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THE MIST – The dark Side of the Soul (2025)

(9.909) Olaf (6,9/10) Thrash Metal


Label: Alma Mater Records
VÖ: 24.10.2025
Stil: Thrash Metal






Manchmal fühlt es sich an, als hätte jemand die alte Thrash-Zeitschrift aus dem Keller geholt, ordentlich abgestaubt, und dann beschlossen, mit blutverschmierten Fingern ein bitteres Tagebuch über das menschliche Scheitern hineinzuschreiben. Genau so wirkt die Rückkehr von THE MIST – und ja, allein der Gedanke, dass diese brasilianische Legende 30 (!) Jahre nach Gottverlassen wieder ein vollständiges Album liefert, hat meine Nostalgie-Synapsen kurz zum Glühen gebracht. Vladimir Korg ist zurück, die Band hält – zum ersten Mal überhaupt – das Line-up der vorherigen EP stabil, und die Erwartungen sind… komplex.

Die Geschichte dieser Truppe ist ohnehin ein wilder Ritt: einst aus der Asche von Mayhem hervorgegangen, damals mit Korg, später mit Jairo Guedz (ja, der von Troops of Doom und Ex-Sepultura-Fraktion), dann die Industrialsause in den 90ern, Auflösung, Reunion, neue Formation, Pandemie-Durchhalte-Attitüde, Europa-Deal – und jetzt also The Dark Side of the Soul. Ein Konzeptalbum, das in drei Kapitel geteilt ist, und thematisch irgendwo zwischen Existenzangst, Selbstzerfleischung und metaphysischem Seelenchirurgen-Drama pendelt. Thrash Metal mit Philosophie-Seminar-Aftertaste. Klingt anstrengend? Ist es auch – auf die gute und die herausfordernde Art.

Bevor wir in die Seele steigen: Klang. Holy Thrash-Reliquien-Raum! Dieses Album klingt, als hätte sich die Band nach dem Terrible Certainty-Mix klammheimlich ins Studio geschlichen, alles verkabelt gelassen und dann 2025 auf „Record“ gedrückt. Rau, trocken, rotzig, aber erstaunlich direkt – wie das alte Kombipaket aus Teer und Wut. Tue Madsen hin oder her, hier regiert 80er-Authentizität auf Steroiden. Und ausgerechnet das ist gleichzeitig Charme und Handicap: frisch klingt anders, aber hier ging's wohl ums Blut, nicht um Botox.

Konzeptuell allerdings hat man sich Mühe gegeben – und wie. Der Opener The Curse of Life stellt ohne Umschweife klar, dass dieses Album kein freundlicher Ort ist. „Nobody gets out alive“ und die wiederholten Schock-Szenarien von Autounfall bis Suizid hämmern das Thema ein. Dazu die Seele, die panisch brüllt: „Wake up! Wake up!“ – subtil ist anders. Aber beeindruckend konsequent.

Ab Part II wird’s fast schon poetisch-abstrakt. Jeder Körperteil bekommt seine psychologische Bedeutung. Herz, Gehirn, Leber, Lunge, Gesicht, Knochen – psychoanatomische Bestandsaufnahme mit nihilistischem Unterton. Ein Beispiel: In Name + Number = Namber heißt es:

„I live in my Plato’s cave,
Playing with my shadows.
In the end I always fail.“

Wer Thrash-Texte aus Brasilien erwartet, bekommt Existenzialismus mit Social-Media-Algorithmus-Angst (auch nicht alltäglich). Killing My Imaginary Friends schlägt voll in die Schmerzkerbe: „Stop the voices… I feel pain“ Death is Alive Inside Me besingt den inneren Verfall, und am Ende schreit Return to SenderNo regrets, no remorse“ – als ginge's hier um ein Souls-like-Game, das man endgültig ragequittet hat.

Musikalisch bleibt vieles in der Brutalo-Thrash-Zone: Up-Tempo, sägende Riffs, leicht verhalltes Gekeife, und das Gefühl, dass die Musiker im Studio keine Stühle hatten, sondern nur Nägelkissen und Bitterkaffee. Es ist hart, ernst, konsequent – vielleicht manchmal zu konsequent. Hier wird wenig gespielt, wenig gelächelt, wenig gelockert. Atmosphäre statt Bang-für-Bang-Hitparade.

Und ja, ehrlich gesagt: mich reißt es musikalisch nicht komplett vom Hocker. Handwerklich solide, Attitüde on point, Konzept spannend – aber so richtig kleben bleibt wenig außer Respekt und Gänsehauttextmomenten. Vielleicht bin ich verdorben von modernem Thrash-Klangbombast, vielleicht braucht es mehr Durchgänge, vielleicht ist die Platte eher ein literarischer Schlag in die Magengrube als ein Live-Abrisskommando. Trotzdem: wer sich für tiefgestochene Inhalte interessiert, findet hier reichlich Material, um in dunklen Gedanken zu baden.

THE MIST liefern ein Album, das weniger Bühnenabriss und mehr schwarzer Seelenbalsam ist – allerdings von der Sorte, bei der man sich zwischendurch fragt, ob das Brennen normal ist. Konzeptstark, düster, unversöhnlich und mutig anti-trend. Thrash für Menschen, die nachts Nietzsche lesen statt YouTube-Reaction-Videos zu bingen. Nicht jeder Moment zündet musikalisch, aber das Projekt lebt vom Gewicht seiner Worte und der kompromisslosen Haltung. Vielleicht kein Triumphzug – aber ein fesselnder, unbequemer Gang durchs Seelenmoor. Und manchmal muss Musik eben weh tun.


Bewertung: 6,9 von 10 Punkten


TRACKLIST

01. The Curse of Life
02. (Embryo) – Anatomy of the Soul
03. (Cuore) – The dark Side of the Soul
04. (Brain) – Gepetto’s Song
05. (Liver) – Killing my imaginary Friends
06. (Lungs) – Death is alive inside me
07. (Face) – Name+Number=Namber
08. (Bones) – Lesson lived, Leason learned
09. (Death) – Return to Sender 




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