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Live on Stage Report - ARMORED SAINT

30.07.2024 - Berlin @ Hole44


Es begann alles extrem verwirrend. Im Vorfeld versuchte ich über alle möglichen Kanäle zu erfahren, ob an diesem herrlichen Sommerabend in meinem Neuköllner Lieblingsclub irgendeine Band eröffnen würde, doch selbst das allwissende Internet konnte mir diesbezüglich nicht weiterhelfen. Somit ging ich also felsenfest davon aus, dass pünktlich um 20 Uhr die amerikanische Legende den Abend starten und alleine gestalten würden.

Nach einer Odyssey der Parkplatzsuche, an der Homer (der Grieche, nicht der aus der Evergreen Terrace) seine helle Freude gehabt hätte (nebst Sirenen) schlenderten wir gemütlich in Richtung Einlass und trafen im Späti die Gebrüder Sandoval, die entspannt bei einem Kippchen in der Sonne saßen und mit vorbeigehenden Fans plauschten.

Ok, dachte ich mir: Zehn vor Acht, da würde also doch ein Supportact die Menge, die wirklich zahlreich erschienen war, noch einheizen. Pustekuchen! Niemand wusste von nichts, die Bühne war bereits komplett auf Armored Saint abgestimmt, doch keine Spur von einem Beginn. Also doch noch ein lecker Bierchen zusammen mit den Kollegen von Hell in the Skies, die übrigens hervorragend als Support gepasst hätten, verhaftet, drei Meter dumm in die Gegend geguckt, bis es dann um 20:48 Uhr (ich habe genau auf meinen Chronometer gelinst) mit einem Intro losging. Ich gebe zu, ich war über dieses unorganisierte Chaos ein wenig verärgert, doch dieses Gefühl sollte verdammt schnell weichen.

Meine Fresse, was habe ich als Jungspund die ersten Alben der gepanzerten Heiligen verschlungen. „March of the Saint“ lief unentwegt auf meinem Weg zur Schule und ich fraß den Mannen aus Los Angeles komplett aus der Hand. Das lag vor allem auch daran, dass ich John Bush damals, wie heute für einen der begnadetsten Sänger im Metal Bereich ansehe, was er auf vielen Konzerten, die ich miterleben durfte, auch immer wieder eindrucksvoll unter Beweis stellte.

Dementsprechend schnell schlug meine etwas angepisste Stimmung um, denn bereits mit dem Opener „End of the Attention Span“ vom letzten Album „Punching the Sky“ von 2020 bliesen die 5 Kalifornier zur Attacke und zu meiner großen Verwunderung drehten die zahlreich Anwesenden im sauber gefüllten Club vollkommen durch. Das Berliner Publikum ist ja nicht unbedingt für spontane Freudenausbrüche bekannt, doch solch eine Stimmung habe ich so seit gefühlt 30 Jahren nicht mehr erlebt. Es wurde mitgesungen, gefeiert, geklatscht, Sprechchöre wurden angestimmt und an manchen Stellen kam ich mir vor wie beim Fußball. Großartig!

Davon sichtlich angestachelt legten sich Armored Saint auch mächtig ins Zeug und hatten einen bunten Strauß an Megahits am Start, vor allem auch solche, die ich nie so richtig im Fokus hatte. Natürlich sangen alle bei „Reign of Fire“ oder „Tribal Dance“ mit, doch auch „neuere“ Songs wie „The Pillar“, welcher aber auch mittlerweile schon 22 Jahre auf dem Buckel hat, „Left Hook from right Field“ vom etwas vernachlässigten „La Raza“ oder das komplett überragende „Standing on the Shoulders of Giants“ wurden mitgegrölt, was der Band ein großes Lächeln ins Gesicht zauberte. Natürlich waren aber die Klassiker wie „Can U Deliver“, „March of the Saint“, „Last Train home“ oder „Nervous Man“ die Garanten für eine ausgelassene, schweißtreibende Stimmung.

Der Sound war drückend und fett, Gonzo vermöbelte mit seinen Felle wie ein Teenager, sein Bruder Phil, den meine Frau erst für dessen Sohn hielt (gut gehalten, der Bursche) mit seinem genialen Partner Jeff Duncan rifften sich durch 40 Jahre Bandgeschichte, ohne dabei auch nur den Hauch von Altersmüdigkeit zu versprühen. Und natürlich Bass-Gott Joey Vera, der dauergrinsend von enthusiastischen Publikum angefixt auf seinen Viersaiter eindrosch. Man merkte der Band den Spaß und die Spielfreude zu jeder Sekunde an, was mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch darin begründet ist, dass man seit 1989 mit einigen Unterbrechungen durch Bandauflösungen, in derselben Besetzung unterwegs ist und somit genau weiß, was der andere so treibt

Allerdings glaube ich, dass selbst die Herren Musiker überrascht waren, als John Bush, der großartig in Form war, dennoch gut und gerne vom Mischer etwas lauter hätte gestellt werden können, beim sensationellen „Aftermath“ auf den Tresen der seitlichen Bar kletterte und von da aus diesen brutal guten Song in die Menge feuerte. Mega Aktion, die die Band noch sympathischer machte, als sie es ohnehin schon waren.

Schlussendlich bleibt festzuhalten, dass alle Anwesenden an diesem Abend nicht nur eine lebende Legende auf der Bühne genießen durften, sondern auch Zeuge davon wurden, dass man Armored Saint noch lange nicht zum alten Eisen zählen darf, denn in Punkto Bühnenpräsenz und Darbietung können sich ein Haufen sogenannter Rockstars eine dicke fette Scheibe abschneiden. Das war ein fettes Spektakel mit vielen Hits, einem tollen Publikum und einer grandiosen Band, die ich mir jederzeit und sofort wieder anschauen würde.

Kleine Anmerkung noch am Rande. Nach dem Einlass und der Begutachtung der angebotenen Obertrikotage, empfand ich die angebotene Ware nicht unbedingt als kaufwürdig, raste aber nach dem dritten Song zum Merchstand, um mir von diesem überragend geilen Abend ein Erinnerungsstück zu holen. Definitiv in meiner Liste der Gigs des Jahres 2024. Hammergeil!!!

Setlist:
End of the Attention Span
Raising Fear
Tribal Dance
The Pillar
Last Train Home
March of the Saint
Over the Edge
Left Hook from right Field
Standing on the Shoulders of Giants
Aftermath
Win Hands down
Can U deliver
Reign of Fire
Chemical Euphoria
Mad House
Nervous Man

 




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