BEHEADED - Għadam (2025)
(9.704) Olaf (9,0/10) Black / Death Metal

Label: Agonia Records
VÖ: 25.07.2025
Stil: Black / Death Metal
Manche Menschen fliegen nach Malta, um Sonne zu tanken, durch Gassen aus Sandstein zu schlendern und sich den Bauch mit Pastizzi vollzuschlagen. Ich liebe Malta jedoch aus ganz anderen Gründen: wegen seiner faszinierenden Geschichte, der warmherzigen Menschen und einer Kultur, die so lebendig wie tiefgründig ist. Dass dort obendrein eine der kultigsten Death-Metal-Bands Europas beheimatet ist, ist für mich das Sahnehäubchen auf dem Qassatat. BEHEADED gehören zu den Pionieren der maltesischen Extrem-Metal-Szene, haben Mitte der 90er ihre ersten Leichenstücke aus dem Mittelmeer gefischt – damals noch fest verankert im Slam Death Metal. Heute sind sie davon so weit entfernt wie ich von meinem Idealgewicht. Und das meine ich mit tiefstem Respekt für beide Entwicklungen.
Denn was die Herren um Frank Calleja auf Għadam (zu Deutsch: Knochen) abfeuern, ist kein plattes Gemetzel mehr, sondern düstere, tiefschürfende Kunst mit beängstigend hohem Wiederhörwert. Es ist ein Album, das man nicht mal eben so nebenbei hört. Man muss sich darauf einlassen, wie auf die alten Geschichten, die man sich in den Gassen von Mdina zuflüstert, wenn die Sonne längst im Meer versunken ist.
Der Titeltrack Għadam eröffnet die Platte wie das erste Kapitel eines alten Gruselbuchs – und genau das ist es auch. Das gesamte Album basiert auf den Werken des maltesischen Horrorschriftstellers Anton Grasso. Jeder Song trägt den Namen eines seiner Bücher, wird aber von der Band völlig neu interpretiert. So wird aus Xtrajt l-infern („Ich riss die Hölle heraus“) keine billige Splatterfantasie, sondern eine verstörende Reise in innere Abgründe, getrieben von rituellen Drums und Gitarren, die sich wie die Tentakel eines Seeungeheuers um deine Kehle legen.
Dass BEHEADED die Texte diesmal komplett auf Maltesisch verfasst haben, ist ein Geniestreich. Ich verstehe kein einziges Wort – und genau das macht es so großartig. Die Sprache wirkt wie ein verlorener Dialekt dunkler Zauberformeln, irgendwo zwischen lateinischen Gebeten und dem Zischen alter Dämonen. Und dabei steckt so viel Poesie und kulturelle Tiefe drin: Gebete, alte Volksdichtungen, religiöse Bilder – B’niket inħabbru l-mewt („Mit Trauer verkünden wir den Tod“) zitiert gar eine Totenlitanei, die einem Schauer über den Rücken jagt.

Musikalisch hat sich die Band längst von dumpfem Slam-Geboller emanzipiert. Hier treffen okkulte Choräle auf unheilige Melodien, wie sie auch Rotting Christ nicht besser komponieren könnten. Besonders in Iljieli bla qamar („Nächte ohne Mond“) kriecht die Atmosphäre in jede Pore: düstere Harmonien, getragen von einem fast sakralen Unterton – so klingt es, wenn der Tod einen Tanz mit der Seele wagt.
Dass die Band es schafft, in Jidħaq il-lejl („Die Nacht lacht“) düsteres Pathos mit bizarrer Ironie zu verknüpfen, ist bemerkenswert. Der Song klingt wie ein wahnwitziger Tanz auf dem Friedhof – völlig enthemmt, aber nie lächerlich. Selbst das akustische Gitarrenstück Irmied („Asche“) am Ende passt perfekt ins Konzept: handgespielt, archaisch, traurig und wunderschön. Malta, wie es leibt und stirbt.
Die Produktion, aufgenommen u. a. in Italien, Polen und Malta, ist eine Wucht: klar, aber nie klinisch. Brutal, aber nicht übersteuert. Der Mix von Davide Billia und das Mastering von Wojtek Wieslawski holen jede Nuance aus den Songs, ohne dass das rohe, okkulte Flair verloren geht. Die Kompositionen sind durchdacht, verschachtelt, mit überraschenden Details gespickt. Selbst beim fünften Durchlauf entdeckt man noch neue Ebenen in Ix-xjaten ta’ moħħi („Die Dämonen meines Geistes“) – sei es ein dezentes Synth-Element oder eine fast überhörte Tempowechsel-Brücke. Und das Artwork? Ein düsteres Foto, das aussieht, als hätte man es aus einer verfluchten Familienbibel gezogen. Großartig.
BEHEADED liefern mit Għadam ein Album ab, das so spannend, abwechslungsreich und kulturell reich ist wie ihre Heimat selbst. Statt sich auf Altbewährtem auszuruhen, wagen sie sich auf sprachlich und musikalisch neues Terrain – mit einem Resultat, das atmosphärisch fesselt, textlich fasziniert und kompositorisch überzeugt. Wer hier nur auf Blastbeats wartet, hat das Konzept nicht verstanden. Dies ist kein Todesblei von der Stange – dies ist Totenkunst in Reinform. Ein düsteres Monument aus dem Herzen des Mittelmeers.
Anspieltips
🔥Iljieli bla qamar
💀B’niket inħabbru l-mewt
🎸Ix-xjaten ta’ moħħi
Bewertung: 9,0 von 10 Punkten
TRACKLIST
01. Għadam
02. Xtrajt l-infern
03. B'niket inħabbru l-mewt
04. Iħirsa
05. Il-Kittieb
06. Ix-xjaten ta' moħħi
07. Iljieli bla qamar
08. Jidħaq Il-lejl
09. Irmied