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TILL LINDEMANN – Zunge (2023/2025)
(9.955) Clemens (9,0/10) Industrial
Label: Self-Release / Out Of Line
VÖ: 03.11.2023 / 19.08.2025
Stil: Industrial
Irgendwie vergessen, untergegangen oder doch ignoriert, aber im August dieses Jahres hat TILL LINDEMANN sein 2023-„Debut“-Album Zunge re-released, und da dachte ich mir: Nehmen wir es uns doch jetzt mal vor, oder? Wenn nicht ich, würde es sonst wohl keiner bei ZO tun. Aber nachdem ich mich monatelang reingehört habe, wollte ich mir die Sache einfach mal annehmen bzw. verspürte den Drang dazu. Dass damals 2023 keine Promo bei uns eingetrudelt ist, kann sich wohl jeder denken, woran es gelegen hat, und das soll und muss nun auch hier kein Thema sein. Das Scheibchen kam demnach auch nicht umsonst als Self-Release heraus und lief somit ein wenig unter dem Radar, der mit anderen Dingen betrübt und beschäftigt war.
Was damals wie heute für mich persönlich spannend war, war der Fakt, dass sich weit zuvor Till im Projekt LINDEMANN von Peter Tägtgren getrennt hatte und dies somit die erste richtige Soloscheibe in dem Sinne ist, da bei den Alben zuvor doch sehr stark Peters musikalischer Einfluss zu hören und zu spüren war. Was damals noch ein wenig wie PAIN mit anfangs englischen und später deutschen Texten, eingesungen von Till Lindemann, klang, erklingt nun ein wenig RAMMSTEIN-artiger. Demnach finde ich die „Umbenennung“ des Projektes zu TILL LINDEMANN doch passend und könnte man auch als „Debut“ sehen – jeder wie er will.
Natürlich hat auch hier der gute Till wieder musikalische Hilfe bekommen, seine Texte und Kompositionen zu vertonen. Zwei Namen ploppen da auf, nämlich Daniel Karelly und vor allem Sky Van Hoff, welcher ein wirklich bekannter Produzent in der Szene ist und neben natürlich RAMMSTEIN selbst bei wirklich vielen namhaften Bands am Songwriting beteiligt war. Musikalisch gesehen hat man natürlich dennoch die Quintessenz von Peters Kompositionen der Vorgängeralben behalten und einen gut nachfolgenden Industrial-Sound geschaffen (Sport Frei, Altes Fleisch), aber diesen ein wenig abgerundet und glatter sowie pompöser, ohne so viele Ecken und Kanten, kreiert. Dazu gesellen sich aber auch einige Balladen und ruhigere Titel, die wirklich deutlich mehr Richtung Rammstein gehen (Übers Meer, Du hast kein Herz). Und zum Schluss haben wir auch noch ein paar Ausreißer-Titel, die sich anderer Genres und klassischer Stilmittel bedienen (Tanzlehrerin).
Ein spannender, aber gut funktionierender Mix, der schon beim zweiten „Vorgänger“ hier und da zu hören war und nun wirklich in „Perfektion“ ertönt. Da spielt auch die wirklich heftige Produktion mit hinein und lässt sehr schnell einige Titel zu Ohrwürmern werden. Und dann haben wir ja auch die Texte, welche – wie sollte es auch anders sein – Till-typisch sind: noch provokanter, aber auch etwas tiefgründiger, als es bei der Hauptband meines Erachtens der Fall ist. „Tiefgründiger“ ist dabei natürlich mit all seinen Bedeutungen und Doppeldeutigkeit gemeint. Das muss man mögen, definitiv, und grundsätzlich bleibt die Platte ein intimeres Extra für Fans von Till und seinen Gedanken bzw. seiner Art und Weise von Lyric und Co.
Was bei der 2025-Version natürlich neben einem ordentlichen Release mit Merch und Co. noch hervorsticht, ist die Bonus-CD, welche mit ganzen neun Titeln echt vieles bietet, das man nicht unterm Tisch fallen lassen sollte und kann – und für mich das Album eigentlich auch erst komplett macht. Denn neben ein paar Remixes aus der Elektroszene sind hier noch einmal fünf ganz neue Titel enthalten, die – warum auch immer – nicht auf der ersten Version mit drauf waren oder erst später entstanden sind, aber definitiv dazugehören. Gerade bei Meine Welt plus dem Cover der neuen Edition würde ich fast tippen, entstand das erst nach dem ganzen Tumult und Ärger von „damals“. Lolipop ist dabei der passende Nachfolger zu Mathematik von damals, und der Rest reiht sich passend in das benannte Schema der Hauptplatte ein.
Sehr spannend, und unterm Strich muss ich sagen, gefällt mir die Platte am besten von den dreien, da sie dahingehend auch einfach gezielt produziert und komponiert wurde und ggf. das widerspiegelt, was die Intention des „Soloprojektes“ gewesen war und ist. Das wäre ggf. mit meinem Idol so nicht möglich gewesen – wer weiß –, aber muss es auch nicht unbedingt und hat damals zwei gute Alben geschaffen, die niemand für möglich gehalten hatte und den Grundstein für das nun mir vorliegende Album definitiv bereitet haben.
Anspieltipps:
🔥 Zunge
🎸 Tanzlehrerin
💀 Meine Welt
Bewertung: 9,0 von 10 Punkten
TRACKLIST
01. Zunge
02. Sport Frei
03. Altes Fleisch
04. Übers Meer
05. Du hast Kein Herz
06. Tanzlehrerin
07. Ich Hasse Kinder
08. Nass
09. Alles Für Die Kinder
10. Schweiss
11. Lecker
12. Selbst Verliebt
2025 Bonus Disk
01. Prostitution
02. Und Die Engel Singen
03. Meine Welt
04. Entre Dos Tierras
05. Und Die Engel Singen (Swarm Remix)
06. Meine Welt (Weltuntergang Remix by Aesthetic Perfection)
07. Und Die Engel Singen (Alas Caidas Remix By Hocico)
08. Übers Meer (Piano Version)
09. Lolipop

