SOULFLY - Chama (2025)
(9.897) Olaf (4,5/10) Thrash Metal
Label: Nuclear Blast
VÖ: 24.10.2025
Stil: Thrash Metal
Es gibt Bands, bei denen man instinktiv weiß, was einen erwartet – und bei Soulfly gehört Max Cavalera zu jenen Gallionsfiguren, bei denen ich bislang nie enttäuscht wurde. Egal ob Nailbomb, Cavalera Conspiracy oder die legendären Re-Releases der frühen Sepultura-Phase: Max packt mich jedes Mal. Der Mann ist ein wandelndes Riff- und Groove-Monument, ein wilder Schamane des Metal. Und trotzdem sitze ich bei Chama fassungslos da, kratze mir den Kopf und frage mich: Was, zum Teufel, hat er sich dabei gedacht?
Zugegeben, die Eckdaten sind eigentlich ein Versprechen: Das mittlerweile dreizehnte Studioalbum der Band ist durchzogen von Stammesrhythmen, spiritueller Symbolik und einer Rückbesinnung auf die schmutzigen Gassen Belo Horizontes. Chama – portugiesisch für „Flamme“ – soll den inneren Funken, das Feuer des Lebens und den Ruf der Ahnen beschwören. Das Konzept erzählt vom Jungen Chama, der sich aus den Favelas in den Amazonas schlägt, dort seine Bestimmung zwischen Geistern, Trommeln und Wurzeln der Natur findet. Tribal, archaisch, kämpferisch – das alles klingt zunächst nach einer Rückkehr zu alter Soulfly-Stärke.
Textlich wird gleich zu Beginn mit Indigenous Inquisition ein markantes Statement gesetzt: Max rezitiert musikdie Namen längst ausgelöschter indigener Völker Amerikas, ein unruhig pulsierender Trommelboden legt sich darunter, das Ganze wirkt wie ein Ritual, eine Beschwörung, ein Zornesausbruch gegen das Vergessen. Und das funktioniert. Hier zündet der Spirit, hier lodert die Flamme. Doch spätestens wenn die restlichen Songs einsetzen, wird klar: das Feuer verläuft sich im Soundnebel.
Denn der Sound ist, um es offen zu sagen, ein einziger Matsch. Und das überrascht doppelt, denn an den Reglern saßen nicht irgendwer, sondern Sohnemann Zyon Cavalera, Arthur Rizk und Studio-Veteran John Aquilino mit edelstem Equipment. Aber statt Druck und Klarheit wabert ein seltsam dumpfer Hall über allem, als hätte man den Nachhall der „Schizophrenia“-Neuauflage aus Versehen gleich mit in die Produktion gekippt. Die Gitarren sind gut gespielt, die Riffs stark, die Groove-Momente da – aber alles wirkt, als würde man durch einen nassen Wollteppich zuhören. Ich habe mehrfach gegengecheckt, Spotify, YouTube, Download-Dateien… alles gleich. Max, das war Absicht. Und das ist mein Problem.
Dabei sind richtig gute Songs drauf. Dino Cazares’ Gastbeitrag auf No Pain = No Power knattert wie ein Maschinengewehr, Michael Amott wirbelt in Ghenna über das Grundgerüst wie ein Besessener, Todd Jones verleiht Nihilist (eine Hommage an L.G. Petrov) eine bedrohliche, fast apokalyptische Färbung. Auch die Texte sitzen wie ein Faustschlag: In Favela Dystopia zeichnet Max ein wütendes Bild jener Welt, in der „the fire burns, the streets still bleed“. Hier ist das Soulfly, das ich kenne – roh, wütend, ungezähmt. Doch die Produktion raubt diesen Momenten die Wucht.
Das Konzept selbst – spirituell aufgeladen, mit Indigenen-Mythologie, Familienband und klarer Haltung – ist eigentlich faszinierend. Max’ Stimme klingt kraftvoll wie eh und je, Zyon trommelt wie ein junger Kriegsgott, und Gastmusiker wie Mike DeLeon, Dino Cazares und Michael Amott liefern erstklassige Arbeit ab. Aber das Album wirkt, als hätte jemand einen grandiosen Film gedreht und dann durch einen Aquarium-Filter laufen lassen. Das Feuer bleibt, aber es flackert nur noch matt durch die Wasserblase.
Ich bin ein bekennender Max-Cavalera-Fan, und genau deshalb trifft mich Chama so zwiespältig. Vielleicht verstehe ich das Konzept nicht. Vielleicht ist es die akustische Umsetzung einer spirituellen Vision, die sich mir nicht erschließt. Aber für mich bleibt am Ende ein Album, das großartig sein könnte, aber an seiner Soundästhetik erstickt.
Bewertung: 4,5 von 10 Punkten
TRACKLIST
01. Indigenous Inquisition
02. Storm the Gates
03. Nihilist
04. No Pain = No Power
05. Ghenna
06. Black Hole Scum
07. Favela-Dystopia
08. Always was, always will be…
09. Soulfly XIII
10. Chama

