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NAILED TO OBSCURITY – Generation of the Void (2025)

(9.760) Olaf (8,4/10) Melodic Death Metal


Label: Nuclear Blast
VÖ: 05.09.2025
Stil: Melodic Death Metal






Ich gebe es gern zu: Ich hab mich riesig gefreut, endlich wieder ein neues Album von NAILED TO OBSCURITY in der Hand zu haben. Fan bin ich seit den ersten Ostfriesen-Nebelbanken, die diese Band über meine Anlage geschickt hat – und „Generation of the Void“ bestätigt, warum ich ihnen seit Jahren die Treue halte: Diese Truppe kann Melancholie und Wucht so selbstverständlich verzahnen, dass selbst große Gefühle plötzlich Kante bekommen.

Gegründet 2005 von Jan-Ole Lamberti und Volker Dieken, hat sich die Band vom ostfriesischen Proberaum über Abyss (2007), Opaque (2013) und King Delusion (2017) Schritt für Schritt aus der Nische gearbeitet; mit Raimund Ennenga (seit 2012) bekamen die Stücke ihre charakteristische Stimme zwischen Verletzlichkeit und Groll. 2019 dann Black Frost bei Nuclear Blast – die Touren wurden größer, die Bühnen heller. Seit 2024 verstärkt Lutz Neemann am Bass, und jetzt, am 5. September 2025, erscheint Generation of the Void – ein Album, das die Gegenwart atmet: überforderte Individuen, bröselnde Sicherheiten, ein Sog aus Leere, in den wir alle mal zu nah hinunterstarren. Das Ganze aber ohne nölige Zeitdiagnostik – eher als dunkles Stimmungsbild einer Welt, die außen lärmt und innen erodiert.

Klanglich wurde das über mehrere Jahre geschärft: Instrumente im Woodshed (Landshut), Vocals bei Jacob Hansen in Ribe, zusätzliche Schichten zuhause in Ostfriesland; Hansen mischt und mastert, V. Santura und Lamberti haben die Hand an Struktur und Spannungsbögen. Ergebnis: ein weiträumiger, luftiger Sound, der Druck macht, ohne zu übersteuern. Jede Spur bekommt Platz, die Drums tragen, ohne zu walzen, und die Gitarren dürfen leuchten und beißen. Dieser „mystische Touch“, der sich durchs Album zieht, ist keine Nebelmaschine, sondern Raum – und genau deshalb wirkt er. Einziger Schönheitsfehler: Das Artwork wirkt für die musikalische Dramaturgie etwas einfarbig. Nicht schlecht, nur dezenter als das, was aus den Boxen steigt.

Gleich der Opener Glass bleeding zeigt, warum NAILED TO OBSCURITY so schwer in Schubladen passen. In einem einzigen Song wird mehr erzählt, als andere Bands auf Albumlänge unterbringen: clean und harsh im Wechsel, zarte Atempausen, dann plötzlich Blastbeat-Gischt – und in den ruhigen Momenten fühlt es sich an, als hätten Sólstafir im Nebenraum den Lichtschalter gefunden und kurz gedimmt. Das ist keine Effekthascherei, sondern Erzähltechnik: Erst Nähe, dann Distanz, dann die Fallhöhe.

Liquid Mourning trägt sein Herz langsamer, schwerer, vor sich her – und das eingestreute Piano ist hier keine Deko, sondern eine zusätzliche Rippe im Brustkorb des Songs. Overcast geht die Sache gerader an, schnörkelloser, bevor Spirit Corrosion wieder atmosphärischer schwebt. Gerade in diesen Passagen zeigt Raimund, wie viel Farbe seine Clean-Vocals inzwischen haben: nicht glatt, sondern griffig – mit genau dem kleinen Riss, den echte Emotion braucht. Der Titeltrack Generation of the Void ist für meinen Geschmack ein Tick zu poppig geraten und ragt dadurch aus dem ansonsten kohärenten Fluss heraus. Schlecht? Keineswegs. Aber da, wo das restliche Material zwischen Düsternis und Dringlichkeit balanciert, blinzelt dieser Refrain mir einmal zu oft zu freundlich.

Dafür ist Echo Attempt mein kleiner Superhit: als hätten In Flames ihre Frühphase wiederentdeckt – nur mit der Gegenwartswucht von NAILED TO OBSCURITY. Acht Minuten, die wachsen, winden, drücken; ein Song, der sich nicht mit dem ersten Hören verfeuert, sondern immer neue Ecken zeigt. Allure schaltet akustisch dazwischen – auf Platte funktioniert das wunderbar als Atemzug. Live, bei der Tightness der Band, ist die Integration knifflig, aber wenn’s sitzt, wird’s groß. Mit Clouded Frame und Misery’s Messenger ziehen die Herren das Tempo bewusst raus und setzen auf Midtempo-Dichte – diese „Schwere mit Haltung“, in der die Riffs nicht fallen, sondern lasten. Finale: The Ides of Life – wieder härter, wieder breiter, wie eine gespannte Klammer zurück zum Opener. Anfang und Ende im Gleichgewicht: dramaturgisch fast schon klassisch.

Inhaltlich bleibt der Textkosmos konsistent: Identität als Maske, eine Welt im Overkill, und das eigentliche Zerbröseln passiert drinnen, nicht draußen. Statt Parolen höre ich Bekenntnisse zur Ambivalenz: Man taumelt, aber man benennt es – und weil die Musik diese Zerrissenheit in Struktur überführt, kippt nichts in Larmoyanz. Genau das macht den Reiz der Platte aus: Pathos ja, Pose nein.

Produktionstechnisch ist das der nächste Level. Man hört, dass hier mehrere Ohren an denselben Visionen gefeilt haben: Hansen sorgt für Klarheit und Kante, Santura für Schatten und Tiefe, Lamberti für die subtilen Schichten, die man erst beim dritten Durchlauf wahrnimmt. Wenn NAILED TO OBSCURITY im kommenden Jahr ihre erste Headliner-Tour fahren, werden viele dieser Spannungsbögen live noch einmal anders knallen – die Studioversionen legen jedenfalls die Messlatte hoch.

Generation of the Void ist wie ein nächtlicher Küstenwind: kühl im Gesicht, salzig auf der Zunge, und am Morgen liegt trotzdem feiner Sand in allen Ritzen. Der Titeltrack zwinkert mir einen Hauch zu poppig, das Artwork bleibt hinter der Musik zurück – geschenkt. Entscheidend ist, wie souverän NAILED TO OBSCURITY hier Form und Gefühl verbinden. Für Fans wie mich – und ich bin’s seit Jahren – ist das Album Bestätigung und Weiterentwicklung in einem. Für Neueinsteiger: bessere Eintrittskarten in diese Grauzone aus Melodie und Niederschlag gab es selten.

Anspieltips:
🔥Glass bleeding
💀Echo Attempt
🎸Spirit Corrosion


Bewertung: 8,4 von 10 Punkten


TRACKLIST

01. Glass bleeding
02. Liquid Mourning
03. Overcast
04. Spirit Corrosion
05. Generation of the Void
06. Echo Attempt
07. Allure
08. Clouded Frame
09. Misery’s Messenger
10. The Ides of Life 



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