VOLTRON – The slow dying of Light (2025)
(9.710) Olaf (7,5/10) Doomcoreblutgrätsche

Label: DIY
VÖ: 2024
Stil: Doom / Sludge
Wenn eine Band aus Berlin eine Mail schreibt, in der sie offen zugibt, dass ihr neues Album „ein halbes Jahr alter Hut“ sei, aber gleichzeitig „jungfräulich wie am ersten Tag“ – dann horche ich auf. Erst recht, wenn der Absender VOLTRON heißt. Wer uns regelmäßig liest, wird sich womöglich an Kaventsmann (2012) erinnern – ein Meisterwerk, das seit Jahren treu in meiner Playlist campiert, wie ein unerschütterlicher Bär im Winterschlaf. Nun also The Slow Dying of Light. Viertes Album. Viertes Kapitel aus dem schweren, schleifenden, sonoren Sludge-Doom-Buch dieser Band, die sich selbst als Erfinder der „Doomcoreblutgrätsche“ bezeichnet – eine Kategorie, die genauso schmerzhaft klingt wie sie wirkt.
VOLTRON sind, und das darf man in Zeiten steriler Metal-Produktionen ruhig mal betonen, nicht einfach nur ein weiteres Doom/Post-Irgendwas-Kollektiv. Sie sind eine Wand. Eine Bewegung. Ein Bollwerk, das langsam auf dich zurollt, ohne die geringste Eile, aber mit der Wucht eines Plattenbaus in freiem Fall. Und mit The Slow Dying of Light liefern sie einmal mehr eine Platte, die so schwer atmend und bedrohlich daherkommt wie der Berliner Sommerregen, der seit Wochen nicht weichen will.

Doch hier kommt der kleine Wermutstropfen: Der Sound. So gelungen das Songwriting, so intensiv das Zusammenspiel, so erdrückend die Atmosphäre – das Klangbild ist... zu sauber. Zu hell. Zu klar. Man erwartet Schlamm und bekommt ein frisch gewaschenes Schlachtfeld. Ich möchte Bass und Gitarre in meinen Rippen spüren, nicht in der Magengrube eines MacBook-Lautsprechers. Der Drumsound? Technisch super, aber ich will, dass das Zeug in Rohren tropft, nicht auf Glasplatten klopft. Hier wurde wohl mit offenen Fenstern gemixt – und vergessen, sie rechtzeitig wieder zu schließen.
Textlich jedoch brilliert The Slow Dying of Light auf ganzer Linie. Mars Brennen, einst durch eine beinahe tödliche Nahtoderfahrung geläutert und durch pandemische Tristesse in den kreativen Schleudersitz katapultiert, hat sich tief in die Abgründe menschlicher Vergänglichkeit eingegraben. Was allerdings auffällt: Die einst so herrlich absurden Songtitel fehlen. Wo ist Helmut Berger at Salzburg Airport? Wo Pitti Platsch Anoraknaroek oder Grosse Bohrung des Essigs? Alles passé. Jetzt gibt es Phobos & Deimos, The End of Sleep oder The Cobra Rides Again. Klar, alles cool, alles düster, alles passend. Aber ich vermisse das Augenzwinkern zwischen den Riffs. Vielleicht ist der Humor bei all der Dunkelheit doch mitgestorben – oder liegt zumindest auf der Intensivstation.
Was man der Platte nicht absprechen kann, ist ihre emotionale Dichte. Jeder Song trägt ein kleines, vernarbtes Herz in sich, schlägt langsam und schwer, aber schlägt noch. Fade In und Fade Out sind keine Intros und Outros, sondern Klammern, die das Konzept einer langsamen, schleichenden Auflösung der Welt in Szene setzen. Auch wenn On A Bridge für einen Moment wie ein Hoffnungsschimmer erscheint, wird auch dieser schnell vom nächsten tonnenschweren Riff erschlagen.
Live wird das Ganze wieder seine volle Macht entfalten – da bin ich mir sicher. Denn VOLTRON sind eine der wenigen Bands, die auf der Bühne nicht einfach Songs spielen, sondern Räume schaffen. Räume aus Klang, Nebel, Licht und Düsternis. Das neue Material schreit förmlich nach schweißtriefenden Kellerclubs und schwarzen Bühnenlichtern, nicht nach Hochglanzpressung im Hi-Fi-Karton.
The Slow Dying of Light ist ein eindrucksvolles, intensiv geschriebenes und musikalisch hervorragend gespieltes Sludge-Doom-Album, das atmosphärisch genau das liefert, was sein Titel verspricht: den langsamen Tod des Lichts. Und dennoch: Ein wenig mehr Schmutz im Sound, ein wenig mehr Wahnsinn in den Titeln, und das hier hätte der Nachfolger von Kaventsmann sein können, den ich mir all die Jahre gewünscht habe. So bleibt es ein Album für dunkle Regentage – gut gemacht, aber ohne Narben wird man’s nicht lieben.