WUCAN - Axioms (2025)
(9.748) Olaf (9,0/10) Hard Rock

Label: Longbranch Records
VÖ: 29.08.2025
Stil: Hard Rock
Ich habe mir neulich wieder den Staub von der alten Schlaghose geklopft, die Bänder ins Haar geflochten (was aufgrund der nicht vorhandenen Länge eine Sisyphus Arbeit war), das Rüschenhemd übergestreift, die Plateauschuhe angeschnallt – und dann Axioms aufgelegt. Kein ironisches Retro-Kostüm, sondern ein bewusstes Ritual: WUCAN aus Dresden sind für mich seit Jahren der lebende Beweis, dass Tradition und Gegenwart keine Gegenspieler sein müssen, sondern sich – richtig dosiert – gegenseitig auf die Bühne heben. Wer die Band mal live gesehen hat, wie ich auf dem vorletzten Rock Hard, weiß genau, wie viel Energie die vom Staub befreiten, anachronistischen Melodien von WUCAN entfalten. Und ja: Das macht von vorne bis hinten einfach nur Spaß und man will tanzen, ob es einem gefällt oder nicht.
Die vierköpfige Formation um Bandleaderin Francis Tobolsky (Gesang, Gitarre, Flöte, Theremin) hatte nie Lust auf musealen Denkmalschutz. Axioms fühlt sich daher an wie das nächste organische Kapitel nach Sow The Wind, Reap The Storm und Heretic Tongues: Die vertraute Mixtur aus hartem Siebziger-Hardrock, Kraut- und Ost-Rock-Flair sowie einer Prise Metal wird erweitert – nicht mit Selbstzweck, sondern mit Geschmack. Hier glitzern an den Rändern dezente Electronic-Farben, da nickt eine spielerische Jazz-Attitüde, und zwischendurch spannt der Prog den Bogen etwas weiter. „Pompöser, brachialer, vielschichtiger“ trifft es tatsächlich – nur ohne die Luft aus den Songs zu lassen.
Was WUCAN hier abliefern, ist ein Lehrstück in Dynamik. Drums und Bass (Philip Knöfel, Alexander Karlisch) wuchten und wippen, die Gitarren und Tasten von Tim George malen breite Flächen oder setzen pointierte Haken – und Francis führt alles zusammen: mal mit kehligem Druck, mal mit schmeichelnder Wärme, immer mit Persönlichkeit. Die Flöte ist keine Zierde, sondern ein zweiter Lead-Charakter, der Riffs umschmeichelt oder rhythmisch kontert; das Theremin sirrt wie ein schelmischer Geist über den Arrangements. Was für ein herrlich entspannter Musik-Trip in einer solch hektischen Zeit – und zugleich eine Platte, die im richtigen Moment beherzt die Ellbogen ausfährt.
Spectres Of Fear öffnet Welten zwischen Schatten und Spotlight, Irons In The Fire glüht mit stoischem Groove, Pipe Dreams träumt groß, Fountain Of Youth sprudelt lebensfroh – und der Titelsong Axioms bündelt die Leitmotive: klare musikalische Grundsätze, die trotzdem Spielraum lassen. Richtig zündet das Album, wenn WUCAN den Puls von unten aufdrehen: Wicked, Sick and Twisted ist so frech wie sein Titel; KTNSAX zieht den Hörer mit knackigen Figuren in den Bann; Holz auf Holz klackt, stampft und ohrwurmt – ein deutschsprachiger Griff in die Timbres, die viel zu selten mutig bedient werden. Keine Effekthascherei, sondern kluges Handwerk mit offenem Visier.

Der Sound hat diese warme, analoge Anmutung, die man gerne „vintage“ nennt, aber er klebt nicht in Sepia: Die Platte atmet, die Laut-Leise-Kontraste sitzen, und wenn es pompös wird, dann nur, weil das Arrangement danach verlangt. Das ist die große Kunst: aus vertrauten Zutaten etwas Frisches zu kochen, ohne den Eigengeschmack zu verlieren. Einfach eine bezaubernde Band mit einer bezaubernden Frontfrau – und einer Rhythmusgruppe, die weiß, wie man Beine, Herz und Kopf gleichzeitig bedient.
Axioms ist ein Argument für musikalische Erneuerung mit Stilbewusstsein: WUCAN polieren nicht, sie befreien vom Staub. Acht (plus Bonus) Stücke, die zeigen, wie man die Siebziger im Hier und Jetzt tanzen lässt – mit Flöte, Theremin, Schmackes und Charme. Das Resultat: ein Album, das mich lächeln lässt, das den Taktstock dem Bauchgefühl übergibt und mich daran erinnert, warum ich Rockmusik überhaupt liebe. Kurz: Das macht von vorne bis hinten einfach nur Spaß.
Anspieltips
🔥Wicked, Sick and Twisted
🎸KTNSAX
☠️Holz auf Holz
Bewertung: 9,0 von 10 Punkten
TRACKLIST
01. Spectres of Fear
02. Irons in the Fire
03. Wicked, sick and twisted
04. KTNSAX
05. Holz auf Holz
06. Pipe Dreams
07. Axioms
08. Fountain of Youth
09. Four Mirrors (Bonus)