NOSTURAACK – Call from the outer Space (2025)
(9.745) Olaf (8,5/10) Black Metal

Label: DIY
VÖ: 05.09.2025
Stil: Black Metal
Hier kommt kein „objektiver“ Sermon, sondern ein ehrlicher Sezierbericht mit eingebautem Befangenheits-Check: NOSTURAACK kenne ich nicht nur persönlich – Bassist Schaacki schreibt zudem für Zephyr’s Odem. Das macht’s heikel, aber auch schärfer im Urteil. Und noch ein Handicap: Black Metal und ich sind nicht die dicksten Freunde. Umso bemerkenswerter, dass mich Call from the outer Space trotzdem packt – und zwar fester, als mir lieb ist.
2007 gestartet, seit 2015 personell stabil, haben NOSTURAACK ihr Ding stets mit DIY-Stoik verfolgt: Debüt ILSOMR (2017) und die EP Tolas (2020) in Eigenregie, viele Gigs mit Szene-Nachbarn (u. a. Friisk, Verheerer, Groza, Maat), und für Album Nummer zwei jetzt die hörbar reife Kombination aus Erdung und Weitblick. Eingespielt wurde im Irsins Sound Studio, den finalen Feinschliff besorgte Alexander Pojda im Holodeck; das Cover stammt von Drowned Orange. Black/Death wird geboten, aber offenporig, mit Doom-Fäden und kosmischer Patina. Kein Label-Stempel, sondern selbstbestimmt – und genau so klingt es auch.
Die Produktion ist trocken, differenziert und unprätentiös: Gitarren mit griffiger Körnung statt Wattebausch, Bass konturiert statt verwaschen, Drums klar im Raum, ohne klinisch zu wirken. Basti trommelt mit Sinn für Dynamik – Blast, Midtempo, Breaks, alles sitzt, aber nie auf Klickpolitur getrimmt. Die Gitarrenpaare von Arillus und Oz legen breite, oft mehrstimmige Flächen, die nie in Kitsch kippen; die Arrangements sind sorgfältig gebaut, atmen, lassen Übergänge wirken. Zoi darüber: herrlich kratzig, kantig, stets verständlich genug, um die Dramaturgie zu tragen. Diese Stimme klebt nicht über den Songs, sie hakt sich ein.
Das musikalische Fundament stammt im Großen und Ganzen aus der Feder von Arillus – sein Gitarrenspiel prägt nicht nur den Charakter, sondern auch den Spannungsbogen des Albums. Ebenso stammen das inhaltliche Konzept und der Großteil der Lyrics von ihm. Zwei Ausnahmen steuert Zoi bei: die Texte zu Nullpunkt und Saggitarius A*. Zudem streuen NOSTURAACK gezielt Zitate aus anderer Quelle ein – etwa das berühmte Oppenheimer-Wort „I have become death, the destroyer of worlds“ in Black Hole Demon –, was den Songs eine zusätzliche inhaltliche Schärfe verleiht.
Die Scheibe erzählt – ohne Konzeptalbum-Zwang – eine Spirale aus Entstehung und Zerfall. Der Opener Bereshit (hebr. „Im Anfang“) setzt das semantische Fundament: Schöpfung, Ordnung, erste Vibration. Terraformation und Collapse markieren die beiden Pole des Zyklus, dazwischen kreist es um Leere, Gravitation und den Blick hinter den Vorhang (A Glimpse From The Other Side). Ich hatte keine Lyrics vorliegen, also kein Zitieren – aber die Songtitel geben genug semantische Reibung, und die Musik liefert die Emotion dazu.

Fusion zündet wie ein Kollaps in eine andere Dichte: das ist an der Schwelle zum Death Metal, mit bissigem Riff-Vokabular, das die Kehle packt. Nullpunkt ist die kalte Hand am Nacken – langsam, zäh, doomig, mit feinen Schwebetönen im Gitarrendach, die das Tempo noch schwerer machen. Maelstrom (kluge Wahl als erste Auskopplung) ist – nomen est omen – der Sog ins Zentrum: ein Hook, der nicht auf Radiobrücke setzt, sondern auf rhythmische Wiederkehr und eine harmonische Wendung, die man beim zweiten Refrain schon „weiß“.
Black Hole Demon verwirbelt Tremolo und Doublebass, während Martian Blues einen trockenen, fast „staubigen“ Groove verpasst bekommt, der die roten Dünen vor’s innere Auge wirft. Und wenn später Saggitarius A* am Ereignishorizont knuspert, merkt man, wie gut NOSTURAACK Spannungsbögen halten können, ohne ins Ornament abzurutschen. Finale Schwere: Apocryphus: Sub specie aeternitatis – keine Effekthascherei, sondern geduldige Verdichtung.
Warum das funktioniert – trotz (oder wegen) meiner Black-Metal-Skepsis Erstens: Abwechslung ohne Beliebigkeit. „Mega abwechslungsreich“ ist hier kein Feigenblatt, sondern Strukturprinzip – Tempi, Texturen und Harmoniewechsel greifen nachvollziehbar ineinander. Zweitens: Die Arrangements sind hübsch im besten Sinne – Details, die nicht blenden, sondern tragen. Drittens: Zoi’s rauer Timbre kleidet diese Musik perfekt; der Gesang wirkt nicht aufgesetzt trve, sondern organisch zornig. Viertens: Die Produktion bleibt ehrlich, trocken, differenziert – Weltraum ohne Nebelmaschine. Fünftens: Die Single-Entscheidung für Maelstrom zeugt von Selbstkenntnis: Man wählt nicht den sofortesten Prügel, sondern den Song, der das Album bündelt.
Ja, es ist immer schwierig, Bands zu reviewen, zu denen es persönliche Drähte gibt – und wenn dann noch mein eher kühles Verhältnis zu Black Metal ins Spiel kommt, wird’s heikel. Aber Vetternwirtschaft? Fehlanzeige. NOSTURAACK liefern mit Call from the outer Space ein starkes, eigenständiges, hervorragend produziertes Werk zwischen Black und Death, das mich genau da erwischt, wo ich sonst oft aussteige: im Song selbst. Fusion kratzt am Death-Metal-Riff, Nullpunkt lässt die Zeit zäh werden, Maelstrom ist der Hit, weil er Sog statt Slogan bietet. Schöne Arrangements, kratzige, passende Vocals, trockener, differenzierter Sound – und unterm Strich: ein tolles Album. Punkt.
Anspieltips
🔥Fusion
💀Nullpunkt
🎸Maelstrom
Bewertung: 8,5 von 10 Punkten
TRACKLIST
01.ּבְרֵאׁשִ֖ית (Bereshit)
02. Fusion
03. Terraformation
04. Black Hole Demon
05. Martian Blues
06. Nullpunkt
07. Maelstrom
08. Saggitarius A*
09. A Glimpse From The Other Side
10. Collapse
11. Apocryphus: Sub specie aeternitatis