es nur eine klare Botschaft: Verpisst euch! Protzen steht für Gemeinschaft, Respekt und Spaß – und nicht für euren ekelhaften Müll. Macht Platz für Menschen, die feiern können, ohne anderen auf die Nerven oder an den Körper zu gehen.
Doch zurück zu den angenehmeren Seiten des zweiten Festivaltags: Ich hatte heute meine erste Erdbeerbowle – stilvoll, kühl, lecker. Im Gegensatz zu meinem Sohn, der offenbar fest entschlossen war, den Stand leer zu saufen. Der Gesichtsausdruck der Verkäuferin beim drölfzigsten Nachschub sprach jedenfalls Bände.
Nach einem kleinen Schlenker über die Autobahn und einem emotionalen Krankenhausbesuch bei meinem Papa – der übrigens grüßen lässt und wissen wollte, ob Suffocation auch dieses Jahr wieder spielt – ging es mit Karacho zurück gen Protzen. Und zwar so pünktlich, dass wir zur ersten Band schon in der Pole Position standen.
Der zweite Tag hatte begonnen – mit guten Drinks, gemischten Gefühlen und der festen Überzeugung: Heute wird alles besser. Und lauter.


Schon beim Auftritt von ASSI ASSASSIN merkte man: Das sind keine Anfänger, sondern die erste von vier Bands an diesem Wochenende die auch am 11.10.2025 auf unserem Z.O.F.F. Festival rocken werden. Klar war: Die Berliner Thrash-Bengel haben von Anfang an komplett abgerissen.
Die Open‑Air‑Bühne wurde heute endlich bespielt – nach dem Hangar war’s eine willkommene Abwechslung. Brutal guter Sound, messerscharf abgemischt, knallte direkt in die Ohren und verlieh dem frühen Set ordentlich Druck.
Zum Auftakt donnerten sie gleich los mit Pervitin und es dauerte keine zwei Songs, bis Avocado‑Kato sich die Seele aus dem Leib trommelte. Sein Drum‑Spiel war das Herzstück, ein orgiastisches Gebräu aus Double‑Bass und präzisem Thrash‑Feuerwerk. Das Publikum war schon zahlreich vor der Bühne versammelt und moshte zu solch früher Stunde bereits gut ab – Respekt!
Bei den nächsten Tracks bewies die Truppe, dass sie es nicht nur laut kann, sondern auch melodisch‑härteren Klang bunt mischt. Die Gitarrenriffs von Hive Violator und Affe fuhren messerscharf durchs Publikum, während Johnny Trash den Bass rumpeln ließ wie ein wütender Bär. Zwischen den Songs flogen witzige Ansagen von Frontmann STX, der als kleiner Bruder von Mike Muir durchgehen würde. Es passte einfach alles! Genau diese Mischung aus ernster Thrash‑Power und lockerer Bühnen‑Attitüde machte das Set besonders sympathisch.
Großartige Truppe, bei der mir um den Berliner Thrash‑Nachwuchs nicht bange ist. Wer hier schon so souverän spielt, kann’s später richtig weit bringen.


Im Vergleich zu Wormrot gestern hielten heute die Türken die Exotenflagge hoch – und wie! INHUMAN DEPRAVITY, brutalster Death Metal direkt aus Istanbul, ließen von der ersten Sekunde an keinen Zweifel daran, warum sie nicht nur auf Platte, sondern auch live gnadenlos zünden. Gegründet 2013 in Kadiköy und seit 2015 mit der überragenden Frontfrau Lucy Ferra am Mikro, sind sie mit The Experimendead längst keine Geheimtipp-Geheimnase mehr . Ihre Mischung aus brachialen Blastbeats, technischen Gitarrenriffs und Lucy’s tiefer, tierischer Stimme ist nicht nur albumtechnisch, sondern auch live ein Hammer.
Kaum hatte das Intro verklungen, stürzten sie sich in ein gnadenloses Set. Schon beim Ersten Schrei: „Ey Papa, da singt ja eine Frau!!!“ – Sohnemann war baff, Papa auch, denn Lucy Ferra ballert sich mit todschicken Growls durch die Songs, mehr Energie und Präsenz geht kaum. Kein Effektgewitter, kein unnötiger Schnickschnack – pure, abartige Präsenz.
Der Sound im Hangar – oh ja – war heute spürbar besser als am Vortag. Irgendwie hatte der Techniker offenbar endlich den Dreh raus und sich auf die Hall-Charakteristika fokussiert. Die Wellblechhütte klang so tight und klar, dass jedes Double Kick und jede Gitarrensalve knallte, ohne im Akustik-Brei zu versinken. Das Publikum? Hautes raus! Von Anfang an super drauf, pogte, moshete und feierte jeden Breakdown mit. Die Reaktionen – ehrlicher Begeisterung bedingtes Gekreische, ausgelassene Fäuste in der Luft, Crowdsurfer inkl. – bewiesen: Die Mischung aus technischer Präzision, wuchtiger Brutalität und Lucy’s Bühnenmagie kam an.
Zwischen den Songs posierten sie kurz, aber professionell – Murat Sabuncu’s Gitarrenarbeit mit palm-muted Dissonanzen, Ertu Gözoğlu’s wummernder Bass und Eren Gürsoy’s präzise Blastbeat-Attacken: ein kompaktes, eingespieltes Quartett, das genau wusste, was es wollte – schockierende Soundwände mit Todesgrinsen.
INHUMAN DEPRAVITY lieferten am heutigen Tag einen exzellenten Brutal Death Metal–Set ab: technisch sauber, brutal und beeindruckend frontiert von einer ausdrucksstarken Sängerin. Nach Wormrot gestern war’s ein Ohrenschmaus der besonderen Art – Klischee ade, Exotenflagge da, technisches Brett hochgezogen. Publikum und Soundjobs: top! Ein Abend, bei dem der Hangar erbebte.


Mit XICUTION betrat eine Band die Hauptbühne des Protzen Open Airs, die in mehrfacher Hinsicht Blut geleckt hatte – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Als dritte Band des Tages und zweite Z.O.F.F.-Teilnehmer im diesjährigen Billing präsentierten sich die Eberswalder mit einem Auftritt, der wie ein ranziger Vorschlaghammer ins Gesicht knallte. Dass ich unmittelbar vor dem Set mit Kunstblut bespritzt wurde, war laut Aussage der Band ein „dummer Zufall“. Klar, und Regen fällt auch nur zufällig nach oben.
Aber zurück zum Wesentlichen: Die selbsternannten Zombie-Jünger standen mit ordentlich Druck auf dem Gaspedal, verzichteten auf unnötige Spielereien und zogen ihren schnörkellosen Death Metal brutal durch – trocken, präzise und voll auf die Zwölf. Besonders hervor tat sich – wie nicht anders zu erwarten – unser Redakteur Jano, der nicht nur mikrofonbewaffnet, sondern auch optisch das personifizierte Grauen gab: halb Zombie, halb Entertainer, ganz Todesblei. Sein Stageacting war theatralisch, aber nie peinlich – eher ein bisschen wie Lemmy mit Zombiebiss: unkaputtbar, irre und stilbildend.
Das Publikum quittierte den Auftritt mit heftigem Abgehen, überraschend viel Bewegung und sichtlich guter Laune, was angesichts der morbiden Themenlage nicht selbstverständlich ist. Und auch wenn ich mich schwer tue, den Enthusiasmus meines Sohnemanns zu teilen, der den ganzen Tag von XICUTION als beste Band des Tages schwärmte – man muss ihm lassen: nah dran waren sie allemal.
XICUTION haben sich nicht nur optisch, sondern auch musikalisch den Platz auf dem Z.O.F.F. redlich verdient. Wer nach diesem Set noch fragt, ob Death Metal aus Brandenburg funktionieren kann, der sollte lieber zu Hause bleiben und „Walking Dead“ auf DVD schauen. Dort wird weniger gebissen.


Wer 5 Stabbed 4 Corpses sehen wollte, musste sich an diesem Tag wohl entscheiden: Smalltalk mit alten Bekannten oder rohe Gewalt im Hangar. Ich entschied mich – aus rein journalistischen Gründen versteht sich – für Letzteres und führte tiefgründige Gespräche über den Zustand der Welt, der Szene und des eigenen Leberwerts. Als ich dann rechtzeitig vor der Hauptbühne stand, warteten dort bereits die Bremer Abrissbirne SOUL GRINDER auf ihren Einsatz – und ich auf meine zweite Chance, denn gesehen hatte ich die Jungs tatsächlich erst einmal, obwohl ich sie schon ewig kenne.
Die Stimmung vor der Bühne war merklich gelöster als noch Stunden zuvor im Hangar, und es wurde langsam voller. Die Sonne knallte, der Bierpegel stieg und mein Sohn schien fest entschlossen, das Absperrgitter zu Fall zu bringen – womöglich aus purer Vorfreude. Als dann die ersten Takte des schwarz gefärbten Todesbleis aus den Boxen peitschten, war sofort klar: Das wird nicht einfach nur ein weiterer Festival-Gig. Das wird ein Statement.
SOUL GRINDER, gegründet 2018 in Bremen, sind als Trio unterwegs: Mathias Junge (Vocals/Bass), Steffen Hustert (Gitarre) und Balrogh am Schlagzeug Der Sound ballert in bester Old‑School‑Death‑Metal‑Manier, gewürzt mit Einflüssen von Vomitory oder Suffocation. Und trotz Single‑Gitarren‑Lineup kam das Set fett und druckvoll rüber – ganz ohne meine sonst favorisierten zwei Gitarren. Vielleicht auch, weil sich so die Tantiemen clever auf drei Schultern verteilen – betriebswirtschaftlich top!
SOUL GRINDER lieferten einen gnadenlosen Gig, der zeigte, warum sie seit ihrem ersten Release Sadistic Parasite 2018, über EPs wie Lifeless Obsession (2021) mit Night’s Bane bis hin zum Album Anthems From the Abyss (2022), stetig Qualität abliefern Ihr Sound wirkt oldschool ohne Retro‑Staub, brutal und doch hörbar – eine Mischung, die live mächtig Spaß macht. Mehr davon – vielleicht beim Z.O.F.F. 2026?

Wenn eine Band schon im Vorfeld durch ihre Veröffentlichungen in der Redaktion für kollektives Nackenzucken sorgt, dann ist klar: Das muss man sich live geben. Und genau das dachte ich mir auch bei FEAR CONNECTION, als ich mich mit einem ordentlichen Kaltgetränk bewaffnet gen Hangar bewegte – nicht ohne einen Anflug von Enttäuschung, denn eine Truppe dieses Kalibers hätte meiner Meinung nach definitiv die große Bühne verdient. Aber gut, man nimmt, was man kriegt – und FEAR CONNECTION machen zum Glück keine halben Sachen.
Die ebenfalls aus Bremen stammenden Death/Thrasher, die sich stilistisch irgendwo zwischen aggressivem Oldschool-Gewitter und moderner Kante bewegen, legten los, als gäbe es Freibier auf Rezept. Druckvoll, spielfreudig und mit der gewissen Portion Live-Energie, die man weder proben noch kaufen kann. Der Sound, anfangs noch etwas wellblechern, besserte sich zusehends, sodass die brettharten Riffs, präzisen Drums und das bissige Organ von Frontmann Rolf mit wachsender Klarheit durch den Hangar prügelten.
Auffällig: Das Interesse war groß. Der Zuschauerbereich vor der Bühne füllte sich stetig, viele bangten mit, andere nickten zustimmend oder hielten ihr Bier mit derselben Entschlossenheit wie ein Berserker sein Schwert. Es war spürbar, dass hier keine x-beliebige Underground-Kapelle spielte, sondern eine Band mit Substanz, Punch und einem echten Händchen fürs Songwriting.
Nach der letzten EP aus dem Jahr 2024, die bereits ein echtes Ausrufezeichen im Extremmetal gesetzt hat, hoffe ich persönlich auf ein bald erscheinendes zweites Album. Denn was FEAR CONNECTION live abreißen, muss dringend auch wieder konserviert werden – bevorzugt auf Vinyl und mit fettem Booklet. Bis dahin bleibt nur, den Gig als Beleg dafür zu sehen, dass Bremen nicht nur Stadtmusikanten, sondern auch verdammt viel musikalische Gewalt zu bieten hat. Wenn das nächste Mal die große Bühne winkt, beschwere ich mich garantiert nicht. Verdient hätten sie es längst.

TORTURIZED auf dem Protzen Open Air 2025 – ein Wiedersehen, das besser nicht hätte ausfallen können. Die technisch versierten Death Metaller aus Magdeburg haben über die Jahre nicht nur mit ihrer Musik überzeugt, sondern auch durch enge persönliche Bande – insbesondere zu uns bei Zephyr’s Odem. Gitarrist und Szene-Urgestein Siggi war lange Jahre als Redakteur und gute Seele fester Bestandteil unseres Teams, weshalb sein Auftritt auf dem diesjährigen Protzen für viele weit mehr war als nur ein weiterer Festivalmoment. Unser guter Freund Thor ließ sich nicht lumpen und reiste eigens an, nur um Siggi mal wieder in den Arm nehmen zu können. Wenn Death Metal Herzen erwärmt, dann in solchen Momenten.
Doch auch abseits nostalgischer Gefühle legten TORTURIZED einen Auftritt hin, der noch lange nachhallen wird – nicht nur wegen Tom, der mit Abstand die beste Frisur des Wochenendes auf dem Kopf trug und damit selbst inmitten berstender Brutalität ein modisches Ausrufezeichen setzte.
Musikalisch zeigte die Band, warum sie seit über zwei Jahrzehnten zur Speerspitze des technischen Death Metal aus deutschen Landen zählt. Der Sound war glasklar und gleichzeitig mächtig druckvoll, jede Note saß, jede Tempoverschiebung kam auf den Punkt. Lu, seines Zeichens Sänger und Energiebündel, war in absoluter Höchstform und tobte über die Bühne wie ein Todesmetall-Hobbit auf Espresso-Infusion.
Das ist natürlich keine Musik für den klassischen Pit-Randalierer mit Bierdusche und Ellbogen in die Rippen. Nein, TORTURIZED sprechen jene an, die mit dem Taschenrechner in der einen und dem Plektrum in der anderen Hand das rhythmische Labyrinth zu durchdringen suchen. Und das gelang hier mit Bravour – die Ich-muss-da-genau-aufpassen-dass-ich-nichts-verpasse-Fraktion stand mit großen Augen und offenen Ohren vor der Bühne und sog jeden Takt auf.
Die Band selbst? Spielfreude pur. Kein stumpfes Runterleiern, sondern spürbarer Bock auf den Gig, auf das Festival, auf die Leute. TORTURIZED machten deutlich, dass sie nicht nur wegen alter Freundschaften eingeladen wurden – sie zeigten eindrucksvoll, warum sie immer noch dazugehören.
Zu diesem Zeitpunkt für mich ganz klar: die bisher beste Band des Wochenendes. Und auch wenn man es bei all dem musikalischen Anspruch kaum glauben mag – ein bisschen moshen konnte man trotzdem, sofern man seine Halswirbelsäule vorab versichert hatte. Die darauf folgenden Gespräche und Männerumarmungen führten dazu, dass ich PIECE im hangar verpasst, doch was aus der Wellblechhütte zu mir herüber waberte klang verdammt gut. Im Nachhinein ärgere ich mich ein wenig…


Gerade wollten wir es uns mit einem kühlen Getränk und der Vorfreude auf schwedischen Todesstahl gemütlich machen, da kam die Hiobsbotschaft: Die von unserem Thor sehnlichst erwarteten DEMONICAL mussten ihren Auftritt absagen – ihr Tourbus hatte kurz hinter Erfurt endgültig die Segel gestrichen. Scheiße gelaufen. Eine spontane Ersatzband war so kurzfristig nicht aufzutreiben, also wurde der Spielplan angepasst: Alle Bands durften etwas länger ran, und die Berliner Death-Metal-Legende HARMONY DIES wurde aus dem Hangar auf die große Bühne befördert. Manchmal muss man eben einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein – oder zur falschen Zeit mit der richtigen Band.
Denn was die alteingesessene Hauptstadt-Institution da auffuhr, war alles andere als ein lauwarmer Lückenfüller. Ich gebe es offen zu: Ich hatte HARMONY DIES lange nicht mehr auf dem Schirm, zu lange. Zwar existiert die Truppe schon seit Anfang der 90er und war mit Alben wie Don’t Trust oder Impact einst fest in der deutschen Death-Metal-Szene verankert, doch danach wurde es ruhiger – zumindest aus meiner Perspektive. Umso erfreulicher war es, hier Zeuge eines furiosen Comebacks auf großer Bühne zu werden.
Der Sound? Knackig. Das Set? Gut gewählt. Die Laune? Spürbar hervorragend – zumindest bei allen außer dem bedauernswerten Keksgrinder am Mikro, der sich bei frontalem Sonneneinfall eine Hautfarbe zulegte, die selbst Mister Crabs erröten ließ. Doch auch mit Röte im Gesicht wurde gebrüllt, gegrowlt und gegroovt, dass es eine wahre Freude war. Besonders das Gitarrenduo Mertens/Herold legte eine Sägearbeit hin, bei der sogar Altmetall zu weinen begonnen hätte – tight, brutal und mit sichtbarem Spaß an der Sache.
Ich stand grinsend vor der Bühne, und ich war nicht der Einzige. Um mich herum nickten alte Hasen zustimmend, während Neulinge verdutzt fragten: „Wo kommen die denn bitte her?!“ Antwort: Aus Berlin. Und hoffentlich bald mal wieder auf Tour, denn dieser Gig bewies eindrucksvoll, dass mit HARMONY DIES immer noch zu rechnen ist – vielleicht mehr denn je.
Ein ungeplanter Glücksfall mit sonnenverbrannter Stirn, fett sägenden Gitarren und einem erfrischend direkten Death-Metal-Gig, der so mancher Festival-Headliner-Band gezeigt hat, wie man’s macht. HARMONY DIES leben. Und wie!


DEHUMAN REIGN sind bekanntlich keine Band, bei der man ein lauschiges Akustikset oder filigrane Melodiebögen erwartet – sondern vielmehr das musikalische Äquivalent einer einstürzenden Panzerbrigade. Und genau das lieferten sie auch auf dem Protzen Open Air 2025 ab. Ursprünglich sollten an dieser Stelle GRAVESTONE auf der Hauptbühne zünden, doch deren Ausfall machte Platz für die Berliner – was mich persönlich keineswegs ärgerte. Ganz im Gegenteil: Ich halte DEHUMAN REIGN sowieso für die interessantere Kapelle.
Seit ihrer Gründung im Jahr 2011 haben sich die Hauptstadt-Death-Metaller mit Releases wie Ascending from Below oder Destructive Intent einen mehr als soliden Namen gemacht. Ihr Stil: kompromissloser, technisch versierter Death Metal amerikanischer Prägung, irgendwo zwischen Suffocation, Hate Eternal und Malevolence, aber mit ureigenem Biss. Dass das Quintett inzwischen auch live zur Oberklasse gehört, zeigten sie eindrucksvoll – mit einem der tightesten Gigs des Wochenendes.
Die Sonne meinte es an diesem Tag vielleicht etwas zu gut mit uns, doch was von oben verbrannte, wurde von unten musikalisch gleich noch einmal thermonuklear überstrahlt. DEHUMAN REIGN zogen ihr Set dermaßen straight und konzentriert durch, dass man glatt glauben konnte, die Bühne stünde unter militärischer Beobachtung. Die Songs rollten wie ein D-Zug durchs Infield, das gut gefüllt und hochmotiviert war. Die Leute feierten, bangten, rotierten – und das zu Recht.
Der Sound war ein Gedicht: trocken, druckvoll, mit messerscharfen Gitarren und einem Drumming, das einem direkt in die Magengrube trat. Besonders erfreulich: Die Band gab auch schon einen Vorgeschmack auf das bald erscheinende neue Album Dawn of Malefic Dominion, das am 25.07. endlich das Licht der Welt erblicken soll. Und wenn das gesamte Werk so klingt wie die neuen Stücke an diesem Tag, dann steht uns ein echter Brecher ins Haus. (Spoiler: Ich habe es schon komplett gehört *Zungerausstreck*
Es war einer dieser Auftritte, bei denen einfach alles passte: keine überflüssigen Ansagen, kein Klamauk, sondern pure, ehrliche Härte mit professioneller Spielfreude. Die Band wirkte dabei fast beängstigend fokussiert – wie ein Rudel chirurgisch präziser Raubtiere auf Speed. Und noch eine kleine Anekdote: Während andere sich ein Bier nach dem anderen gönnten oder ihre Sonnenbrände kultivierten, war das Einzige, was ich mir an diesem Tag einverleibte, ein Shirt von DEHUMAN REIGN. Kein Fehler – denn selten hat Merchandise so gut gepasst zum musikalischen Erlebnis.
DEHUMAN REIGN bewiesen eindrucksvoll, dass man nicht ein spröder Ersatz sein muss, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Ihr Auftritt war ein kontrolliertes Inferno, präzise gezündet und mit Nachbrenner versehen. Wer danach noch behauptet, Berlin könne keinen Old School Death Metal mit Klasse, dem ist auch mit Gehörschutz nicht mehr zu helfen.

Man erlebt ja einiges auf Festivals. Spontane Reunions alter Freunde, legendäre Konzerte, den einen oder anderen Pegelverlust – aber was sich hier hinter der Bühne zwischen Withering Nights und From Archaeon into Oblivion abspielte, hätte auch aus einem sehr speziellen Krimi-Roman stammen können. Plötzlich Tumult, Aufregung, Stimmengewirr. Kein Hexensabbat, sondern: Martin van Drunen höchstpersönlich – begleitet von Asphyx-Bassist Alwin – aufgeregt wie eine Katze beim Tierarzt. Zwei Paletten des hauseigenen Asphyx-Biers waren wie vom Erdboden verschluckt! Eine Diebesbande im eigenen Camp? Womöglich dieselben Schurken, die bereits zuvor auf dem Gelände für lange Gesichter gesorgt hatten?
Da ich mich nach dem großartigen Gig von DEHUMAN REIGN sowieso gerade im Backstage-Bereich aufhielt, nahm ich die Ermittlungen kurzerhand selbst auf – Hobby-Detektiv im Stile von Justus Jonas. Nur ohne Zentrale, ohne Peter, ohne Bob. Aber mit Bauch und Spürsinn. Und siehe da: Während des Be- und Entladens war offenbar eine andere Band versehentlich mit dem Hopfenheil auf Tour gegangen. Der wertvolle Inhalt wurde später peinlich berührt und mit vielen Entschuldigungen zurückgeschickt. Fall gelöst, Detektiv-Ehre gewahrt, und: Ich lasse mir Visitenkarten drucken – „Festival-Faust – Ermittlungen mit Bierernst“.
All das bedeutete aber auch: Ich bekam leider nur die zweite Hälfte des Sets von SOULBURN mit. Und das wurmte mich – nicht wie ein kleiner Regenwurm, sondern wie eine Made im Sarg. Denn was die Band aus dem niederländischen Oldenzaal da ablieferte, war nichts weniger als ein schwarzes Manifest aus Doom, Death und einem satten Schuss Bathory-Geist. Mein guter Freund Remco Kreft führte die Truppe mit seinen fetten Riffs zusammen mit Eric Daniels souverän durch ein Set, das mit seiner kalten Wucht und oldschooligen Schwere absolut perfekt zum langsam dämmernden Himmel passte.
Der Sound? Trocken wie holländische Kekse, druckvoll wie eine Abrissbirne, klar wie ein Statement gegen falschen Black Metal. Die Crowd vor der Bühne, nun nicht mehr gleißender Sonnenbestrahlung ausgesetzt, war hör- und sichtbar begeistert – Bierbecher in der Luft, Kutten im Takt, Nacken im Schleudermodus. Trotz meines halbierten Konzertgenusses kann ich sagen: SOULBURN haben alles richtig gemacht. In voller Länge wäre ich vermutlich seelisch zermahlen und komplett glückselig gewesen.
Während manche nur von True Crime hören, lebe ich es – mit Hopfenaroma und Detektivarbeit. SOULBURN hingegen leben den wahren, düsteren Metal mit glühender Überzeugung. Es war laut, es war düster, es war stark – und leider zu kurz für mich. Nächstes Mal ohne Bier-Schnitzeljagd, dafür mit kompletter Dröhnung!

Um es gleich vorwegzunehmen: Brutz & Brakel-Mastermind Marcus konnte seine Gitarre noch festhalten. Und das ist bemerkenswert, wenn man weiß, wie viele Hopfentees vorher scheinbar bereits die Speiseröhre runtergerutscht waren. Aber wie sagt man so schön? Wer früher stirbt, ist länger tot – und wer Depressive Age live sehen darf, lebt eindeutig länger.
Die Berliner Band mit ihrem ureigenen Sound zwischen Thrash Metal, Progressive Rock und einem Schuss 90er-Endzeitdüsternis gilt nicht umsonst als Kult. Bereits Anfang der 90er sorgten Alben wie First Depression oder Symbols for the Blue Times für hochgezogene Augenbrauen bei Szeneveteranen und eine treue, wenn auch überschaubare Fangemeinde. Die Mischung aus aggressivem Riffing, komplexen Arrangements und der prägnanten Stimme von Jan Lubitzki – irgendwo zwischen wimmerndem Klagegesang und hysterischer Anklage – war schon damals speziell. Und ist es noch immer.
Die berechtigte Frage war jedoch: Kommt diese schräge Mixtur auf einem Festival wie dem Protzen Open Air, das eher für brutaleren Stahl bekannt ist, überhaupt an? Die Antwort: Aber sowas von! Schon der Opener Lying in Wait setzte ein Ausrufezeichen und zeigte, dass Depressive Age trotz aller klanglichen Eigenheiten das Publikum auf ihre Seite ziehen können. Wer sich auf die Band einlässt, wird belohnt – und ich hatte an diesem Tag definitiv Bock.
Jan Lubitzki zeigte sich in absoluter Hochform, stimmlich irgendwo zwischen Albtraum, Kindheitstrauma und kathartischem Urschrei. Ein Frontmann, der nicht gefallen will, sondern fühlen lässt. Unterstützt wurde er von einem tight aufspielenden Rene an den Drums, dem nichts aus der Ruhe zu bringen schien, und natürlich von Gründungsmitglied Jochen Klemp, dessen Gitarrenspiel wie eh und je präzise und songdienlich war – und dabei noch so lässig aussah, als hätte er das alles im Halbschlaf gespielt.
Im Publikum blickte man in verzückte Gesichter, vereinzelt gar in nostalgisch-nasse Augen. Und auch wenn er selbst leider nicht mehr unter uns weilt, war er doch in vielen Gedanken anwesend: Schrod hätte diesen Moment sicher gefeiert. Vielleicht saß er ja irgendwo da oben mit einem kalten Bier und verdrückte leise ein Tränchen – mit Blick auf seine alten Freunde, die heute auf der Bühne alles gaben.
Depressive Age lieferten einen ebenso ungewöhnlichen wie überzeugenden Gig, der nicht nur eingefleischte Fans begeisterte, sondern auch so manchem Unwissenden eine neue Lieblingsband bescherte. Zwischen Thrash, Prog und Melancholie zeigte die Band, dass man mit Authentizität und Können auch im Jahr 2025 noch eine Bühne wie das Protzen Open Air dominieren kann – selbst mit einem Gitarristen, der mehr Hopfen als Plektren gesehen hat.


Die Beine wurden so langsam schwer, Müdigkeit machte sich breit. Doch wenn ASPHYX loslegen, ist Schluss mit Rumdödeln – da hilft auch kein Zucken im Wadenmuskel. Die niederländische Legende ließ sich nicht lumpen und fuhr alles auf: druckvolle Gitarren, brachiale Drums und Feuersäulen, die die düstere Festivalnacht in flackerndes Licht tauchten. Im Infield, brechend voll, bebte die Stimmung förmlich. Jeder spürte: Asphyx sind eine Bank – bucht man sie, weiß man immer, was man bekommt.
Zwischen urgewaltigem Death‑Metal und kolossaler Showpause glänzten die Niederländer mit einer großartigen Setlist, die aus all den Klassikern schöpfte, die man in den vergangenen Jahrzehnten angehäuft hatte. Vielleicht war die Band auch erleichtert, dass Olaf Jonas im Vorfeld des Gigs das verschwundene Bier wieder aufgespürt hatte.
Der Auftritt war alles andere als Routine – es war ein Statement: Deutsche andächtige Gesichter, dichte Atmosphäre, beinharter Groove. Als die Jungs ihre Bahnen zogen, war klar: Asphyx sind die Konstante in einer Szene voller Hypes. Solide wie ein Fels, vertraut wie ein Freund – eine Bank eben. Ein Live‑Epos, rauchig und lodernd wie ein Schmiedeofen. ASPHYX lassen sich nicht lumpen, liefern Klassiker und Show – und kommen mit Bier im Gepäck. Ein unvergesslicher Fish‑and‑Fury‑Moment auf dem Protzen Open Air.
Was für ein zweiter Tag! Die Sonne meinte es wieder etwas zu gut mit uns, mein Gesicht sieht jetzt aus wie ein schlecht gegrillter Kassler, und selbst der Staub auf dem Festivalgelände schwitzte. Doch zwischen UV-Strahlung und Nackensonnenbrand konnte man sich über eines ganz sicher nicht beschweren: Highlights. Davon gab es reichlich – musikalisch, menschlich und kriminalistisch. Letzteres übrigens gelöst – der Diebstahl des Asphyx-Biers konnte aufgeklärt werden, das Merchandise ist also wieder sicher in niederländischer Hand. Ob das den Festivalfrieden rettete? Vielleicht. Vielleicht war es aber auch nur die Erdbeerbowle, die mein Sohn offenbar für ein Solo-Experiment in Sachen Flüssignahrung hielt. Sagen wir so: Er bewegte sich danach wie ein schlaftrunkener Wal in Gummistiefeln.
Ich persönlich hatte mir den krönenden Abschluss des Tages eigentlich mit DOSTULATA erhofft – die beiden Reiter-Urgesteine Dr. Pest und Skelleton wollten unter diesem Namen die ersten drei Alben der Apokalyptischen Reiter wiederauferstehen lassen. Und glaubt mir: Allegro Barbaro oder Die Sonne scheint hätte ich nur zu gern mal wieder live gehört. Aber: Müdigkeit schlägt Nostalgie. Und so verließ ich, ein wenig traurig, aber doch beseelt, das Gelände – der Heimweg wartete, und im Gegensatz zu meinem Sohn wollte ich wenigstens nüchtern ankommen.
Zuhause angekommen – zack, zwei Minuten später, Tiefschlaf. Morpheus nahm mich schneller in den Arm, als ich „Schweißgeruch“ sagen konnte. Mit dem Gefühl eines wirklich gelungenen zweiten Tages voller guter Musik, netter Begegnungen und zu viel Sonne, träumte ich schon vom nächsten. Denn Tag 3 sollte – so viel sei verraten – musikalisch das ganz große Besteck auffahren. Und diesmal würde ich bleiben. Versprochen.
