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ROTTEN SOUND – Mass Extinction (2025)

(9.985) Olaf (7,0/10) Grindcore


Label: Season of Mist
VÖ: 12.12.2025
Stil: Grindcore






Schon geil, wenn man während der Vorbereitung auf ein Review die Scheibe ungelogen sechsmal hintereinander hören kann, ohne dass man dabei den Tagesrhythmus durcheinanderbringt. Mass Extinction dauert schließlich nur neun Minuten – was exakt der Zeit entspricht, die man braucht, um Spaghetti al dente zu bekommen oder um auf dem Klo (groß) ein halbes Leben zu überdenken. ROTTEN SOUND haben also wieder genau das gemacht, was sie seit drei Dekaden perfektioniert haben: Sie liefern einen Schlag in die Magengrube ab, der kurz ist, dafür aber lange nachwirkt.

Die Finnen aus Vaasa gehören seit jeher zu denen, die Grindcore nicht als Genre, sondern als Naturgewalt begreifen. Seit 1993 prügeln sie mit einer Mischung aus Crust, Death Metal und politischer Schärfe gegen alles, was stinkt, fault oder die Welt kaputtmacht. Und wie der Pressetext es so schön verzerrt formuliert: Die Welt sei inzwischen nur noch weiter in den Abgrund gerutscht – also antworten ROTTEN SOUND mit einem Statement, das so kompakt ist wie eine Stichflamme.

Man hört diese Frustration sofort. Recycle reißt das Konsumthema auf, indem Keijo Niinimaa feststellt, dass unsere „plastic reality“ und das „oily packaging“ einen Kreislauf erzeugen, der nie endet. „The circle never ends“ – und man hat sofort dieses Bild einer Welt vor Augen, die vor lauter grünen Labeln lächelt und innerlich trotzdem blutet. Grindcore ist eben der Ort, an dem Ökologie nicht diskutiert, sondern zerstampft wird.

In Ride of the Future bekommt die E-Mobilität ihr Fett weg. Die Zeile über „minerals … mined to create batteries“ und die „slaves“ in den „polluted zones“ trifft härter als jeder Blastbeat. Was nützt ein sauberes Auto, wenn der Dreck nur woanders hin verschoben wird? Diese 45 Sekunden reichen, um ein komplettes Nachhaltigkeitskonzept auseinanderzunehmen – schneller, als jeder Lobbyist „Sonderregelung“ sagen kann. Gone legt anschließend die emotionale Messlatte auf Frostbrand-Niveau. „We are always doomed“ und „we shall all be gone“ sind keine lyrischen Stilmittel, sondern ein Endzeitfazit, das mit brutaler Klarheit daherkommt. Es ist fast tröstlich, jemanden so schonungslos aussprechen zu hören, was ohnehin im Raum steht.

In Polarized wird die politische Landschaft seziert wie ein Stück Aas auf dem OP-Tisch. Wenn Niinimaa immer wieder betont, dass „the politics start to oppose“ und dass ein Kampf, „that never begins, is not going to end“, dann ist das der perfekte Kommentar zur gegenwärtigen Dauer-Debatte, in der alle schreien, niemand zuhört und die Realität irgendwann auf der Strecke bleibt.

Brave New World schaltet weiter in den Survival-Modus. „Trust no-one“, „learn to survive“, „crawl and find safety“ – eigentlich klingt das wie ein dystopischer Ratgeber, aber im Grindcore-Kontext wird daraus eine bittere Bestandsaufnahme unserer Informationsgesellschaft. Wenn jeder lügt, lügen irgendwann auch die, die eigentlich warnen wollten. In Empty Shells dreht sich alles um die Wohlstandsleere: zu viele Möbel, zu viele Quadratmeter, zu wenig Sinn. „Sell the property / End up owning your bank“ ist eine der zynischsten Zeilen der EP, und sie trifft genau den Nerv dieser Mittelschichtstragödie, in der Menschen Kreditraten abbezahlen, die ihnen das Leben aussaugen, während sie sich jedes Wochenende mit Alkohol betäuben.

Und dann Idealist, der vielleicht ehrlichste Moment der Platte. Die Suche nach einem „new state of light and glory“ kippt schnell in die Erkenntnis, dass wir „never be good enough to become the next level beings“. Ein Achtungserfolg für den Pessimismus: Selbst Hoffnung wird hier noch pulverisiert. Der Titeltrack Mass Extinction kommt ohne Text aus – und seltsamerweise ist das die aussagekräftigste Entscheidung der ganzen EP. Nur gesampelte spoken Words, weil es irgendwann nichts mehr seitens der Band zu sagen gibt. Die Musik erledigt den Rest, und zwar mit einer Vehemenz, die kaum Raum für Erklärungen lässt.

Natürlich gibt es permanent aufs Maul. Natürlich wäre es komplett überflüssig, bei neun Minuten Spielzeit auf einzelne Songstrukturen einzugehen. Mass Extinction ist nicht für die Analyse da, sondern für den Abriss. Für jene Momente, in denen man die Welt anschreit und weiß, dass sie nicht zurückschreit, sondern einfach nur weitermodert.

Mass Extinction ist Grindcore in seiner reinsten Form – ein Konzentrat aus Wut, Weltuntergang und bitterer Klarheit. Neun Minuten, die einem den Puls hochtreiben, den Glauben an die Menschheit reduzieren und gleichzeitig die Freude am Lärm steigern. ROTTEN SOUND zeigen einmal mehr, dass sie nicht altern, sondern nur härter werden. Ein EP wie eine Katastrophenwarnung – kurz, schrill, notwendig.


Bewertung: 7,0 von 10 Punkten


TRACKLIST

01. Recycle
02. Ride of the Future
03. Gone
04. Polarized
05. Brave new World
06. Empty Shells
07. Idealist
08. Mass Extinction 



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