CONDITION CRITICAL – Degeneration Chamber (2025)
(9.757) Olaf (9,5/10) Thrash Metal

Label: DIY
VÖ: 05.09.2025
Stil: Thrash Metal
2018, Berliner Tommyhaus, Schweiß tropft von der Decke, drei Thrash-Bands im Programm: Annexation aus Berlin (bis heute in meiner persönlichen Playlist gesetzt), die US-Speed Metal-Verrückten von SEAX (ebenso) – und Condition Critical. Letztere lieferten einen amtlichen Abriss, aber danach… Funkstille. Neun Jahre lang kein neues Material. Für jemanden wie mich, der damals schon ein Shirt der Truppe im Schrank hängen hatte (das inzwischen wieder ins mittlere Regal umsortiert wurde, Wertsteigerung inklusive), war das schlicht frustrierend. Umso größer jetzt die Freude – nein, die Genugtuung – als plötzlich Degeneration Chamber in meinem Player rotiert. Und ich frage mich: DIY? Sind alle Plattenfirmen taub und dumm? Wie kann man so ein obergeiles Thrash-Album einfach ignorieren?
Die Jungs aus New Jersey – Ryan Taylor (Vocals/Guitar), Tony Barhoum (Lead Guitar), Mike Dreher (Bass) und Ryan Donato (Drums) – haben hier ihr bislang intensivstes und komplettestes Werk abgeliefert. Schärfer, brutaler, kompromissloser. Das ist nicht einfach ein weiteres Album, sondern das Statement von Condition Critical: chaotisch, unversöhnlich, aus purer Aggression geschmiedet. Ich kann das nur unterschreiben. Schon der Opener Wretched Aggression macht klar, dass hier keine halben Sachen gefahren werden. Schneller, härter, aber auch punktuell langsamer und zäh wie heißer Teer – genau diese Wechsel machen das Album so packend.
Stilistisch haben wir hier den Spirit der späten Achtziger und frühen Neunziger in Reinform. Da ist viel Atrophy drin, eine ordentliche Portion alte Vio-Lence, Speed bis zum Umfallen, Moshparts, die dir die Schuhsohlen zum Glühen bringen – und kein Wunder, dass irgendein Witzbold ihnen mal den Spitznamen Demolition Hammer Jr. verpasst hat. Der trifft es ziemlich genau, denn dieses Brett klingt, als hätte man den Geist der New Yorker Thrash-Brutalität direkt in eine New Jersey-Garage verfrachtet und dort mit frischem Blut aufgepumpt.

Textlich wird in Degeneration Chamber nichts beschönigt. Songtitel wie Cranial Dissolution, Postmortal Simulation oder Psychological Epidemic klingen nicht nur wie das Menü eines besonders bizarren Splatter-Festivals, sondern spiegeln auch inhaltlich das wider, was hier geboten wird: menschliche Abgründe, gesellschaftlicher Zerfall, pure Dekonstruktion. Kein billiger Splatter-Klamauk, sondern Thrash mit Biss, Wut und klarer Haltung. „Unapologetically true to their roots“ – und selten war das so glaubwürdig wie hier.
Produktionstechnisch sitzt das Ding wie ein frisch geschnürter Hightop. Mike Low hat gemischt und gemastert, die Gitarren und der Bass wurden von Tony Barhoum selbst eingefangen, Drums und Vocals separat von Spezialisten. Das Ergebnis: ein druckvoller, transparenter, aber trotzdem angenehm räudiger Sound. Genau so muss Thrash klingen – roh genug für den Proberaum-Charme, klar genug, dass jedes Riff wie eine Kettensäge im Ohr landet. Das Artwork von Andrei Bouzikov ist dermaßen cool, dass es nicht nur nach einem Shirt schreit, sondern praktisch darum fleht. Irgendwer möge bitte dieses Motiv in L auf Stoff bannen – ich kaufe es blind. Für mich steht fest: Das ist bisher das Thrash-Album des Jahres. Keine Anbiederung, kein Trendgerutsche, einfach pure Energie und Spielfreude. Also: Hightops an, anschnallen und ab in den Circle Pit.
Condition Critical sind zurück – und wie! Degeneration Chamber ist ein Schlag in die Fresse all derer, die Thrash schon totgesagt haben. Ein Album, das nicht modern sein will, sondern einfach gnadenlos gut ist. Das hier ist kein Nostalgie-Trip, sondern eine lebendige Abrissbirne aus Riffstahl und Schlagzeugsperrfeuer. Wer da stillsitzen kann, hat entweder kein Herz oder schon lange keine funktionierenden Nackenmuskeln mehr. Witzig dass meine Bewertung exakt der Veröffentlichungsdatum der Scheibe entspricht. Illuminati???
Anspieltipps
🔥Wretched Aggression
💀Cranial Dissolution
🎸Psychological Epidemic
Bewertung: 9,5 von 10 Punkten
TRACKLIST
01. Wretched Aggression
02. Decontructive Horrors
03. Cranial Dissolution
04. Hydroponic Mutation
05. Postmortal Simulation
06. Psychological Epidemic
07. Incubation Disposal
08. Cryonic Intestinal Preservation
09. Excarnation