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TAG 3 - Sonntag, 08.08.2025

Überraschungen und Wassermassen

Der Wetterbericht für den finalen Festivaltag war, um es freundlich auszudrücken, eine Frechheit. Zwar versuchte ich auch an diesem Morgen, meinem von Tag zu Tag mürrischer werdenden Festivalgefährten Christian einzureden, dass es bestimmt „gar nicht so schlimm“ werde – doch kaum hatten wir in unserem liebgewonnenen American Diner in Essen Platz genommen, öffnete der Himmel sämtliche Pforten, als hätte Odin persönlich beschlossen, die Erde zu spülen. Die Eier trieften nicht nur vor Butter, sondern auch bald vor Regenwasser, das von den Jacken der hereinstürmenden Gäste tropfte.

Da Sonntag war und der deutsche Einzelhandel bekanntlich keine Rock’n’Roll-Romantik kennt, fiel das Auffüllen unserer Getränkevorräte aus – es war also Restesaufen angesagt. Und wie es sich für einen echten Festivalabschluss gehört, reichten die Reste immerhin aus, um unsere Zungen zu lösen, die Laune zu heben und den Mundgammel auf einen völlig neuen Level zu hieven.

Abgesehen von der wetterbedingten Dauergrummellaune des Fatal Embrace-Gitarrist, der zwischendurch so aussah, als wolle er seine Stimmung persönlich in den Kanal werfen, blieb es ansonsten (bis auf die Mucke) erstaunlich ereignisarm – was bei diesem Festival ja fast schon verdächtig ist. Doch keine Sorge: Was dem Tag an Sonne fehlte, machten die kommenden Bands wett. Granatenstarke Auftritte standen bevor – und eine Überraschung, die uns alle aus den nassen Socken hauen sollte. Bühne frei für das große Finale!

Wer behauptet, der frühe Vogel könne mir gestohlen bleiben, hat offensichtlich noch nie TAILGUNNER als Opener eines Festival-Tages erlebt. Denn was die fünf Briten hier auf die Bretter des Amphitheaters zauberten, war schlichtweg überragend – ein Ritt durch die goldene Ära des klassischen Heavy Metal, dargeboten mit der jugendlichen Energie einer Band, die sich nichts sehnlicher wünscht, als die Welt zu erobern. Und, ganz ehrlich: Wenn sie weiter so abliefern, dürfte das nicht mehr allzu lange dauern.

Schon beim Opener Midnight Blitz wurde klar: Rhea Tompson und ihre vier Jungs meinen es ernst. Keine halbgaren Aufwärmriffs, keine eingerosteten Posen – hier saß jeder Schritt, jede Pose, jedes Riff wie der Schuss aus einer frisch geölten Flak. Die Choreografie war dabei so tight, dass man sich streckenweise wie bei einer britischen Variante von Flight 666 fühlte – nur ohne Iron Maiden, dafür mit verdammt viel Hunger auf Metal.

Blood Sacrifice und White Death machten unmissverständlich klar, dass man auch im Jahr 2025 klassischen Metal mit Esprit, Schweiß und einem verdammt messerscharfen Sound auf die Bühne bringen kann – ohne peinlich zu klingen. Die Songs strotzten nur so vor hymnischem Pathos, galoppierenden Rhythmen und Twin-Guitar-Attacken, bei denen man sofort an glorreiche Tage der New Wave of British Heavy Metal denken musste. Dass die Band aber keineswegs bloß kopiert, sondern ganz eigene Duftmarken setzt, wurde spätestens bei Barren Lands & Seas of Red und dem gefühlvoll vorgetragenen Eulogy klar.

Und dann kam das Cover. Hit the Lights – Metallicas Speed-Metal-Klassiker der ersten Stunde – wurde in einer dermaßen überzeugenden, energetischen und gleichzeitig authentischen Version rausgefeuert, dass man ernsthaft glauben konnte, TAILGUNNER hätten den Song selbst in einer feuchten Garage in Los Angeles geschrieben. So viel Eigenständigkeit bei einem Cover ist selten – und hier schlicht fantastisch gelungen.

Mit Guns for Hire zum Abschluss verabschiedete sich die Band schließlich in einer Art und Weise, die kaum ein Wunsch offen ließ. Es sei denn, man wünschte sich – wie ich – noch zwei weitere Stunden dieses metallischen Siegeszugs. Denn das war schlicht eines der besten Konzerte des gesamten Wochenendes.

Und falls ihr euch fragt, was mich persönlich am meisten irritierte: Dass ich dem 2023 erschienenen Debütalbum "Guns for Hire" damals nur sieben Punkte gegeben habe. War ich taub? Verkatert? Oder einfach nicht bereit für diesen Raketenstart? Zum Glück konnte ich meine Reue persönlich bekunden – denn nach dem Gig durfte ich backstage noch ein paar Worte mit der Band wechseln, nachdem ich erstmals in meinem Leben den richtigen Eingang zum Fotograben gefunden hatte (man lernt nie aus). Dort zeigte sich die Truppe genauso sympathisch wie auf der Bühne – und sichtlich erfreut über das begeisterte Feedback.

Ich gebe es unumwunden zu: Auf diesen Auftritt hatte ich mich besonders gefreut. Nicht nur, weil HIRAES mit ihrem kompromisslosen Melodic Death Metal zu den vielversprechendsten Acts der hiesigen Szene zählen, sondern auch, weil ich Gitarrist Lukas Kerk mittlerweile als Kumpel und Live-Garanten schätze. Und wenn der gute Mann samt seiner Band dann das Amphitheater entert, kann man eigentlich nur Through the Storm brüllen – was bei dem einsetzenden Regen fast schon programmatisch war.

Frontfrau Britta Görtz, stimmgewaltige Dampfwalze und charismatische Bühnenerscheinung, ließ sich von der ungnädigen Witterung ebenso wenig beeindrucken wie von der Tatsache, dass sie in einem waschechten pinken Eisbär um ihre Schultern optisch irgendwo zwischen Kindergeburtstag und norwegischer Rentierjagd rangierte. Ihre Growls hingegen waren alles andere als kuschelig: Mit Songs wie About Lies, Under Fire und We Owe No One röhrte sie tapfer gegen eine Regenwand an, die sich unaufhaltsam in die ersten Reihen ergoss.

Der Sound war erfreulich klar, auch wenn der Wind versuchte, sich als heimlicher fünfter Bandmember zu etablieren und das ein oder andere Gitarrensolo ein wenig in Richtung Bochum wehte. Doch HIRAES ließen sich nicht beirren: Tight, konzentriert und mit viel Spielfreude zogen sie ihr Set durch. Als bei Solitary kurz die Wolkendecke aufriss, war das fast so etwas wie ein göttlicher Daumen nach oben – oder zumindest die Erlaubnis, weiterzuzocken.

Ich stand im Fotograben, als Lukas mich entdeckte, breit grinste und ein wenig Regenwasser aus der Klampfe schüttelte. Rock’n’Roll, Baby. Nightflight, Dormant und das mächtige Undercurrent rundeten eine Show ab, die deutlich machte: Diese Band hat Power, Leidenschaft – und verdammt noch mal Eier aus Stahl. Auch wenn die Zuschauer eher in Regenjacken als Moshpits versanken, war dies ein durchweg gelungener Gig, der ohne das Wetterchaos wohl noch mächtiger gezündet hätte.

THE CRYPT – eine Band, von der ich bis dato noch nie gehört hatte. Und dann sowas! Für mich kam hier die wohl größte Sensation des gesamten Wochenendes auf die Bühne geschlurft – stilecht, doomig, heavy, theatralisch. Und nein, das ist nicht übertrieben. Es war ein düsteres, musikalisches Gesamtkunstwerk zwischen schwedischer Grabesstimmung und wildem Metal-Cabaret, das sich tief in mein schwarzes Herz eingebrannt hat.

Die Band stammt aus Schweden, wo man Doom offenbar mit der Muttermilch aufsaugt. Ihr Sound? Diese unverwechselbare Mischung aus schleppendem, schweren Riffing, das wie ein Dampfhammer durch das Amphitheater rollte, kombiniert mit sägenden Gitarren und einer Hammond-Orgel, die sich anfühlte, als würde Jon Lord persönlich aus dem Jenseits mitschreddern. Dazu kam ein brillanter Livesound – fett, klar, laut. Der Wind versuchte zwar mal wieder, sich in die Akustik einzumischen, hatte bei dieser brachialen Gitarrenwand aber nicht den Hauch einer Chance.

Und dann die Frontfrau! Meine Güte, was für eine Erscheinung! Ein echter Bühnenwirbelwind mit Hörner-Cap und einem Anzug, bei dem selbst Beelzebub neidisch geworden wäre. Völlig drüber? Vielleicht. Großartig? Auf jeden Fall. Charisma, Präsenz und eine Stimme, die irgendwo zwischen Leather Leone und einer besessenen Doom-Priesterin oszilliert. Wer bei I Love the Darkness keine Gänsehaut hatte, hat wohl schlicht keine funktionierende Haut mehr.

Die Setlist war ein Hit nach dem anderen. Into the Crypt, Cemetery Children und Night of the Devil waberten in dunkelstem Purpur durch die Menge. Metal Priestess klang wie ein schwarzes Mantra, und Open the Gate war ein Höllenritt durch die Unterwelt. Mein persönliches Highlight? Natürlich Rock Kommander. Und ja, natürlich hätte ich diesen Song gerne mit Dee Snider und Pepper Potemkin gesehen – so wie im famosen Videoclip, in dem der gute Dee und die Burlesque-Göttin eine Art höllisches Schlager-Duett performen. Aber na ja, das Budget war offenbar aufgebraucht, vermutlich für Regenponchos und Biernachschub. Schande über euch, Veranstalter! (zwinkernd natürlich...)

THE CRYPT waren einfach nur genial und großartig anzuschauen und anzuhören. Ich kam als Unwissender und ging als glühender Fan. Diese Band hat alles, was es für ein modernes Doom-Metal-Erweckungserlebnis braucht – Atmosphäre, Qualität, Eigenständigkeit und eine Bühnenpräsenz, die man so schnell nicht vergisst. Schweden, ey. Was packt ihr eigentlich ins Wasser?

DESERTED FEAR live auf dem Rock Hard Festival 2025 – ein bittersüßes Erlebnis, das irgendwo zwischen Hopfensehnsucht und Headbang-Himmel changierte. Warum bittersüß? Nun, Gitarrist Fabian hatte mir im Interview vollmundig ein selbstgebrautes „Deserted Bier“ versprochen – doch auch diesmal blieb der Hopfentraum unerfüllt. Kein Tröpfchen für den durstigen Schreiberling. Schande über dein Haupt, mein Freund! Aber sei’s drum, denn was die Thüringer auf der Bühne ablieferten, war mindestens ebenso belebend wie ein eiskaltes Pils nach zehn Stunden Staub und Sonne.

DESERTED FEAR, gegründet 2007 in Eisenberg, gelten längst als Aushängeschild des modernen deutschen Death Metals. Ihre Entwicklung vom rauen, Bolt-Thrower-affinen Riffbataillon hin zum melodisch-dynamischen Songwriter-Kollektiv wurde mit dem letzten Album Doomsday und dem diesjährigen Veins of Fire weitergeführt – und eben jene Neuausrichtung wurde auch auf dem Rock Hard Festival glasklar hörbar.

Mit The Truth und The Final Chapter begann das Set düster und präzise, wie eine Kreissäge in Zeitlupe. Die Gitarren sägten sich durch die Luft, während Drummer Simon an der Doublebass mal wieder die Grenzen des Machbaren auslotete. Follow the Light That Blinds und Blind sorgten für melodischere Akzente, bevor Part of the End wieder mit düsterem Groove die Nackenmuskulatur aller Anwesenden in Arbeitsmodus versetzte.

Und dann… mein persönlicher Freudenschrei: Kingdom of Worms! Endlich wieder im Set. Endlich wieder dieses rifflastige Kleinod der früheren Bandära, das mit seiner düsteren Atmosphäre und den herrlich oldschooligen Vibes direkt ins Mark ging. Das Teil wurde gefeiert, als hätte man dem Publikum Freibier versprochen – apropos, Fabian…

Die Haare flogen, die Körper zuckten, die Band war tight wie ein Schraubstock, und man merkte jeder Sekunde an, dass DESERTED FEAR Bock hatten. Der Sound: brutal, klar, differenziert – kein Matsch, kein Übersteuerungsinferno. Die Riffs kamen wie Granaten, der Gesang von Manuel roch nach Asche und Schwefel, und die Setlist ließ keine Wünsche offen: The Carnage, Welcome to Reality, Funeral of the Earth – allesamt wie ein gepflegter Tritt in die Magengrube, aber auf die gute Art. Mit At the End of Our Reign und dem mächtigen Veins of Fire wurde das Ganze dann würdig abgeschlossen.

Das war kein Gig, das war eine Demonstration. Eine, die nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern mit erhobener Gitarre daherkommt. Kein Wunder also, dass es „gefetzt“ hat – musikalisch, emotional, atmosphärisch. Beim Rock Harz dann aber bitte mit Bier, Fabian. Versprochen ist versprochen!

VICTORY live auf dem Rock Hard Festival – das klang auf dem Papier schon nach einem gepflegten Abriss der klassischen Schule. Was man dann jedoch serviert bekam, war mehr als das: Es war ein hochenergetischer Beweis dafür, dass man auch nach über vier Jahrzehnten im Business noch mit ordentlich Wumms, Haltung und einem Sack voller Hits ein Festivalpublikum auf Linie bringen kann – und zwar stehend wie ein Fels.

Mit Hermann Frank, der sichtlich Spaß an der Sache hatte und sein Trademark-Riffing wie eh und je aus dem Ärmel schüttelte, war die Chefposition auf der Bühne bestens besetzt. Der Mann, der schon mit Accept den Beton gegossen hat, auf dem ein guter Teil des europäischen Heavy Metal steht, tänzelte regelrecht über die Bühne. Neben ihm eine Band, die tight wie eine frisch gespannte A-Saite agierte und zu keiner Sekunde an Relevanz oder Druck vermissen ließ.

Spätestens bei Rock the Neighbours und Gods of Tomorrow war klar: Die Altmeister waren nicht zum Rentner-Kaffeekränzchen angereist, sondern um das Amphitheater in einen kollektiven Headbanger-Zustand zu versetzen. Und siehe da: Das Publikum ging von der ersten Minute an mächtig gut mit. Die vorderen Reihen sangen, reckten Fäuste, schüttelten Mähnen – und hatten offenkundig genauso viel Freude wie die Band selbst.

Ein besonderes Lob gebührt dabei erneut unserem Freund Jacky Lehmann, der bereits Crimson Glory eine klangliche Glanzleistung verpasste und nun auch VICTORY einen Sound hinzauberte, der nicht nur brutal stark, sondern auch herrlich transparent war. Der Mix ließ jeder Instrumentengruppe Luft zum Atmen, während es trotzdem ordentlich rummste. So muss das sein!

Klar, im Club wirken Songs wie Standing Like a Rock, Feel the Fire oder das großartige Temples of Gold mitunter noch eine Spur direkter, roher, greifbarer – aber auf der großen Bühne hatten sie diesen epischen Glanz, den nur das Festivalsetting liefern kann. Es war laut, es war spaßig, es war mitreißend – da gab’s absolut nichts zu meckern.

Mit Surrender My Heart kam auch die melodische Seite zum Tragen, Tonight We Rock ließ die Faust im Takt kreisen, und Check's in the Mail setzte zum Abschluss noch mal ein echtes Ausrufezeichen unter diesen durchweg gelungenen Auftritt.

VICTORY haben eindrucksvoll bewiesen, dass Old School noch lange nicht alt bedeutet. Mit einer Setlist voller Klassiker, einer Spielfreude, die ansteckt, und einem Sound zum Zunge schnalzen war das ein Auftritt, der nicht nur Nostalgiker begeistert hat. Wer’s etwas intimer mag, wird im Club vielleicht noch eine Prise mehr Druck spüren – aber unterm Strich: großes Tennis von großen Herren.

MYRATH live zu erleben ist ein bisschen wie ein fliegender Teppichflug durchs metallische Morgenland: Man weiß nicht genau, wo die Reise hingeht – aber es riecht verdächtig nach Safran, Sandsturm und Saitenzauber. Und genau so fühlte sich ihr Auftritt beim Rock Hard Festival 2025 an: Ein echter Farbtupfer aus Tunesien, irgendwo zwischen Prog Metal, Power Metal und 1001 Nacht.

Dass die Truppe um Sänger Zaher Zorgati musikalisch seit jeher ihren ganz eigenen Weg geht, ist bekannt. Gegründet wurde MYRATH 2001 in Ezzahra, einem Vorort von Tunis, zunächst unter dem Namen Xtazy. Ab 2006 dann unter heutigem Namen, verpassten sie ihrem Sound zunehmend orientalische Klangfarben. Und genau diese Mischung hebt sie vom restlichen Einerlei in der Power-Prog-Szene ab – zumindest, wenn man sich darauf einlässt.

Das Problem: Man musste sich eben auch einlassen. Denn der Einstieg des Sets wirkte zunächst eher behäbig. Klar, mit Into the Light und Born to Survive gab es zwar technisch anspruchsvolle und sauber gespielte Kost – aber so richtig zündete der Funke noch nicht. Zwischen all dem Donnern, Grunzen und Posermetal des restlichen Tagesprogramms wirkte die melodische Pracht von MYRATH fast etwas blass. Und die Frage stand im Raum: Muss man eine relativ unbekannte Band wirklich so weit vorne im Billing platzieren?

Doch dann geschah etwas: Mit Dance und Child of Prophecy öffnete sich das musikalische Zeltlager, die Oud schien aus den Verstärkern zu flirren, die Percussions schüttelten den Sand aus der Anlage und plötzlich ergab das alles Sinn. Das Publikum schien zwar noch nicht kollektiv bereit, Bauchtanz und Circle Pit zu kombinieren, aber es wurde merklich lebendiger vor der Bühne. Besonders Merciless Times und Heroes überzeugten mit einem melodischen Refrain, der auch ohne Dattelsirup im Ohr hängen blieb.

Sänger Zaher lieferte eine solide Show, auch wenn seine theatralisch anmutende Performance nicht jedem zusagte. Die Band als Ganzes war gut eingespielt, die Gitarrenarbeit filigran und der Sound erstaunlich differenziert – was bei komplex arrangierten Songs wie Beyond the Stars oder dem epischen Candles Cry auch bitter nötig war. Als finaler Höhepunkt folgte Believer, das wohl bekannteste Stück der Band, das tatsächlich noch einmal für erhobene Fäuste und ein paar zaghaft mitschwingende Hüften sorgte.

Unterm Strich war das ein Gig, der musikalisch definitiv interessant war – wenn auch nicht ganz mein normaler Hörbereich. Die Mischung aus europäischen Metal-Strukturen und nordafrikanischen Harmonien ist spannend, bleibt aber Geschmackssache. Live würde ich mir MYRATH wohl nicht noch einmal aktiv herbeiwünschen, es sei denn, sie stehen erneut zufällig auf einem Festivalprogramm. Dann nehme ich gerne noch mal Platz auf dem fliegenden Teppich – aber einen Dauerplatz reservieren würde ich mir eher nicht.

DIRKSCHNEIDER auf dem Rock Hard Festival – das war keine bloße Nostalgie-Show, das war eine Lawine aus Stahl, die sich unaufhaltsam ihren Weg durch das randvolle Amphitheater pflügte. Die Feier zum 40-jährigen Jubiläum von Balls to the Wall – gut, mathematisch gesehen sind es mittlerweile 42 Jahre – geriet zu einem Triumphzug durch die goldene Ära des deutschen Heavy Metal.

Kaum war der ikonische Opener Balls to the Wall angestimmt, brachen sämtliche Dämme: Fäuste flogen in die Luft, Kehlen wurden heiser gebrüllt, und man konnte sich sicher sein – hier stand kein müder Altrocker auf der Bühne, sondern ein quicklebendiger Udo Dirkschneider, der mit seinen 72 Jahren fitter wirkte als manche Jungspunde nach dem dritten Crowdsurf. Mit seiner unverkennbaren Reibeisenstimme peitschte er durch das Set, als wäre es noch 1983.

Peter Baltes – lange Zeit Bassist bei Accept – grinste sich fröhlich durch die Songs und wirkte, als hätte er gerade seine erste Schulband gegründet. Und als wäre die Accept-Familienzusammenkunft damit nicht schon komplett genug, stand auch Hermann Frank am Bühnenrand, huldvoll nickend unter seiner Mütze, ganz der weise Metal-Onkel, der weiß, wann es passt, zu salutieren.

Und was war das für eine Setlist! London Leatherboys, Fight It Back, Head Over Heels – das war ein Klassiker-Marathon, bei dem jede Note saß und kein Wunsch offen blieb. Der Sound war ein echtes Pfund: glasklar, fett, und so brachial, dass sich sogar die Betonwände des Amphitheaters kurz an ihre tragende Funktion erinnern mussten. Besonders bemerkenswert: Ich habe das Gelände an diesem Wochenende nicht einmal annähernd so voll gesehen wie während dieses Gigs. Es war gerammelt voll, gedrängt, geschwitzt – und doch voller Begeisterung. Man sah Menschen, die sich an den Schultern festhielten, weil ihre Knie unter dem Gewicht der eigenen Glückseligkeit zu zittern begannen.

Der Gig endete mit einem Doppelschlag, wie man ihn sich schöner nicht wünschen könnte: Princess of the Dawn rief kollektive Gänsehaut hervor, während Burning den buchstäblichen Abriss einleitete. Und als der letzte Ton verklang, war klar: DIRKSCHNEIDER haben an diesem Abend nicht einfach nur gespielt – sie haben Geschichte geschrieben. Da stellt sich doch unweigerlich die Frage: Warum zur Hölle war dieser Auftritt nicht der Headliner? Vielleicht, weil man einen Legendenstatus nicht betonen muss – man lebt ihn einfach. Und DIRKSCHNEIDER leben ihn, lauter, ehrlicher und überzeugender als viele andere.

Eine Demonstration purer Heavy-Metal-Energie, eine Hommage an eine Ära, ein Sound, der alles überrollte. Der Altmeister und seine Truppe zeigten eindrucksvoll, dass man nicht jung sein muss, um frisch, hart und relevant zu klingen. Wer dabei war, wird noch lange davon erzählen – und wer es verpasst hat, wird es bereuen.

Ich gebe es zu: Meine Vorfreude auf den Headliner hielt sich in sehr überschaubaren Grenzen. Zu präsent war das Bild von einem mürrischen Blackie Lawless, der sich in Interviews zwischen Nostalgie, Trotz und Trump-Fahnen verlor – und dann noch diese unsäglichen Diskussionen um Playback-Orgien. Sollte das etwa ein weiteres Kapitel in der Kategorie „Legenden verwalten ihr Erbe mit der Taktik eines Blinden im Minenfeld“ werden?

Doch was dann kam, war... überraschend gut. Ja, Schwarzi Gesetzlos (wie wir ihn ab jetzt liebevoll nennen wollen) sang tatsächlich live. Die Backing-Vocals kamen hörbar vom Band, aber irgendwie störte das niemanden. Im Gegenteil: Das Publikum drehte komplett durch, als mit On Your Knees und The Flame das ganz große Nostalgie-Fass aufgemacht wurde. Spätestens bei L.O.V.E. Machine kannte das Amphitheater kein Halten mehr.

Etwas Fremdscham kam dann aber doch noch auf: Der Meister verbrachte den ganzen Tag im klimatisierten Tourbus und ließ sich für die letzten 50 Meter Bühne per Van kutschieren. Muss man auch erstmal bringen, wenn man ikonische weiße Wildleder-Fransen-Boots trägt, die sich dann heroisch im Wind wiegten, als wäre man auf dem Laufsteg von Karl Lagerfelds Afterlife-Collection.

Musikalisch hingegen? Ein absoluter Volltreffer! Das komplette Debütalbum wurde in epischer Breite zelebriert – von Hellion über Sleeping (in the Fire) bis hin zu The Torture Never Stops. Zwischendurch gab’s natürlich auch The Real Me, jenes The-Who-Cover, das live immer ein bisschen mehr nach W.A.S.P. als nach The Who klingt – was in diesem Fall ein Kompliment ist. Gut, Schwarzi Gesetzlos wäre nicht Schwarzi Gesetzlos, wenn er nicht zwischen den Songs in pastorale Monologe verfallen würde, die irgendwo zwischen Predigt, Selbstbeweihräucherung und verwirrter Stadionpoesie mäanderten. Ja, das nervte. Und ja, man hätte locker zwei Songs mehr unterbringen können, wenn man die Laberpausen gekürzt hätte.

Aber dann kamen sie, meine beiden Lieblingssongs: Wild Child und das grandiose Blind in Texas. Ich hätte es nie für möglich gehalten, aber in diesem Moment war ich einfach nur Fan – und ich war nicht der Einzige. Auch wenn einige hinterher meinten, das sei „zu viel Theater“ gewesen: Das Amphitheater bebte, die Fäuste reckten sich zum Himmel und aus meiner Skepsis war pure Begeisterung geworden.

Ein Gig voller Widersprüche – zwischen Playback und Live-Moment, Egotrip und Fanservice, Arroganz und Authentizität. Aber am Ende war W.A.S.P. genau das, was ein Headliner sein sollte: laut, groß, emotional. Und irgendwie... geil.

Und schon ist es wieder vorbei – das Rock Hard Festival, diese alljährliche Zusammenkunft von Schwermetall, Schweiß und Seelenverwandtschaft, hat uns erneut ein Wochenende voller Erinnerungen in die Gehörgänge und Herzen gebrannt. Drei Tage, wie im Rausch, mit unzähligen Gesprächen, Umarmungen und Lachern – denn wo sonst trifft man so viele Freunde, die man tatsächlich nur einmal im Jahr in Gelsenkirchen sieht und trotzdem sofort wieder da weitermacht, wo man zwölf Monate zuvor aufgehört hat?

Musikalisch war es einmal mehr ein wilder Ritt durch sämtliche Schattierungen des Metal-Kosmos. Es gab große Namen, laute Überraschungen und auch persönliche Dämpfer. Ja, Exodus mit Rob Dukes – ich hab’s geahnt, ich hab’s kommen sehen, und dennoch... war’s für mich so emotional wie eine Steuererklärung. Kreuzigt mich ruhig, aber der Mann ist nicht mein Sänger. War er nie. Wird er nie sein. Punkt.

Dafür gab’s echte Highlights, die ich nicht kommen sah. THE CRYPT, diese doomige Abrissbirne aus Skandinavien, TAILGUNNER, die britische Antwort auf die NWoBHM 2.0 und das zuckersüß-düstere THE NIGHT ETERNAL – allesamt Acts, die ich vorher entweder gar nicht oder nur flüchtig auf dem Schirm hatte und die mich auf ganzer Linie überzeugt haben.

Meine persönlichen Favoriten? Ohne Zweifel: DIRKSCHNEIDER mit einem Hitfeuerwerk zum Jubiläum, THRESHOLD, die mich erneut daran erinnerten, warum sie zu meinen Lieblingsbands gehören, und die immer sympathisch durchgeknallten MUNICIPAL WASTE, die dem Amphitheater final die letzten Kräfte aus dem Körper geprügelt haben.

Auch die Unterkunft war ein Volltreffer: Ein top AirBnB mit flauschigem Bett, funktionierender Kaffeemaschine und ohne aggressive Nachbarn – fast zu schön, um wahr zu sein. Einziger Wermutstropfen: Das Wetter. Klar, es wäre kein Rock Hard Festival, wenn es nicht mindestens einmal aus Kübeln gießen würde. Aber vielleicht, vielleicht lässt sich Petrus ja fürs nächste Jahr mit einem Festivalshirt und ein paar Bier bestechen.

In diesem Sinne: Danke, Gelsenkirchen! Danke, Metal-Familie! Wir sehen uns 2026 – und bis dahin heißt es wie immer: Duschen ist optional, Kutte ist Pflicht.



TAG 3 - Überraschungen und Wassermassen

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