KALTSCHLÄCHTER - My own God (EP) (2025)
(9.814) Olaf (8,0/10) Death Metal

Label: DIY
VÖ: 05.09.2025
Stil: Death Metal
Ich geb’s zu: Beim Opener Leprosy habe ich im ersten Takt kurz zusammengezuckt – startet diese Truppe wirklich mit einer Death-Coverversion? Nee. Eigenkomposition. Und zwar eine, die mit schwerem Schritt, großem Atem und dickem Tieftonfundament klarstellt, wohin der Hase läuft: nach vorne, aber im lässig schleppenden Midtempo, wo Riffs Zeit zum Atmen haben und der Bass nicht Dekoration ist, sondern Leitfigur. Genau so mag ich Kaltschlächter auf Anhieb – ohne Retro-Fetischismus, aber mit dem Selbstbewusstsein einer Band, die weiß, was an griffigem Death Metal seit jeher funktioniert.
Zur Einordnung hilft die Herkunft: Aus den Trümmern der Lübecker Death-Metal-Combo Addiction formierte sich 2022 der neue Kader um Dennis (Vocals) und Sven (Drums); René stieß an der Gitarre dazu, später kehrte Oli für die EP-Aufnahmen an die zweite Gitarre zurück, und Tobi zurrte am Bass die Schrauben noch fester. Ergebnis: ein Quintett, das Erfahrung mit frischem Elan verbindet und diese Energie nun auf der Debüt-EP „My own God“ bündelt. Vier Stücke, klare Kante, null Füllmaterial.
Klangbild? Schöner Schleifgang: Gitarren als Doppelspitze – das eine Sägeblatt setzt Kerben, das andere legt den Druck in die Fläche –, darüber ein stoisch treibendes Drumkit, das lieber stampft als hetzt. Das Entscheidende aber ist der Bass: nicht nur spürbar, sondern prägend. Er wuchtet die Grooves nach vorn, füllt die Zwischenräume zwischen den Palm-Mute-Hieben und verleiht dem Ganzen diese spezifische, schwarzglänzende Schwere, die in Clubs wie ein warmer Sturm wirkt. Dennis growlt dazu in einer Lage, die nicht auf Effekthascherei setzt, sondern auf Körnung und Verständlichkeit – man hört Silben, ohne dass die Rauheit poliert würde.

Was Kaltschlächter hier auszeichnet, ist nicht das Versprechen, das Rad neu zu erfinden – wozu auch? –, sondern das Gespür für Statik und Trägheit im besten Sinne: Diese Musik lebt davon, dass sie Gewicht hat. Die Produktion spielt den Stärken in die Karten: organischer Drumsound ohne Plastik, Gitarren mit ausreichend Korn, um die Kanten zu spüren, und ein Bass, der nicht unter dem Teppich wohnt, sondern im Mittelpunkt den Tisch deckt. Anstatt die Parts zu verkomplizieren, setzt die Band auf kleine, effektive Spannungswechsel: ein halber Takt Luft, eine plötzliche Akzentverschiebung, ein Rückfall in den Groove – fertig ist der Kopf-Nick-Reflex. Und genau so sollte Musik funktionieren, die dich nicht verschachtelt beeindrucken, sondern körperlich erwischen will.
Dass der Name Leprosy als Einstieg erst mal falsche Fährten legt, ist ein kleiner, sympathischer Troll-Move. Danach ist alles klar: Kaltschlächter definieren auf ihrer ersten Veröffentlichung die Spielwiese – schleppender, basslastiger Death Metal mit bekennender Vorliebe für Druck statt Geschwindigkeit. Als erstes Lebenszeichen einer neuen Zeitrechnung durchaus passabel, an mehreren Stellen sogar ausgesprochen überzeugend: Hier sitzt die Balance aus Roughness und Form, hier werden Riffs nicht überdehnt, und hier weiß eine Band, wann man eine Idee in die Erde stampfen, statt sie tot zu erklären hat. Wenn das die „Nullserie“ ist, dann darf der nächste Guss ruhig größer ausfallen.
Kaltschlächter servieren auf „My own God“ genau die Sorte Death-Metal-Schwerlast, die nicht blitzt, sondern brennt – langsam, dunkel, nachhaltig. Das Rad bleibt rund, rollt aber angenehm tief durch den Magen. Kann man machen. Kann man sogar öfter machen.
Bewertung: 8,0 von 10 Punkten
TRACKLIST
01. Leprosy
02. Merciless Brood
03. Seger’s Symphony
04. My own God