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TRIBAL GAZE – Inveighing Brilliance (2025)

(9.874) Olaf (3,5/10) Death Metal


Label: Nuclear Blast
VÖ: 17.10.2025
Stil: Death Metal






Texas hat Hitze, Staub, Tornados – und eine Band, die sich im Kielwasser der aktuellen US-Death-Welle an die Oberfläche geschoben hat: Tribal Gaze. Kaum haben 200 Stab Wounds, Gatecreeper oder Sanguisugabogg andernorts halbwegs zählbaren Erfolg eingelötet, wird von Labelseite alles gesignt, was stilistisch ähnlich klingt und nicht bei drei auf dem Baum ist. Tribal Gaze liefern mit Inveighing Brilliance das perfekte Anschauungsobjekt dafür, wie man mit möglichst viel Druck und möglichst wenig Identität trotzdem einen fetten Deal an Land zieht – danke, A&R-Romantik, danke, Hype-Ökonomie.

Dabei verspricht der Pressetext genau das Gegenteil: „aus der verbrannten Erde Texas“, „archaische Gewalt“, „nihilistische Klarheit“, „alte Kräfte im Unterholz“ – als ob Quercus robur persönlich den HM-2 einstöpselt. Starkes Bild, klar. In der Realität wabert hier weniger Urgewalt als vielmehr eine gut geölte Genre-Maschine, die alle vertrauten Hebel zieht: dick getriggerte Kicks, Gitarrenwände, die im oberen Mittenband breit auftragen, und ein Bell-/Bark-Vokal, der jeden zweiten Takt in die gleiche Kehlenform presst. Die Produktion will rohe Patina und liefert polierte Körnung – ein Instagram-Filter für Rohheit. Das mag live den Pit befeuchten, auf Platte lässt es die Songs im großen Grau verschwimmen.

Inhaltlich will Inveighing Brilliance die „Illusion von Schönheit“ in Natur und Gesellschaft sezieren: selbst im Licht lauert Brutalität, Nester werden geplündert, Fleisch wird gezerrt. Das Konzept ist nicht dumm, aber der musikalische Fluss trägt es selten. Wo die Texte (soweit zugänglich) Andeutungen von Naturmetaphorik und Menschenverachtung überblenden, bleibt die Vertonung häufig bei standardisierten Patterns stehen: Strophe im Stampf, Break bei Minute 2:10, halber Takt Auskehlen, dann „groove“ als Pflichttermin. Manchmal greift man sogar ziemlich dreist ins alte CARCASS-Regal – diese saitengezahnten Oktav-Rutscher, das sich häutende Tremolo, die chirurgischen Phrasen – nur ohne deren britisch-makabre Eleganz. Ergebnis: Tribut ohne Transfer, Hommage ohne Haken. Kurz: Es geht komplett schief.

Die viel beschworene „moderne Schärfe“ zeigt sich vor allem in quantisierter Strenge. Beyond Recognition pendelt zwar zwischen Chaos-Andeutung und Groove, doch jedes Mal, wenn der Song wirklich Fahrt aufnehmen könnte, zieht jemand die Handbremse „weil jetzt der Mosh kommt“. To the Spoils of Faith möchte mit mechanisiertem Furor und Meshuggah-Timing spielen, landet aber beim Effekt „Amp-Sim mit Dreifach-Preset“. Und dann passiert das Unerwartete: Emptying the Nest ist tatsächlich halbwegs hörbar, weil das Arrangement endlich atmen darf. Hier sitzt ein Griff ins Halftime nicht als Stempel, sondern als dramaturgischer Impuls; die Hauptfigur riffelt nicht nur im Block, sie moduliert; der Bass darf einmal in einer Lücke sprechen. Sobald die Band nicht versucht, größer zu klingen, als sie ist, klingt sie plötzlich… nach sich selbst.

Zynisch betrachtet liest sich der Karrierebogen wie ein Drehbuch: Tour mit den Frostsammlern, A&R-Legende wartet hinterm Venue, die große Unterschrift, das große Versprechen „kreative Freiheit ohne Verdünnung“. In der Praxis klingt Inveighing Brilliance wie ein Pitch-Deck in Noten: „Old School, aber modern“, „roh, aber sauber“, „archaisch, aber klickbar“. Das funktioniert als Türöffner, nicht als Alleinstellungsmerkmal. Gerade weil der thematische Überbau – die Gewalt im Natürlichen – eigentlich nach Schmutz, Risiko und Unwägbarkeit schreit, wirkt die kalkulierte Sicherheitsarchitektur der Songs so widersprüchlich.

Warum nervt das? Weil Tribal Gaze hörbar können: Timing sitzt, die Riffs sind handwerklich solide, und wenn die Drums nicht alles zubügeln, blitzt Dynamik auf. Aber Können ohne Kante ist Craftbeer ohne Bittere. Identität entsteht nicht im Pressetext, sondern in Entscheidungen gegen den Mainstream der eigenen Nische: mal das Tempo stehen lassen, mal den Takt ungerade lassen, mal die Stimme brechen statt aufblasen. Stattdessen: viel graue Wucht. Das reicht zum Pit, nicht zum Pantheon.

Inveighing Brilliance ist die sauber laminierte Visitenkarte einer Band, die gerade in der teuersten Hotellobby ihres Lebens steht und „archaische Gewalt“ sagt, während der Concierge die Minibar auffüllt. Wer die jüngste Welle US-Death zur Abendgestaltung braucht, wird bedient; wer Charakter sucht, hört hier vor allem Schablone. Lediglich Emptying the Nest verweigert sich der totalen Tristesse. Der Rest – von CARCASS-Schatten bis Hype-Riff – bleibt der Beweis, dass Lautstärke keine Haltung ersetzt.


Bewertung: 3,5 von 10 Punkten





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