WITCHCRAFT - IDAG (2025)
(9.601) Olaf (8,0/10) Hard Rock

Label: Heavy Psych Sounds
VÖ: 23.05.2025
Stil: Hard Rock
Es gibt Bands, bei denen man nicht auf „Play“ drückt, sondern tief einatmet – wissend, dass die nächsten Minuten kein bloßes Hörerlebnis, sondern eine emotionale Reise sein werden. WITCHCRAFT ist genau so eine Band. Oder vielmehr: Magnus Pelander ist so ein Mensch. Seit über zwei Jahrzehnten streift er mit wechselnder Begleitung durch den Nebel aus 70er-Doom, nordischer Schwermut und romantisierender Melancholie. Und wer je dachte, das vorige Album Black Metal sei „Lagerfeuermucke“, dem sei dringend ein Spaziergang durch die endlosen Wälder bei minus zehn Grad und unter tief hängenden, grauen Wolken empfohlen – der versteht dann vielleicht endlich den Kontext. Und hört besser zu.
Denn nun liegt mit Idag (auf Deutsch: Heute) ein Werk vor, das gleichermaßen schwer wie luftig, düster wie sehnsuchtsvoll, sperrig wie umarmend ist. Und das eine Art Seelenschau darstellt – nicht nur von Pelander selbst, sondern auch von dem, was man unter WITCHCRAFT als musikalisches Konzept verstehen kann.
Idag, der Opener und gleichzeitig Titeltrack, gibt direkt die Richtung vor: fast acht Minuten lang ertränkt uns Pelander in einem zähflüssigen Doom-Gewitter, das vermutlich selbst Reverend Bizarre das Wasser in den Keller treibt. Hier walzt ein Riff die Erde platt – nicht martialisch oder böse, sondern wie eine Naturgewalt, langsam, stetig, unausweichlich. Wer also dachte, WITCHCRAFT hätten den Verstärker auf ewig gegen die Akustikgitarre getauscht, bekommt hier ein Gegengift serviert – bitter, erdig, echt.
Danach: ein Auf und Ab. Eine akustische Reise durch frostige Träume (Drömmar Av Is), eine bittere Reflexion über Tod und Verfall (Drömmen Om Död Och Förruttnelse – übersetzt: Der Traum von Tod und Verwesung) oder auch romantisch-verlorene Miniaturen wie Gläntan (Längtan), was in etwa Die Lichtung (Sehnsucht) bedeutet. Schon an den Titeln merkt man: Das hier ist kein Album für nebenbei, kein Hintergrundgesäusel beim Bügeln. Sondern ein akustischer Monolith, den man durchdringen muss. Oder von dem man sich durchdringen lässt.
Dass sich WITCHCRAFT dabei nicht scheuen, auch hymnischere, fast schon klassische Rockmomente einzubauen – man höre nur die aufblitzende Attitüde von Irreligious Flamboyant Flame –, macht das Album umso reicher. Und auch, wenn man kein Wort Schwedisch spricht (hallo, i bims!), so schwingt in Pelanders Stimme doch stets eine Emotionalität mit, die übersetzt werden kann: in Gänsehaut. In Fernweh. In bittere Süße.

Was hier wirkt wie die Sammlung verträumter Gedichte mit Vintage-Feeling, ist in Wahrheit ein tiefgründiger Brocken Musik. Die aufeinanderfolgenden Akustikstücke erzeugen dabei kein Leerlaufgefühl, sondern eine Art spirituelle Zwischenwelt – als würde man aus einem düsteren Traum aufwachen, nur um festzustellen, dass der Wachzustand noch bedrückender ist.
Produziert hat das Ganze erneut Magnus Pelander selbst – konsequent wie eh und je. Unterstützt wurde er dabei von einer Band, die nie überfrachtet klingt, sondern eher wie ein Echo aus der Vergangenheit: Drums, Bass, ein Hauch Synth – mehr braucht es nicht, wenn der Song stimmt. Und das tut er fast immer.
Die visuelle Gestaltung – ein Artwork von John Bauer, dazu ein Gatefold-Foto von Pelander selbst – unterstreicht die Stimmung perfekt. Hier wird kein Rockklischee bedient, sondern ein Bild gezeichnet: romantisch, verwunschen, fast märchenhaft. Aber eines von jenen Märchen, bei denen am Ende nicht der Prinz die Prinzessin rettet, sondern beide im Moor versinken.
Idag ist kein Album für die breite Masse. Und das ist gut so. Es ist Musik für jene, die bei Regen gern allein spazieren gehen, für Menschen mit einer nostalgischen Ader und für Seelen, die sich nicht davor fürchten, sich in Musik zu verlieren. Wer es schafft, sich auf die Dynamik dieses Albums einzulassen, wird belohnt: mit großartiger Musik, die klingt, als hätte Nick Drake mit Pentagram in einer schwedischen Waldhütte gehaust und dort heimlich einen Hexenzirkel gegründet. Und spätestens, wenn Christmas erklingt – einer der seltsamsten und traurigsten Weihnachtssongs der jüngeren Musikgeschichte – weiß man: Hier geht es nicht um kommerzielle Gefälligkeit, sondern um künstlerische Ehrlichkeit. Und genau dafür liebe ich diese Band.
Bewertung: 8,0 von 10 Punkten
TRACKLIST
01. Idag
02. Drömmar av is
03. Drömmen om död och förruttnelse
04. Om du vill
05. Gläntan
06. Burning Cross
07. Irreligious Flamboyant Flame
08. Christmas
09. Spirit
10. Om du vill (Slight Return)