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RAVENOUS – The fourth Decade (2025)
(9.837) Olaf (7,9/10) Thrash Metal

Label: Iron Shield Records
VÖ: 26.09.2025
Stil: Thrash Metal
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Ich hatte RAVENOUS schon längst abgeschrieben. Jahrzehnte war Funkstille, kein Riff, kein Lebenszeichen – und dann stehen die Österreicher plötzlich wieder im Raum, als wären sie nie weg gewesen. Schon nach den ersten Takten ihres neuen Albums wird klar: Hier will niemand nostalgisch glimmen, hier wird noch einmal richtig gezündet. The Fourth Decade riecht nach kaltem Proberaum, warmem Bier und der unbändigen Lust, es noch einmal wissen zu wollen.
Vierunddreißig Jahre Funkstille später zerren RAVENOUS die Sargdeckel auf und melden sich mit The Fourth Decade zurück – möglich gemacht durch Iron Shield Records und den unermüdlichen Einsatz von Labelchef Duck, der die Band buchstäblich aus der Gruft geholt hat. Doch stellt sich unweigerlich die Frage: Macht so eine Reunion überhaupt Sinn? Nach einigen intensiven Durchläufen komme ich zu dem Schluss – ein einfaches Ja oder Nein wäre zu kurz gegriffen. Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen, leicht verschwitzt, aber mit einem zufriedenen Grinsen im Gesicht.
Ein Blick zurück hilft: Gegründet 1988 im Bezirk Neunkirchen, gewannen RAVENOUS 1991 das Heavy-Metal-Battle im alten Wiener Rockhaus – Preis: ein Plattenvertrag und ein Debüt, produziert von Ralph Hubert (Book of Covetous Souls). Danach öffneten sich die Bühnen für Shows mit Pungent Stench, Destruction und Sodom. 1994 dann das Aus – zumindest vorläufig. Bandleader Jo Koglbauer schrieb im Hintergrund weiter, 2014 das Comeback, später kam Jo Brunner als zweiter Gitarrist dazu, was dem Songwriting spürbar Beine machte; Stefan Müllner (Bass) steuert zudem Texte bei. Jetzt also – über drei Jahrzehnte später – der zweite Longplayer. „Ready to make some noise“, wie die Band trocken ankündigt.
The Fourth Decade fühlt sich wie ein sorgfältig poliertes Relikt an: kantig, schnörkellos, mit jenem leichten Todeshauch im Riffing, der Anfang der 90er so sexy war. Die zwei Gitarren verbeißen sich ineinander, die Rhythmusgruppe schiebt, und über allem der grimmige, unversöhnliche Gesang, der alte Wunden aufreißt, statt sie zuzukleistern. Gleichzeitig: Die Soundästhetik lehnt sich durchaus an damalige Standards an. Der Drumsound? Nicht unbedingt Wiener Schnitzel, eher „Wiener Art“ – satt und sättigend, aber ein wenig paniert nach altem Rezept. Ein modernes Punch-Upgrade hätte den Stücken noch mehr Durchschlagskraft gegeben.

Dafür sitzen die Riffs. Violence macht seinem Titel alle Ehre, Masters of Metal ist eine augenzwinkernde Selbstverortung im Kanon, ohne in Parodie zu kippen, und Excalibur wedelt nicht nur mit dem Mythos, sondern hackt sich mit einem dieser „abwärts-Treppenriffs“ ins Stammhirn, die man seit seligen Bay-Area-Zeiten liebt. Terror Machine ist der Pit-Starter der Stunde – eine Maschine aus Palm-Mutes und Beckenfeuer, die genau dann bremst, wenn man den Nacken schon abgeschrieben hat. Just the End spielt mit Dynamik und verzichtet klugerweise auf unnötige Frickel-Verzierungen. Und Black Widow? Der Groove schleicht, das Gift setzt spät ein – umso nachhaltiger. Dass RAVENOUS teils altes Material neu anordnen und aktualisieren, hört man an den Übergängen: Da greift ein Riff ins andere, als hätte jemand die verkrusteten Scharniere geölt, statt neue Türen einzubauen.
Jetzt die Unwägbarkeiten: zwölf Songs in knapp 69 Minuten – das ist üppig. Ein, zwei Stücke weniger, die Destructor-Bonusrunde obendrauf weggelassen, und das Albumerlebnis hätte dichter gewirkt. Auch spürt man in einzelnen Passagen die Patina; nicht die des Antiquariats, eher die eines liebgewonnenen Proberaums, in dem man manchmal vergisst, dass die große weite Welt inzwischen mit anderen Kompressoren mischt. Heißt: Die Musiklandschaft hat sich geändert – RAVENOUS entscheiden sich bewusst dagegen, jedem Trend hinterherzulaufen. Das wirkt an mancher Stelle altbacken, aber nie museal. Wenn diese Band modernisieren will, muss sie nicht das Herz austauschen, sondern die Endstufe.
Was die Platte stark macht, ist der fühlbare Wille. Man hört einer Gruppe zu, die weiß, woher sie kommt: die Siege, die Pause, den Neustart, die besonnene Personalergänzung – und jetzt wieder den Hunger auf Bühne und Boxenturm. Genau dieses „wir sind da, weil wir da sein müssen“-Gefühl ist wieder da. Und ja: Ich bin neugierig, wie sich RAVENOUS in Runde drei, vier, fünf weiterentwickeln.
Macht die Reunion Sinn? Wenn man darunter versteht, noch einmal genau das zu liefern, wofür die Band stand – bissigen, leicht deathigen Thrash mit Charakter – dann ja. Wer allerdings einen komplett zeitgeistigen Neuaufguss erwartet, wird eher das Kotelett „Wiener Art“ serviert bekommen als das sous-vide der Moderne. Mir ist das recht: The Fourth Decade ist zu lang, an Ecken etwas staubig, aber voller ehrlicher, handgemachter Energie. Und Handgemachtes gewinnt – auf Platte, im Pit und im Herzgedächtnis.
Bewertung: 7,9 von 10 Punkten
TRACKLIST
01. Violence
02. Masters of Metal
03. Exitus
04. Just the End
05. Invisible
06. Two Killerdogs
07. Parentless
08. Excalibur
09. Falling down
10. Terror Machine
11. Black Widow
12. Destructor